Königsberger Straße Kiekeberg
Königsberger Straße mit Flüchtlingssiedlungshaus eröffnet

Die anwesenden Fördernden mit Museumsteam in der fertigen Königsberger Straße | Foto: Freilichtmuseum am Kiekeberg
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  • Die anwesenden Fördernden mit Museumsteam in der fertigen Königsberger Straße
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Eine Straße zum Erinnern und Entdecken: Ein wie 1963 eingerichtetes Flüchtlingssiedlungshaus im Freilichtmuseum am Kiekeberg führt Besuchende in die jüngere Vergangenheit, an die sich viele noch erinnern. Drei Generationen wohnten in dem fast sieben Jahrzehnte alten Haus in Tostedt. In der Königsberger Straße des Museums steht es für das Ankommen von Geflüchteten und Vertriebenen sowie für den Aufbau einer neuen Existenz nach dem Zweiten Weltkrieg. 2021 hatte das Freilichtmuseum das Wohnhaus als Ganzes an den Kiekeberg versetzen lassen. Nach der Restaurierung und Einrichtung wurden das Gebäude und damit der komplette Straßenzug am 23. Juni eröffnet: 1 200 Mitglieder des Fördervereins des Museums, Projektfördernde sowie Vertretende aus Kultur und Politik haben den Erfolg gefeiert. Bereits am ersten Wochenende nutzten trotz hochsommerlicher Hitze etwa 2 000 Besuchende die Gelegenheit das Wohnhaus und die Königsberger Straße bei Führungen und Vorführungen zu erkunden.

Das Flüchtlingssiedlungshaus von 1955 ist das am frühesten erbaute Wohnhaus in der „Königsberger Straße“. Mit dem Gebäude konnte das Freilichtmuseum ein typisches Siedlungshaus aus dem Landkreis Harburg sichern, das baulich nur wenig verändert wurde. Das Erbauerpaar Bruno und Herta Matz stammte aus Ostpreußen. Die inhaltliche Projektleiterin Dr. des. Zofia Durda berichtete: „Das Haus ist vor allem fotografisch sehr gut durch die Familie Matz dokumentiert und enthielt noch Gegenstände aus den 1950er und 1960er Jahren. Mit ihren privaten Dokumenten und Erinnerungen hat die Familie uns Forschende sehr unterstützt.“
Sabine Stelzer, Tochter der Erbauer, übergab ihr Elternhaus und die Familiengeschichte dem Freilichtmuseum und resümierte zur Eröffnung: „Es ist gut, dass das Haus erhalten bleibt. Es abzureißen, wäre traurig gewesen.“ Vor allem der Selbstversorgungsgarten, in dem sie gerne schaukelte und Federball spielte, und ihr Kinderzimmer seien ihre Lieblingsplätze gewesen, sagte sie. Sabine Stelzer erinnerte sich auch daran, dass die Familie das Obst in der Sommerküche direkt weiterverarbeitete und Teile der Ernte zur Verbesserung der Haushaltskasse verkauft hatte.

Rückblickend schätzte sie das einfache Leben, vor allem die Gemeinschaft mit vielen Besuchen und Festen. Ihre Eltern wohnten im Erdgeschoss des Wohnhauses und sie sowie die Großeltern im Obergeschoss.

Vor zwei Jahren ließ das Freilichtmuseum am Kiekeberg das 170 Tonnen schwere, anderthalbgeschossige Massivhaus mit Satteldach ins Museum translozieren, das heißt, versetzen. Über vier Tage und eine Strecke von 32 Kilometern wurde das Haus ins Museum transportiert. Museumsarchitektin und bauliche Projektleiterin Theda Boerma-Pahl verriet: „Mit viel technischem Knowhow, detaillierten Berechnungen und Fingerspitzengefühl ist das Haus zu uns gekommen. Das war einmalig in Deutschland. Die Ganzteil-Translozierung des Gebäudes ist für die Bewahrung und Vermittlung der Geschichte an folgende Generationen unglaublich wertvoll.“
Ebenfalls an den Kiekeberg umgesetzt wurde der 1956 gebaute, freistehende Stall, in dem die Familie zwei Schweine, Hühner und Kaninchen hielt. In dem Stall, der sich neben dem Haus befand und nun auch am Kiekeberg zu sehen ist, waren außerdem eine Räucherkammer und eine Futter- und Waschküche.

