Das Vertrauen ist erschüttert
bc. Stade. Das Vertrauen großer Teile der Stader Politik in Bürgermeisterin Silvia Nieber (SPD) ist erschüttert. Grund ist eine komplett schief gelaufene Suche nach einem Nachfolger für den im Sommer scheidenden langjährigen Stadtbaurat Kersten Schröder-Doms.
Der Kandidat, auf den sich Politik und Rathausspitze inklusive Nieber in einer gemeinsamen Sitzung des Verwaltungs- sowie Personalausschusses am 13. Januar geeinigt hatten, ist wieder Geschichte. Nieber entschied sich einige Tage später doch gegen den Bewerber. Für die Politik - bis auf die SPD - ein absolutes "No-Go"!
CDU-Fraktionschefin Kristina Kilian-Klinge sagt dazu: „Eine wenig nachvollziehbare Entscheidung, die der Stadt einen großen Imageschaden beschert." Ähnlich sehen es die Grünen und die WG/FDP-Gruppe.
Die Chronologie der Geschichte: Die Suche nach einem neuen Stadtbaurat startete im vergangenen Sommer mit einer öffentlichen Ausschreibung. Acht von 22 Bewerbern werden zu einem ratsöffentlichen Vorstellungsmarathon am 12. und 13. Januar eingeladen. Einer sagt ab. Am Ende fokussiert es sich auf zwei Kandidaten: ein Stadtplaner aus dem westfälischen Bad Qeynhausen und eine interne Lösung.
Nach Medieninformationen soll es sich dabei um den Stader Wirtschaftsförderer Thomas Friedrichs handeln. Dessen Fähigkeiten sind in der Politik unbestritten, dennoch wäre er kein mehrheitsfähiger Kandidat gewesen. Gemeinsam einigten sich die Ausschüsse und Bürgermeisterin auf den Bewerber aus Nordrhein-Westfalen.
Was dann geschah, ist der Grund, weshalb die Ratsleute stinkesauer sind.
Nieber, die gerne gesehen hätte, wenn Friedrichs das Rennen gemacht hätte, verteidigt ihre Entscheidung: „Nachdem ich meine Notizen überdacht und Erkundigungen eingeholt habe, habe ich Zweifel bekommen, dass ich diese Entscheidung mittragen kann. Es fehlt an Grundvertrauen. Letztendlich liegt die Verantwortung bei mir.“ Zur Erklärung: Das Kommunalverfassungsgesetz gesteht der Stadtoberen dieses Veto-Recht bei Personalbeschlüssen zu.
Die Grünen vermuten, dass Niebers ablehnende Haltung daher rührt, dass der Kandidat aus Bad Oeynhausen einst Mitglied der Grünen gewesen sein soll, das aber in der Vorstellung nicht erwähnt hatte. Nieber gilt im Vergleich zu den Grünen als sehr industriefreundlich. Erstaunlich, wenn tatsächlich die verschwiegene Parteimitgliedschaft der Grund sein sollte, arbeiten doch SPD und Grüne im Stadtrat gut zusammen.
Grünen-Fraktionsvorsitzende Barbara Zurek hat eine klare Meinung: "Für uns ist künftig eine vertrauensvolle Zusammenarbeit schwer vorstellbar." Nieber habe bislang keine überzeugende Begründung für ihren Sinneswandel abgegeben.
SPD-Fraktionschef Kai Holm erwartet Respekt für Niebers Entscheidung: "Eine mögliche Grünen-Mitgliedschaft steht nicht zur Debatte. Es gab andere Dinge abzuwägen." Gleichwohl sehe die SPD-Fraktion Anlass, beim nächsten Auswahlverfahren intensiver zu kommunizieren.
Eine zweite öffentliche Ausschreibung für einen Stadtbaurat wird es nach der Pleite jedoch nicht geben. Zumal mit dem Abbruch des Verfahrens nicht nur der präferierte, sondern auch alle anderen Bewerber für die Besetzung nicht mehr infrage kommen.
Bei der neuerlichen Suche wird es vermutlich auf die Dienstleistung eines Headhunters hinauslaufen. CDU, Grüne und WG/FDP-Gruppe haben beantragt, über die nächsten Verfahrensschritte in einer Sonderratssitzung am Montag, 9. Februar, zu beraten. Ob die Sitzung öffentlich sein wird, ist bislang unklar.
Silvia Nieber bleibt entspannt: "Selbst wenn im Sommer kein Nachfolger sofort zur Verfügung steht, kann man mal ein paar Monate ohne Stadtbaurat auskommen."
Kommentar
In Stade herrscht üblicherweise ein politisches Klima der Harmonie - zumindest vor den Kulissen. Plötzlich gehen alle Ratsfraktionen bis auf die Sozialdemokraten öffentlich auf Distanz zu SPD-Bürgermeisterin Silvia Nieber. Der erste echte spürbare Gegenwind für Nieber in ihrer mehr als dreijährigen Amtszeit. Nieber wird viele Gespräche führen müssen, bis das erschütterte Vertrauen wieder gekittet ist. Vielleicht ist diese kleine Politkrise aber auch eine Chance, manch andere politische Diskussion in der Zukunft kontroverser zu führen als bislang. Reibung erzeugt bekanntlich Energie.
Björn Carstens
Redakteur:Björn Carstens aus Buxtehude |
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