Sehbehinderte am Bahnübergang
Wenn selbst Schranken keine Sicherheit bieten
bim. Tostedt. Es gibt Schwierigkeiten, derer sich Menschen ohne Beeinträchtigungen gar nicht bewusst sind. Der zuvor unbeschrankte EVB-Bahnübergang in der Tostedter Schützenstraße wurde kürzlich mit Halbschranken und Lichtsignal-Anlage ausgestattet. Was den Übergang sicherer machen soll, war für die blinde Tanja Siefert (46) ein Problem: Ihr Blindenhund, Labrador Pino (8), ist darauf trainiert, sie um Hindernisse und somit auch um die Schranken herumzuführen. Mit ihrem Blindenstock ertastet sie Hürden bis Bauchhöhe und nimmt die geschlossene, aber immer noch höher gelegene Schranke eigentlich nicht wahr. Gemeinde und EVB halfen - und alle haben etwas gelernt.
Problemlösung war
eine Herausforderung
Wie das Problem gelöst werden kann, stellte alle Beteiligten zunächst vor eine große Herausforderung. Gemeindedirektor Dr. Peter Dörsam, Jürgen Lürtzing von der Verkehrsbehörde der Samtgemeinde Tostedt und der Behindertenbeauftragte schauten sich die Situation vor Ort an, während ein Mitarbeiter der EVB mehrfach die Schranken hoch und runter ließ und Tanja Siefert mit "Pino" die Schienen überquerte.
An unbeschrankten Bahnübergängen geben die durchfahrenden Züge ein Signal. Bei gesicherten Übergängen allerdings ertönt nur beim Herablassen der Schranke ein Geräusch. "Wir hatten die Überlegung, das Warnklingeln für die Dauer der geschlossenen Schranke durchlaufen zu lassen. Aber das hätte über 10.000 Euro gekostet", erläutert Jürgen Lürzting.
Belange Sehbehinderter
werden berücksichtigt
Die EVB versuche bei Neu- und Umbauten von technischen Sicherungen an Bahnübergängen grundsätzlich die Belange von Blinden und seheingeschränkten Menschen zu berücksichtigen, berichtet Nicolai Breden, Leiter Signaltechnik bei der EVB. Dazu gebe es geltende Richtlinien und bei Bedarf auch einen Austausch mit den Behindertenbeauftragten des zuständigen Landkreises. "Im Fall des Bahnübergangs Schützenstraße ist es für uns allerdings neu, da wir dort keinen Gehweg über den Bahnübergang haben. Für so einen Fall gibt es keine Vorschriften oder Anwendungsbeispiele. Bisher sind uns in diesem Bereich auch keine Probleme bekannt gewesen", gibt er zu. "Daher war die Situation von Frau Siefert für uns auch neu und gleichzeitig interessant. Denn bei dem Ortstermin konnten wir hautnah miterleben, mit welchen Problemen sie an einem Bahnübergang konfrontiert ist, um diese gegebenenfalls in unseren zukünftigen Planungen berücksichtigen zu können."
Boden-Indikator
funktioniert nicht
Tanja Siefert dachte zunächst an einen Boden-Indikator, eine Metallplatte unmittelbar vor den Schranken, die sie mit dem Stock ertasten und das Geräusch entsprechend zuordnen kann. "Aber der Boden-Indikator funktioniert nicht, wenn Schnee oder Laub darauf liegt", sagt Tanja Siefert.
Nach einigem Hin und Her war schließlich eine Lösung in Form von rot-weißen Pfosten, die vor den Schranken als Orientierung in die Erde gelassen wurden, gefunden.
"Der Hund hat gelernt, dass er nicht mehr vom abgesenkten Bordstein diagonal durch die Schranken hindurchlaufen soll", erläutert Jürgen Lürtzing. Stattdessen führt "Pino" Tanja Siefert nun vom abgesenkten Bürgersteig zum Hochbord auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Am dortigen Pfosten ertastet sie mit ihrem Stock, ob die Schranke geschlossen ist. "Das mit den Pfeilern zur Orientierung an den richtigen Stellen ist genial - eine einfache, aber für uns sehr hilfreiche Lösung", freut sich Tanja Siefert.
Und Nicolai Breden von der EVB erklärt: "Wir werden versuchen, unsere bei dem Ortstermin gewonnenen Erkenntnisse in zukünftige Planungen einfließen zu lassen. Bei Bahnübergängen ohne eigenen Fußweg wird es allerdings auch zukünftig bei individuellen Einzellösungen bleiben, solange der Gesetzgeber hierzu keine einheitliche Lösung findet."
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.