Mit dem Projekt „Königsberger Straße – Heimat in der jungen Bundesrepublik“ hat das Freilichtmuseum am Kiekeberg bundesweit Einmaliges geschaffen: Fünf Häuser ¬mit ihren Ausstellungen und Gärten, ein Spielplatz, Straßenlaternen, Verkehrsschilder und eine Telefonzelle erzählen Zeitgeschichte auf dem Dorf. Besuchende erleben an mehreren Wochenenden Führungen, Vorführungen, Mitmachaktionen und Darstellungen der „Gelebten Geschichte“, die sie in die Zeit der 1950er bis 1970er Jahre zurückführen. Zehn Jahre Planungs- und Forschungszeit sowie eine fünfjährige Bauphase liegen hinter dem Museumteam. Zur Eröffnung schilderten einige Gäste Kindheitserinnerungen, die im Flüchtlingssiedlungshaus und in der Königsberger Straße zu Tage gefördert wurden. Anknüpfend an den Stall und die Sommerküche des Hauses erzählte Sybille Kahnenbley, Stiftungsratsvorsitzende des Freilichtmuseums am Kiekeberg, wie früher die bei ihrer Familie einquartierte „Tante Dora“ die für sie „beste Sardellenwurst“ nach ostpreußischem Rezept eingekocht hätte. Die jüngere Geschichte im Freilichtmuseum lädt zum generationenübergreifenden Austausch ein. „Und an der Telefonzelle in der Königsberger Straße fragte mich mein Enkelkind, wofür man die damals brauchte“, sagte Sybille Kahnenbley.

Kein Handy – heute undenkbar und doch gar nicht so lange her.
Stefan Zimmermann, der seit fünf Jahren Direktor des Freilichtmuseums ist, dankte vor allem den Vorbesitzenden der Gebäude und Läden für ihr Vertrauen, den Fördernden für ihre finanzielle Unterstützung und seinem Vorgänger, Prof. Dr. Rolf Wiese, für dessen Idee zum Projekt und die Drittmittelbeschaffung zur Umsetzung. Das Projekt „Königsberger Straße – Heimat in der jungen Bundesrepublik“ war auf 6,14 Millionen Euro angelegt. Die Fördernden waren zur Eröffnung gekommen. Der Förderverein des Freilichtmuseums, der stolze 13 500 Mitglieder zählt, beteiligte sich mit 72 000 Euro an dem Bau. Für den Vorsitzenden Heiner Schönecke besteht “das Erfolgsgeheimnis des Museums aus der Zusammenarbeit zwischen dem Förderverein und dem Hauptamt“ (Stiftung), die das Museum tragen.

Die bundesweite Strahlkraft wurde auch durch die Förderung von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien deutlich: Katharina Cramer-Hadjidimos, Referatsleiterin bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, erklärte: „Frau Roth hat das Projekt gern unterstützt! Es ist eines der schönsten Bauprojekte, die wir fördern. Die Königsberger Straße stellt informativ und eindrücklich die großen Fluchtbewegungen der Nachkriegszeit dar und hat in dieser Form eine bundesweit modellhafte Wirkung. Der Ausstellungsabschnitt macht nicht nur einen wesentlichen Teil der deutschen Nachkriegsgeschichte greifbar, sondern belegt auch eindrücklich die Toleranz und Aufnahmefähigkeit der damaligen Gesellschaft einerseits sowie die Integrationsfähigkeit von Zugezogenen andererseits. Das eröffnet den Besucherinnen und Besuchern nicht nur einen Rückblick, sondern im besten Fall auch ein Ausblick für die Gegenwart und Zukunft, der eine ermutigende Signalwirkung hat.“

