Forderungskatalog zur Kommunalwahl an die Politik
Warum findet die IHK Stade Bürgerforen schlecht?

Nichts für Lesefaule: Viele Seiten braucht die IHK Stade, um Forderungen an die Kommunalpolitik zu formulieren | Foto: tk
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Stade. Dass die IHK Stade ihre Positionen und politischen Forderungen im Vorfeld der Kommunalwahl gebündelt zusammenfasst und konkrete Fragen an die Politiker vor Ort stellt, ist keine Überraschung. Leitsatz des Papiers: "Neustart nach Corona beherzt angehen". Dass dieses optisch nett aufbereitete Dokument 56 Seiten braucht, um alles vorzutragen, ist schon erstaunlich. Da bedarf es wirklich guten Willens bei den Adressaten in den Räten (und natürlich auch bei den Mitgliedern der IHK Stade selbst), sich das Werk von vorne bis hinten durchzulesen. Kleiner Tipp für Lesemüde: Die Zusammenfassung auf Seite 57 enthält gebündelt wirklich alles, was vorher auf 56 Seiten ausgebreitet wurde.

Steuererhöhungen
sind nicht nett

Dass die IHK Stade von Steuererhöhungen, besonders natürlich bei der Gewerbesteuer, überhaupt nichts hält, ist logisch. Gleichzeitig sollen aber Schulden abgebaut und kräftig investiert werden. Besonders in die Infrastruktur und digitale Technik. Und von der Pandemie gebeutelte Branchen, etwa im Tourismus und der Gastronomie, sollen bitte weiter von den Kommunen unterstützt werden. Die Erfüllung all dieser Wünsche dürfte in der politischen Realität jenseits des IHK-Positionspapiers ein kleines bisschen schwierig werden. Weniger Steuereinnahmen durch die Pandemie plus Schuldenlast plus notwendige Investitionen - irgendwo muss das Geld herkommen. Wenn sich die Wirtschaft als solidarischer Teil des Ganzen versteht, eben auch von dort.

Bemerkenswert im "Neustart-Papier" ist übrigens eine fast schon rhythmische Wiederholung einer Forderung. Nämlich die nach mehr Tempo bei der Digitalisierung. Sowohl der Verwaltungen selbst als auch ganz allgemein. Will die IHK Stade damit die Bedeutung des Themas unterstreichen oder hält sie die Adressatinnen und Adressaten in der Kommunalpolitik für tendenziell vergesslich und setzt daher auf Wiederholung?

Bürger haben
andere Ziele?

Spannend ist übrigens noch ein anderes Thema: Es geht um Bürgerbeteiligung und wie mit kritischer Bürgermeinung umzugehen ist. Die IHK-Autoren thematisieren Probleme bei "der Vermittlung zwischen Unternehmen und Einwohnern". Bei Großprojekten komme es häufiger zu Bürgerbeteiligungen und Bürgerforen, stellen sie fest. Das ist natürlich blöd. Die Bürger würden mitunter andere Ziele als Unternehmen verfolgen. Das bremse schnelle wirtschaftliche Entscheidungen. Dann müsse "gute Wirtschaftsförderung Mittler zwischen diesen beiden divergierenden Interessen sein und zügig Lösungswege aufzeigen", so die Autoren. Wenige Seiten später wird darüber geklagt, dass Infrastrukturprojekte häufig an Akzeptanzproblemen vor Ort leiden. "In Politik und Gesellschaft fehlt es zunehmend an Verständnis für die Bedürfnisse der Unternehmen", so das Fazit. Das nenne ich "Beleidigte-Leberwurst-Haltung". Sich selbst - und die Unternehmen - will die IHK Stade aus kontroversen Debatten offensichtlich heraushalten. Wer, wenn nicht die, die für ein (Groß)Projekt stehen, soll Überzeugungsarbeit leisten? Bürgerforen als Bedrohung zu sehen, ist eine bemerkenswert rückständige Sicht auf Partizipation. Da dürfte es auch mit der Kommunalpolitik und Verwaltungen nicht immer Übereinstimmung geben. Denn dort hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Bürgerbeteiligung und kontroverse Debatten kein Übel, sondern notwendig sind.

Sollen nur
Politiker antworten?

Ganz richtig weist die IHK darauf hin, dass im Wettbewerb um Arbeitskräfte auch das Umfeld wichtig ist. Eine gute schulische Infrastruktur und eine gute Gesundheitsversorgung sei daher etwas, was die Kommunalpolitik im Blick behalten müsse. Was wiederum die Positions-Papier-Autoren bedenken sollten: Das ist nicht alles. Soziales und Kultur sind ebenso entscheidend für ein stimmiges Gesamtpaket. Diese freiwilligen Leistungen von Städten und Gemeinden tauchen im Forderungskatalog erst gar nicht auf. Vergessen oder Absicht? Das lässt erahnen, dass für die IHK Stade Freiwilliges eher zur Disposition stehen könnte. Motto: Lieber auf die Bibliothek verzichten als auf ein neues Gewerbegebiet - dabei ist beides wichtig.
"Unsere Fragen an die Kommunalpolitiker" steht am Ende eines jedes Kapitels. Kleine Abschlussfrage dazu, liebe IHK Stade: Sollen nur Männer antworten?
Tom Kreib

Redakteur:

Tom Kreib aus Buxtehude

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