Fernsehanwalt Christopher Posch in Stade
Prozess mit Prominenz

Prominenter Gast am Stader Gericht: Staranwalt Christopher Posch (li.) mit dem Buxtehuder Verteidiger Lars Zimmermann  Foto: jd
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jd. Stade. Eigentlich wäre im Gerichtssaal nach der Verhandlung eine Autogrammstunde fällig gewesen: Bei einem Prozess vor dem Amtsgericht in Stade ließ sich eine Angeklagte vom Star-Anwalt Christopher Posch verteidigen. Der bekannte Fernsehjurist, der mit einer eigenen Reihe beim Sender RTL ("Ich kämpfe für Ihr Recht") Menschen zu ihrem Recht verhalf, in Gerichtsshows als Staatsanwalt auftrat und mit Mario Barth Fälle von Behördenversagen aufdeckte, gelang es auch vor dem Stader Schöffengericht, seine Mandantin "rauszuboxen". Unterstützung erhielt der Strafverteidiger aus Kassel durch lokale Prominenz: Der Buxtehuder Anwalt Lars Zimmermann vertrat den Mitangeklagten - ebenfalls mit Erfolg: In beiden Fällen wurde das Verfahren wegen der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger eingestellt. Die Kosten - und damit auch die Auslagen beider Anwälte - trägt die Staatskasse.

Vor Gericht standen eine Frau (30) und ein Mann (27) aus Stade. Sie hatte unter dem Pseudonym "Miriam" ihre Dienste im horizontalen Gewerbe angeboten, er war der Zuhälter und vermittelte via WhatsApp die Freier, die über ein Erotikportal im Internet Kontakt aufnahmen. Beiden wurde vorgeworfen, eine damals erst 16-Jährige ebenfalls an Freier vermittelt zu haben.

Das junge Mädchen soll "unter Anleitung" der 30-Jährigen, wie es die Staatsanwältin formulierte, als Prostituierte in der eigens für diese Zwecke angemieteten Wohnung tätig gewesen sein. Ihren Job erledigte sie unter dem Namen "Leyla".

Angeklagt wurden 16 Fälle, in denen das Mädchen Sex mit Freiern gehabt haben soll. Denn wer die Prostitution Minderjähriger fördert und zulässt, macht sich strafbar. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Gefängnis. Laut der Anklageschrift mussten sich die beiden Angeklagten zudem wegen der Ausbeutung von Prostituierten verantworten. In dem einschlägigen Paragraphen heißt es dazu: Bestraft wird, "wer einer Person unter achtzehn Jahren zur Ausübung der Prostitution Wohnung, gewerbsmäßig Unterkunft oder gewerbsmäßig Aufenthalt gewährt".

Hier hakten Posch und Zimmermann ein: Nirgendwo in den Ermittlungsakten finde sich ein Hinweis darauf, dass die zwei Angeklagten über das jugendliche Alter von "Leyla" Bescheid wussten. "Für diesen Vorwurf gibt es keinerlei Anhaltspunkte", so Zimmermann. Das sei schon "sehr sportlich", darauf eine Anklage aufzubauen.

Auch Posch meinte, er sei bei diesem Punkt "stutzig geworden". Zudem habe die 16-Jährige optisch nicht minderjährig gewirkt und sei den Freiern auch nicht als Minderjährige "angepriesen" worden. Die mittlerweile 18-Jährige konnte dazu nicht befragt werden. Sie ließ sich krankheitsbedingt entschuldigen.

So blieben nur die abgehörten Telefonate und aufgezeichneten WhatsApp-Nachrichten zwischen dem Zuhälter und den beiden Prostituierten. Aber auch dieses Beweismittel zerrissen die beiden Strafrechtsexperten in der Luft. Für eine Telekommunikationsüberwahung (TKÜ) gibt es nämlich enge gesetzliche Regeln. Um Telefongespräche oder Smartphone-Mitteilungen aufzeichnen zu dürfen, muss es sich um eine Katalogtat handeln. Dieser Katalog verzeichnet diejenigen Straftaten, bei denen eine TKÜ zulässig ist. Das ist beispielsweise bei Mord oder räuberischer Erpressung der Fall. "Die angeklagten Taten gehören nicht dazu", konstatierte Zimmermann.

Tatsächlich stand erst der Verdacht im Raum, dass es um Zwangsprostitution geht. Deshalb erfolgten die Abhörmaßnahmen. Da die Jugendliche offensichtlich freiwillig ihre Liebesdienste anbot, musste dieser Vorwurf letztlich fallengelassen werden.

Damit war aber auch der ganze Prozess hinfällig: "Wenn die Telefonüberwachung nicht als Beweismittel verwertbar ist, sehe ich schwarz für die Anklage", so der Richter. "Dann sind wir hier am Ende." Das sah schließlich auch die Staatsanwältin ein.

Staranwalt Posch war froh, dass der Prozess in der norddeutschen Provinz so schnell ad acta gelegt werden konnte. Er eilte weiter nach Hamburg, wo vor dem Schwurgericht Prozesse von einem ganz anderen Kaliber auf ihn warteten. "Ich muss jetzt erstmal einen Mandanten in U-Haft besuchen. Gut, dass ich jetzt mehr Zeit dafür habe", sagte Posch, bevor er ins Auto stieg und davoneilte.

Prominenter Gast am Stader Gericht: Staranwalt Christopher Posch (li.) mit dem Buxtehuder Verteidiger Lars Zimmermann  Foto: jd
In dem Prozess wurde den Angeklagten vorgeworfen, dass sie eine Minderjährige "anschaffen" ließen  Foto: Adobe Stock/antic
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Jörg Dammann aus Stade

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