Nadja Weippert, stellvertretende Landrätin des Landkreises Harburg und Mitglied des niedersächsischen Landtags, sieht in dem „Freilichtmuseum am Kiekeberg ein Aushängeschild für den Landkreis Harburg. Hier lässt sich Geschichte hautnah erleben.“ Auch sie berichtete von Fluchterfahrungen aus ihrer Familie: Ihre Großeltern stammten aus Bessarabien und Vertreibung und Kriegstraumata wären früher Themen an ihrem Küchentisch gewesen. Das Projekt habe eine Bedeutung, die weit über den Landkreis hinausrage, da es ein Spiegelbild der bundesdeutschen Historie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis in die 1970er biete.

Programm in der Königsberger Straße:

Di – Sbd, 11.–15.7., 10.30–18 Uhr
„Sommerspaß“ zum Thema „Rund um die Königsberger Straße“ als Ferienprogramm für Kinder: Anziehpüppchen und Puppenhaus im Schuhkarton basteln, „Falsche Leberwurst“ zubereiten, Wäsche wie früher waschen, Spiele wie Hüpfkästchen, Seilspringen und Gummitwist

Sbd/So, 22./23.7.,10–18 Uhr
„Gelebte Geschichte 1945 – Überleben in der Nachkriegszeit“ und „1804 – Leben im Heidedorf“ sowie    „1904 – Alltag in der Marsch“

Sbd/So, 19./20.8.,10–18 Uhr
„Gelebte Geschichte 1945 – Überleben in der Nachkriegszeit“ und „1804 – Leben im Heidedorf“ sowie „1904 – Alltag in der Marsch“

Sbd/So, 9./10.9., 10–18 Uhr
Führung zur Landtechnik nach 1945 beim „Traktorentreffen“

Sbd/So, 16./17.9., 10–18 Uhr
„Gelebte Geschichte 1945 – Überleben in der Nachkriegszeit“ und „1804 – Leben im Heidedorf“ sowie „1904 – Alltag in der Marsch“

So, 24.9., 11–18 Uhr
„Sonntags im Museum – Königsberger Straße“: Start der neuen „KiekeApp“ zur 1950er Jahre-Tankstelle und zum Quelle-Fertighaus, neue Darstellungen „Gelebte Geschichte 1949–1969 – Dorfleben in der jungen Bundesrepublik“, Führungen mit Kuratierenden und Zeitzeugen durch die „Königsberger Straße“ mit ihren Gebäuden und Gärten

So, 8.10., 11–18 Uhr
„Sonntags im Museum – Königsberger Straße“: neue Darstellungen „Gelebte Geschichte 1949–1969 – Dorfleben in der jungen Bundesrepublik“, Führungen mit Kuratierenden und Zeitzeugen durch die „Königsberger Straße“ mit ihren Gebäuden und Gärten

Sbd/So, 21./22.10.,10–18 Uhr
„Gelebte Geschichte 1945 – Überleben in der Nachkriegszeit“ und „1804 – Leben im Heidedorf“ sowie „1904 – Alltag in der Marsch“

So, 22.10., 10–18 Uhr
Führungen durch den Selbstversorgungsgarten beim Flüchtlingssiedlungshaus mit Stall und Sommerküche am Aktionstag „Erntezeit im Museum“

So, 5.11., 11–18 Uhr
„Sonntags im Museum – Königsberger Straße“:
Neue Darstellungen „Gelebte Geschichte 1949–1969 – Dorfleben in der jungen Bundesrepublik“,
Führungen mit Zeitzeugen durch die „Königsberger Straße“

So, 12.11., 11–18 Uhr
Führung zur Energieversorgung in den Nachkriegsjahrzehnten und neue Darstellungen „Gelebte Geschichte 1949–1969 – Dorfleben in der jungen Bundesrepublik“ beim Aktionstag „Feuer und Licht“

Leserreporter:

Freilichtmuseum am Kiekeberg aus Rosengarten

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