Das sagt die Bahn zur Sicherheit
ICE-Unfall war nicht der erste an dieser Stelle

Rückblick: Bei dem Unfall im Jahr 2022 wurde glücklicherweise niemand verletzt | Foto: Bundeskriminalpolizei Hamburg
  • Rückblick: Bei dem Unfall im Jahr 2022 wurde glücklicherweise niemand verletzt
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Nach der schweren Kollision eines ICE mit einem Sattelzug in Hamburg-Rönneburg, nahe der Grenze zum Landkreis Harburg, am Dienstagnachmittag steht nun fest: Ein 55-jähriger Fahrgast erlag seinen Verletzungen. Wie am Mittwoch bekannt wurde, soll es sich dabei um den bekannten Historiker Prof. Dr. Thomas Großbölting handeln, der sich zeitlebens besonders um die Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Kirche verdient gemacht hat. Trotz intensiver medizinischer Versorgung verstarb er im Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus. Sechs weitere Personen wurden schwer verletzt, 19 Menschen erlitten leichte Verletzungen.

Notbremsung konnte Kollision nicht verhindern

Der Unfall ereignete sich gegen 14.14 Uhr in der Nähe des Bahnübergangs an der Straß "Reller". Der ICE konnte trotz eingeleiteter Notbremsung den Zusammenstoß mit dem Sattelzug nicht verhindern. Nach der Kollision wurde der Lkw teilweise mitgeschleift, was zu schweren Schäden an den Gleisanlagen führte.

Vor Ort war ein Großaufgebot an Rettungskräften im Einsatz. Neben Feuerwehr und Polizei wurde u.a. auch das Kriseninterventionsteam des Deutschen Roten Kreuzes alarmiert, um den Lkw-Fahrer sowie die betroffenen Reisenden zu betreuen. Die unverletzten 269 Passagiere wurden mit bereitgestellten Bussen zu einem nahegelegenen Bahnhof gebracht. Auch der deutsche Komiker Bernhard Hoëcker befand sich unter den Reisenden. Er blieb körperlich unverletzt.

Ermittlungen laufen

Der 34-jährige Fahrer des Sattelzugs wurde vorerst in Polizeigewahrsam genommen, ist mittlerweile aber wieder auf freiem Fuß. Gegen ihn wird wegen des Verdachts auf gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr sowie fahrlässige Tötung ermittelt. Ein durchgeführter Atemalkohol- und Drogentest verlief negativ. Der Mann trat bei der Bundespolizei bislang noch nicht kriminalpolizeilich in Erscheinung. Die genaue Unfallursache ist weiterhin Gegenstand der Ermittlungen. Laut Zeugenaussage soll der Fahrer in letzter Sekunde aus dem Fahrerhaus des Lkw gesprungen sein.

Um 18.35 Uhr war die Evakuierung des Zuges abgeschlossen, anschließend wurde die Einsatzstelle der Bundespolizei übergeben. Die Feuerwehr Hamburg war mit 103 Einsatzkräften rund vier Stunden im Einsatz. Die Aufräumarbeiten dauerten bis in die Morgenstunden an.

Durch den Unfall entstand ein erheblicher Sachschaden an den Gleisanlagen, dem ICE sowie dem Sattelzug. Über die genaue Schadenshöhe konnten die Behörden bislang keine Angaben machen. Die Bahnstrecke blieb vorerst gesperrt, das Unternehmen Metronom richtete vorübergehend einen Ersatzverkehr mit Bussen ein.

Ähnlicher Unfall 2022

Bereits im Dezember 2022 hatte es an derselben Stelle, am Bahnübergang "Reller" in Rönneburg, eine Kollision zwischen einem ICE und einem VW Caddy gegeben. Damals blieb ein 68-jähriger Fahrer mit seinem Baustellenfahrzeug mit den Vorderreifen in den Gleisen stecken. Der Pkw konnte daraufhin nicht mehr vom Übergang gefahren werden. Als sich die Halbschranken senkten, verließ der Fahrer umgehend sein Fahrzeug, das kurz darauf mit dem heranfahrenden ICE 515 kollidierte. Trotz Entgleisung des 100 km/h schnellen Zuges wurde damals keiner der 100 Reisenden und der fünf DB-Mitarbeiter verletzt.

Bahnübergang wurde 2023 auf Sicherheit geprüft

Wie sieht es also mit der Sicherheit des Bahnübergangs "Reller" aus? Auf WOCHENBLATT-Anfrage erklärte ein Sprecher der Deutschen Bahn (DB), dass jeder Bahnübergang von der Aufsichtsbehörde, dem Eisenbahn-Bundesamt, abgenommen und regelmäßig kontrolliert werde. Da Bahnübergänge aber Schiene und Straße gleichermaßen berühren, seien sie Gemeinschaftsaufgabe von Bahn, Bund und Eigentümer der Straße. In die Sicherung würden Faktoren wie Art der Bahnstrecke (Hauptbahn/Nebenbahn), Zuggeschwindigkeiten sowie Verkehrsstärke der kreuzenden Straße einfließen. In jedem Fall gelte ein Maximaltempo der Züge von 160 km/h auf Strecken mit Bahnübergängen. "An Hauptbahnen ist eine technische Sicherung grundsätzlich für alle Bahnübergänge vorgesehen. Dies ist bei dem Bahnübergang in Rönneburg, der mit Lichtzeichen (gelb/rot) und Halbschranken sowie Andreaskreuz ausgerüstet ist, selbstverständlich der Fall", bestätigt der Bahnsprecher.

Weiter erklärt er, dass turnusmäßige "Bahnübergangsschauen" durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die am Bahnübergang vorhandene Beschilderung und Technik in ihrem Zustand noch ausreichend ist, oder ob sie erneuert oder angepasst werden muss. Im Fall eines Unfalls werden zudem Sonderverkehrsschauen durchgeführt. An diesen Vor-Ort-Terminen nehmen Vertretende der DB, des Straßenbaulastträgers und der Straßenverkehrsbehörden, des Eisenbahn-Bundesamtes sowie der zuständigen Polizei und Bundespolizei teil. "Auch nach dem Unfall Ende 2022 gab es im Januar 2023 eine Sonderverkehrsschau, mit dem Ergebnis, dass der Bahnübergang allen Sicherheitsstandards entspricht und keine Änderungen erforderlich sind", so der Bahnsprecher.

Mit der Frage, ob der Bahnübergang in Rönneburg weiterhin ausreichend gesichert ist, werden sich die DB sowie die Behörden jetzt, nach der Tragödie, die einen Menschen das Leben kostete, im Rahmen einer erneuten Sonderverkehrsschau beschäftigen müssen.