Wenn es in der Schule zu Gewaltdelikten kommt
"Das Schweigen macht es noch schlimmer"
Übergriffe an Schulen: Mutter schildert Vorfall und kritisiert fehlende Informationen tk. Landkreis. Dieser Konflikt scheint unauflösbar zu sein: Wenn es an einer Schule zu Gewaltdelikten kommt, wird darüber nur wenig öffentlich kommuniziert: Zum einen gibt es einen durchaus berechtigten Wunsch von Eltern nach Informationen, auf der anderen Seite steht der Anspruch von den am Konflikt beteiligten Schülern und deren Eltern auf Datenschutz. Nach einem WOCHENBLATT-Artikel über eine mutmaßliche Attacke an der IGS in Buxtehude hat die Redaktion ein weiterer Fall von Gewalt an Schulen erreicht. Eine Mutter* berichtet, wie ihre Tochter (9) an einer Grundschule im Landkreis Harburg von einem Mitschüler (8) angegriffen und verletzt wurde.
"Der Junge ist schlichtweg ausgerastet", sagt die Mutter. Er habe ihrer Tochter ins Gesicht getreten, ihr Haare ausgerissen, sie an den Haaren über den Schulhof gezerrt, an Gesicht und Knien verletzt. Dieser Übergriff wurde dokumentiert und angezeigt. Das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Stade eingestellt, weil der Täter noch lange nicht strafmündig ist. Der Schüler wurde nach Angaben der Mutter für drei Wochen suspendiert und kam danach in eine andere Klasse. Die Staatsanwaltschaft Stade bestätigt auf WOCHENBLATT-Nachfrage das Verfahren und seine Einstellung.
Die Mutter kritisiert die fehlende Information seitens der Schule. Sie sei überall von sehr vielen anderen Eltern angesprochen worden, die über den Vorfall informiert werden wollten. "Es gab keine Chance für mich, zur Ruhe zu kommen." Dabei habe sie vor allem Kraft benötigt, um ihrer Tochter zu helfen, die Folgen des Übergriffs zu verarbeiten. Hinzu kommt: "Je konkreter kommuniziert wird, desto weniger Gerüchte entstehen." Und die Gerüchteküche brodelte.
Kaum waren die Wogen der Aufregung etwas geglättet, wurde die Mutter wieder zum Informations-Hotspot. Die Eltern aus der neuen Klasse des Jungen wollten von ihr alles Wichtige erfahren. "Man muss Verständnis für die berechtigten Ängste der Eltern haben", sagt die Frau. Für sie schälte sich allmählich als Informations-Kern heraus, dass es mit diesem Schüler schon länger gravierende Probleme gegeben haben soll. Offenbar wurde auch darüber im Vorfeld nicht offen kommuniziert. Das wäre nach Meinung der WOCHENBLATT-Leserin aber wichtig gewesen. Wichtig auch, weil dann vielleicht der Angriff auf ihre Tochter hätte vermieden werden können.
Forderung der Mutter: Klare Kommunikation und kein Verstecken hinter dem Datenschutz. "Durch Schweigen wird eine schlimme Situation noch schlimmer."
Hoffnungen, dass sich daran etwas ändert, macht die Landesschulbehörde in Lüneburg nicht. "Auch konkrete Fälle von Gewalt fallen unter den Datenschutz", sagt Andreas Herbig, stellvertretender Pressesprecher der Behörde. Nach einem solchen Übergriff könne aber jede Schule das Thema Gewalt gezielt besprechen. "Prävention und Aufarbeitung stehen dabei im Mittelpunkt", so Herbig. Einzelne Lehrer oder die Schulleitung können sich an die Landesschulbehörde wenden. Die Schulpsychologen bieten Hilfe für Pädagogen, aber auch für Schülerinnen und Schüler oder ganze Klassen an. Das Problem der Verbreitung von Gerüchten sei damit zwar nicht vom Tisch, doch das Recht auf Nicht-Verbreitung von Informationen könne nicht umgangen werden, so Herbig.
Grundsätzlich findet er es wichtig, dass es eine Kultur des Hinschauens gebe. Konflikte könnten nicht abgeschafft werden. Die Frage sei, wie Kinder und Jugendliche damit umgehen. Im besten Fall sind sie durch Präventionsmaßnahmen so geschult, dass es nicht zu Gewaltdelikten kommt oder - wenn doch - andere Schüler schnell einschreiten.
* Name der Redaktion bekannt
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