Wer haftet für die Schäden?
Lüheflut: Viele offene Fragen und auch Frust
Das war ein Totalversagen des NLWKN", sagt ein Insider* über die Flutwelle, die in der Nacht zu Samstag die Lühe entlang-rauschte und für massive Schäden sorgte. Die Abkürzung NLWKN steht für Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Und diese Landesbehörde ist massiv in der Kritik.
Mit einer lapidaren Entschuldigung aus dem Amt - "Das hätte so nicht passieren dürfen", so steht es in einer Pressemitteilung - will sich an der Lühe niemand abspeisen lassen. Warum wurde das Lühe-Sperrwerk nicht rechtzeitig geschlossen? In Freiburg und Stade hatte das in der Samstagnacht reibungslos funktioniert. Weil der höhere Wasserstand der Elbe zwangsläufig auch die Lühe passiert, wäre genug Zeit gewesen, um den Kollegen an der Lühe zu informieren oder aber, um festzustellen, dass die automatische Pegelmeldung an den Lühe-Sperrwerkswärter offenbar nicht angekommen ist. Ein "Defekt im Meldesystem" ist, Stand am Donnerstag, aus NLWKN-Sicht, die entscheidende Panne. "Ich gehe aber davon aus, dass die Strukturen nicht stimmen", meint dagegen ein Experte, der namentlich nicht genannt werden will.
Beispiel: Landrat Kai Seefried hatte am Samstag versucht, eine NLWKN-Bereitschaftsnummer anzurufen. Er landete im Huntesperrwerk. Dort ist rund um die Uhr jemand erreichbar. Neben richtigen Kontaktdaten bekam er auch die Telefonnummer eines seit Ende 2021 pensionierten Mitarbeiters. "Da stimmen die Kommunikationswege und Strukturen nicht", kommentiert der Landrat. Für ihn wie auch für Timo Gerke, Lühes Samtgemeinde-Bürgermeister, ist es außerdem unerklärbar, dass es keine Meldekette von Freiburg über Stade an den Lühe-Verantwortlichen gab. Ein simpler Anruf von Kollege zu Kollege hätte geholfen.
Ein Insider, der selbst Notfallmeldungen bei Hochwasser bekommt, sagt: "Ich muss eine solche Nachricht quittieren." Es sei also klar, ob die wichtige Information ankomme oder nicht. Eine Rückkoppelung, um den Empfang zu bestätigten gibt es beim NLWKN offenbar nicht oder sie hat nicht funktioniert.
Wie hoch die Schäden durch die Flutwelle sind, steht derzeit noch nicht fest. Experten gehen von einigen Hunderttausend Euro aus. Vollgelaufene Keller, überschwemmte Grundstücke, weggerissene Stege und bis zur Bodenwanne abgesoffene Autos stehen unter anderem in der Schadensbilanz. Die Meldungen über Schäden nimmt die Wasserschutzpolizei in Stade auf und die hat aufgehört, die Zahl der Anrufe zu zählen.
Zwei Dinge stehen jetzt im Fokus: Wie kam es zur Panne? Und: Wer haftet für die Schäden? Lühes Samtgemeinde-Bürgermeister Timo Gerke will sich nicht damit abspeisen lassen, dass die Lühe-Anrainer mit einer solchen Flutwelle hätten rechnen müssen - also auf ihren Schäden sitzenbleiben. "Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit gilt für die Sturmflutsaison, aber nicht bei einem Hochwasser der Elbe von knapp einem Meter. Dafür haben wir das Sperrwerk", betont Gerke.
Laut NLWKN-Sprecher stehe die Behörde bei der Suche nach Ursache und Fehlern in "engem Kontakt mit der Wasserschutzpolizei, aber auch mit dem Hersteller der zum Einsatz kommenden Mess- und Meldeanlage sowie den Telekommunikationsanbietern". Das hört sich ein wenig so an wie die Suche nach dem Schwarzen Peter. Und ein Hersteller der Messtechnik dürfte kaum verantwortlich dafür sein, dass von NLWKN-Mitarbeitern Telefonnummern pensionierter Mitarbeiter als Ansprechpartner rausgegeben werden. Das hat etwas mit Struktur und Kommunikationswegen zu tun. "Da müssen wir ansetzen und da fordere ich Aufklärung und Konsequenzen", sagt Stades Landrat Kai Seefried. Das Hochwasser endete relativ glimpflich, doch bei den Lühe-Anrainern, den Verantwortlichen in der Samtgemeinde Lühe und im Stader Kreishaus hat der NLWKN massiv Kredit verspielt.
* Name der Redaktion bekannt
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