Prozess um Kindesmissbrauch: Höhere Haftstrafe in der zweiten Instanz
jd. Stade. In der ersten Instanz am Buxtehuder Schöffengericht wurde ein 47-Jähriger aus Jork zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, doch jetzt hat das Landgericht Stade noch ein halbes Jahr draufgelegt: In der Berufungsverhandlung vor der Kleinen Strafkammer erhielt der ehemalige Berufsschullehrer eine Gefängnisstrafe von vier Jahren wegen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern bzw. Schutzbefohlenen.
Der Jorker war angeklagt, neben einem länger zurückliegenden Fall über mehrere Jahre die Tochter seiner damaligen Lebensgefährtin und jetzigen Ehefrau missbraucht zu haben. Bei den ersten Taten, die sich zwischen 2010 und 2014 ereignet haben, war das jetzt 16-jährige Mädchen erst zehn Jahre alt. Die Mutter des Opfers machte auch in diesem Verfahren von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch: Sie hatte den mutmaßlichen Peiniger ihrer Tochter kurz vor dem ersten Prozess geheiratet. Das Mädchen soll keinen Kontakt mehr zur Mutter haben und lebt bei Verwandten im Kreis Harburg.
Die Öffentlichkeit war aus Gründen des Opferschutzes während des gesamten Verfahrens in Stade ausgeschlossen. Deswegen wollen sich auch alle Beteiligten nicht weiter zu Details äußern. Verteidigerin Katrin Bartels weist allerdings darauf hin, dass ihr Mandant im Gegensatz zum ersten Verfahren geständig war. Sie zeigt sich verwundert, dass dennoch keine mildere, womöglich zur Bewährung ausgesetzte Strafe herausgekommen ist. "Die Staatsanwaltschaft und das Gericht hatten möglicherweise eine andere Auffassung davon, wie ein umfassendes Geständnis aussehen könnte", so Bartels.
Die Anwältin prüft nun, ob sie beim Oberlandesgericht Celle Revision einlegt. Sie geht davon aus, dass ihr Mandant zunächst auf freiem Fuß bleibt: "Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, gibt es keinen Grund, ihn in Haft zu nehmen." Der Angeklagte habe nie Anlass zu der Sorge gegeben, dass er sich womöglich absetzen will.
Wie der Staatsanwalt hatte auch der Buchholzer Anwalt Ulrich Polligkeit, der das Opfer im Rahmen der Nebenklage vertrat, auf vier Jahre Haft plädiert. In der Vorinstanz lautete sein Plädoyer noch auf dreieinhalb Jahre. Den "Zuschlag" von einem halben Jahr betrachtet er als gerechtfertigt, weil das Opfer erneut den Belastungen eines Prozesses ausgesetzt worden sei.
Um nicht dem Täter begegnen zu müssen, machte die 16-Jährige ihre Aussage nicht im Gerichtssaal, sondern in einem separaten Raum per Videokonferenz. Trotz dieser Vorkehrung zum Schutz des Opfers habe man gespürt, wie sehr das erneute Verfahren das Mädchen psychisch mitnehme. "Ich hoffe sehr für meine Mandantin, dass es nicht zu einer Revision kommt", erklärt Polligkeit: "Mein größter Wunsch für sie ist es, dass sie endlich die ganze Sache hinter sich lassen kann und es irgendwann schafft, wieder nach vorn zu blicken."
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