Mehr als nur ein Geläut
Mit einem Experten in der Glockenstube von St. Cosmae
jab. Stade. Ein tolles Klangerlebnis schaffen die Glocken der St. Cosmae-Kirche in Stade. Regelmäßig erklingen die Laute der teils Jahrhunderte alten Glocken und schallen durch die Stader Innenstadt. In der derzeitigen Passionszeit wird einer von ihnen eine besondere Aufgabe zuteil. Jeden Freitag um 15 Uhr nach dem Stundenschlag erklingt die "Dominica", die größte Glocke, die St. Cosmae zu bieten hat.
Einer, der alles rund um das Thema Glocken in St. Cosmae weiß, ist Hansjörg Gerdes. Mit ihm und Pastor Jan-Peter Schulze wagte sich das WOCHENBLATT in den Glockenstuhl. Seit Gerdes 14 Jahre alt ist, beschäftigt sich der Ehrenamtliche mit dem Geläut der Kirche und hat sich ein umfangreiches Wissen angeeignet. Es gibt keine Frage, die der gelernte Bäcker nicht beantworten kann, und kein Detail, das er nicht kennt. Das Interesse wurde während seiner Konfirmandenzeit geweckt und wuchs immer weiter. Inzwischen habe er die Klangfolge so perfektioniert, dass der Klang jeder Glocke optimal zur Geltung komme, sagt er.
"Dominica" ist die Größte
Seine "Lieblingsglocke" ist die "Dominica", die auch Domina - aus dem Lateinischen für Herrin - genannt wird. Die größte der Glocken wiegt ca. 67 Zentner, sagt Gerdes. Sie schlägt täglich um sieben, zwölf und 18 Uhr. Sieben Mal für die sieben Bitten im Vaterunser. "Mich macht der Gedanke ehrfürchtig, dass ein Teil dieser Glocken bereits vor 300 Jahren die Menschen zum Gebet gerufen hat", sagt Schulze.
Die ursprünglichen Glocken aus dem 14. Jahrhundert wurden beim großen Stadtbrand zerstört. Die heutigen Glocken Nummer 1 (Dominika), 3 (Taufglocke), 4 (Trauglocke) und 5 (Sterbeglocke) stammen aus dem Jahr 1663 von Hermann Benninck. Die Nummer 2 (Dankglocke) wurde während des Krieges konfisziert und wahrscheinlich für die Waffenproduktion eingeschmolzen. "Ein Schicksal, das viele Glocken zu dieser Zeit traf", erklärt Schulze. Erst 1959 gab es Ersatz für diesen Verlust. Nummer 2 wurde gemeinsam mit den fünf Zimbeln - kleinen Glocken, die die Choräle spielen - in der Glockengießerei Rincker hergestellt.
Insgesamt verfügt die Kirche über zwölf Glocken, die allesamt aus Bronze bestehen. Zwei hängen oben im Turm und schlagen die Uhrzeit. Die Übrigen hängen im Holzglockenstuhl. Dort sind sie gerade aufgehängt, erklärt Gerdes, das sorge für einen vollen Klang. Doch auch hier hört der Experte große Unterschiede: Laut Gerdes klingen die alten Glocken am schönsten, was mit dem Aufbau der Glocken zu tun habe. Im Vergleich zu den neueren sei der Klang runder und voller, die neuen hätten einen eher flachen Klang.
Klangfolge genau festgelegt
In welcher Reihenfolge die Glocken läuten und zu welchem Anlass welche erklingen, ist in der Läuteordnung festgehalten. Beispielsweise ist das volle Geläut zum Einläuten des Kirchenjahres, an Weihnachten, an Neujahr, am ersten Sonntag nach Epiphanias, an Ostern, an Pfingsten und an Trinitatis zu hören. Jeder Kirchenzeit wurde eine andere Kombination zugeordnet, wobei die größte Glocke der Variante jeweils beginnt und dann die kleineren nacheinander hinzukommen. Zu hören ist es am Samstagabend.
Einmal im Jahr müssen alle Glocken und Motoren, Zahnräder und Ketten gewartet werden. Erst vor Kurzem wurden dafür alle Glocken geläutet - gleichzeitig, aber auch einzeln. Aber auch die Technik wird untersucht. Denn auch wenn es hierbei um historische Glocken geht, gelenkt wird alles durch modernste Technik.
Gerdes kann jedem, der mehr über die Glocken erfahren und sie einmal in Aktion sehen möchte, die Glockenführung auf den St. Cosmae-Kirchturm empfehlen. Wenn es die Corona-Pandemie zulässt, soll die Führung wieder wie gewohnt stattfinden. Nähere Informationen gibt es dazu dann auf der Homepage www.stadtkirchen-stade.de.
Redakteur:Jaana Bollmann aus Stade |
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