Landwirte sehen Projekt der Bundesregierung skeptisch
"Ein völlig falsches Signal"

An die Zukunft denken: Landwirte aus dem Landkreis Harburg machten sich auf den Weg, um ihre Forderungen an die Politik zu übergeben  | Foto: Aldag
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  • An die Zukunft denken: Landwirte aus dem Landkreis Harburg machten sich auf den Weg, um ihre Forderungen an die Politik zu übergeben
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(jab/os). Der Koalitionsausschuss in Berlin hat beschlossen, den Landwirten in Deutschland eine Milliarde Euro zur Verfügung zu stellen, "um die notwendigen Umstellungsmaßnahmen beim Grundwasser- und Umweltschutz besser schultern und begleiten zu können". So steht es in einer Pressemitteilung des Bundes-Landwirtschaftsministeriums. Über den Sinn der sogenannten Bauernmilliarde ist in Deutschland eine Diskussion entbrannt. Das WOCHENBLATT fragte bei den Kreislandwirten Johann Knabbe (Landkreis Stade) und Willy Isermann (Landkreis Harburg nach): Wie bewerten Sie die Bauernmilliarde?

Johann Knabbe sieht die Bauernmilliarde skeptisch: "Die Bedingungen für die finanzielle Unterstützung sind noch nicht bekannt." Er habe den Eindruck, dass die Landwirtschaft an allem schuld sein soll, z.B. am Insektensterben. "Ein ganzer Berufszweig wird permanent in die Ecke gedrängt.", kritisiert Knabbe. Dabei seien die Landwirte änderungswillig, die neuen Vorschriften seien aber jedes Mal mit hohen Investitionen und Umstellungen verbunden. Zudem werde derzeit eine Diskussion über erneute Anpassungen der EU-Agrarpolitik geführt, die noch nicht in die jetzigen Debatte eingeflossen sei. "Wir Landwirte sind diskussionsbereit, allerdings sollte alles auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse geschehen", so Knabbe. Bis es aber so weit ist, machen die Landwirte weiter auf sich aufmerksam.

Für Willy Isermann ist die Bauernmilliarde "das völlig falsche Signal". "Der normale Verbraucher sagt: Jetzt bekommen die Bauern, die sowieso schon subventioniert werden, noch mehr Geld." Dabei nütze das Geld ohnehin nichts, denn bei bundesweit rund 270.000 landwirtschaftlichen Betrieben erhalte jedes Unternehmen lediglich 926 Euro. "Wer soll denn davon die angedachte Umstellung der Ställe bezahlen?", fragt Isermann. Seinen Schweinen gehe es z.B. gut, sie hätten jetzt schon mehr Platz als vorgeschrieben. "Ich empfinde die Bauernmilliarde als Frechheit!" Stattdessen solle sich die Bundesregierung lieber um ein vernünftiges Messstellennetz für den Einsatz von Düngern kümmern. Die Beschränkung auf einen Düngemitteleinsatz von 170 Kilogramm Nitrat pro Jahr pro Landwirt gehe am tatsächlichen Bedarf vorbei. "Allein für die Herstellung von Backweizen benötigt man 200 Kilogramm Nitrat", rechnet Isermann vor.

In den Landkreisen Stade und Harburg überreichten Landwirte kürzlich eine Resolution zur Bauernmilliarde an die zuständigen Politiker, u.a. in Winsen an den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer. In dem Schreiben der Initiative "Land schafft Verbindung" fordern die Landwirte unter anderem wie Isermann, dass die Messstellen für das Nitrat im Grundwasser einheitlich überprüft werden, sodass eine repräsentative Abbildung der landwirtschaftlichen Einflüsse auf das Grundwasser stattfindet. Zudem solle es keine weiteren Verschärfungen in nicht belasteten Gebieten geben.
Zudem kritisierten sie die Bauernmilliarde scharf. Die Milliarde sei lediglich ein Trostpflaster. Man sei bisher nicht in der Lage gewesen, eine vernünftige Düngeverordnung auf den Weg zu bringen und das solle auf diese Weise vertuscht werden, so die Landwirte.

Bevor das Problem mit den Messstellen nicht gelöst ist, dürfe die neue Düngeverordnung nicht in Kraft treten, fordert Carmen Aldag vom Lütenshof in Wennerstorf (Landkreis Harburg), die sich an den Protesten beteiligte. Zudem ist sie gegen weitere Vorschriften: "Die Bürokratie darf sich nicht ausweiten."
Carmen Aldag plädiert auf der anderen Seite dafür, dass die Landwirte ihre Kommunikation gegenüber der Bevölkerung verbessern: "Die Bürger müssen mitgenommen werden, das wurde bei den letzten Generationen von Landwirten vernachlässigt." Die Landwirte müssten z.B. deutlich machen, warum sie auf den Einsatz großer Maschinen angewiesen sind.

Die EU hat im Übrigen die Möglichkeit, Strafzahlungen zu verhängen, sollte die Düngeverordnung nicht eingehalten werden. Für Deutschland beträgt diese Summe rund 850.000 Euro pro Tag. Würde die Bauernmilliarde für diese Zahlung verwendet werden, ergebe sich dadurch ein Zeitraum von rund drei Jahren, rechnet die Initiative "Land schafft Verbindung" vor. Diese Zeit solle genutzt werden, um EU-weit einheitliche und repräsentative Messverfahren zu etablieren und die Daten nach Brüssel zu schicken. Auf dieser Basis sollte dann ein "sauberes zielführendes Konzept, das auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert, erarbeitet" werden.

Redakteur:

Jaana Bollmann aus Stade

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