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Landkreis Harburg
Ehemalige Laborbeagle sind jetzt hundetypisch fressfreudig

Die ehemaligen Laborbeagle mit ihren Halterinnen und Haltern beim Treffen im Landkreis Harburg | Foto: bim
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  • Die ehemaligen Laborbeagle mit ihren Halterinnen und Haltern beim Treffen im Landkreis Harburg
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Bilder von Hunden in Blutlachen oder auf zwei Pfoten am Gitter um freundliche Aufmerksamkeit bettelnd gingen vor fünf Jahren um die Welt und sorgten unter Tierfreunden für große Empörung. Die Zeugnisse dieser grauenhaften Tierquälerei hatte die Soko Tierschutz im Tierversuchslabor LPT (Laboratory of Pharmacology and Toxicology) in Neu Wulmstorf-Mienenbüttel aufgedeckt und öffentlich gemacht. Das spätere Schicksal der Beagle war weitgehend unbekannt. Jetzt trafen sich einige der neuen Halterinnen und Halter aus dem gesamten Bundesgebiet mit ihren ehemaligen Laborbeagles in Handeloh (Samtgemeinde Tostedt).

Offiziell dürfen die in die Vermittlung von Laborhunden eingebundenen Tierschutzorganisationen nicht preisgeben, aus welchen Instituten die Tiere stammen. Aufgrund der zeitlichen Nähe zwischen der Schließung des LPT und der Abgabe der Beagle sind sich die neuen Halter aber sicher, dass die Vierbeiner aus dem Labor in Mienenbüttel stammen.

Wenige Monate nach der Geburt
für Tierversuche eingesetzt

Die Hunde wurden bereits wenige Monate nach ihrer Geburt und ihrem "Lieferdatum" im Labor für Tierversuche eingesetzt. Verletzungen der Hunde und ihr Verhalten in den ersten Monaten nach der Vermittlung über Tierschutz- und Laborbeaglevereine lassen erahnen, welch schlimme Misshandlungen die sanften Vierbeiner im Labor erlitten haben und wie ihr Alltag als "Versuchsobjekt" aussah. Eines hatten alle gemeinsam: Sie waren extrem schreckhaft, verängstigt und stanken fürchterlich. Bis heute hätten die Hunde Momente, in denen sie ganz in sich gekehrt seien und "Löcher in die Luft" starrten. Manche würden bis heute mit offenen Augen schlafen aus Angst, dass man ihnen wieder etwas antut. Keiner der Hunde lege sich mehr ohne Decke auf Steine oder Fliesen.

Die Beagle würden wegen ihres friedfertigen Wesens für Tierversuche eingesetzt, erläutert Tamara Mecklenburg: "Beagle sind zu 90 Prozent einfach nur lieb und lassen sich alles gefallen. Deshalb nimmt man sie für Tierversuche." Dennoch haben die Hunde das Vertrauen in Menschen nie ganz verloren. Mit ihren neuen "Menschen" und vierbeinigen Gefährten können sie inzwischen weitgehend entspannen und unbefangen spielen. "Sie fangen irgendwann wieder an, 'normale' Hunde zu sein, mit den typischen Beagle-Eigenschaften", berichten Tamara und Torsten Mecklenburg.

"Du bekommst einen fünf- bis sechsjährigen Welpen, der nichts kann und kein Hundefutter kennt", sagt Tamara Mecklenburg aus Handeloh. Sie und ihr Mann Torsten haben "Amy" (geb. April 2015) adoptiert.

Woran die Hunde bis heute leiden

"Krümel" (geb. April 2015) von Familie Koch aus dem Kreis Stormarn ist mit 14 lange unbehandelten Knochenbrüchen immer noch in tierärztlicher Behandlung. Außerdem hat er wegen einer zerfetzten Iris Probleme mit den Augen.

Hündin "Angelina" (geb. Juni 2013) von Waltraud und Michael Neumeyer aus Nordhessen erschreckte sich, als ihre Nase zum ersten Mal Wasser berührte. Das Paar ist überzeugt: "Die Hunde bekamen im Labor Wasser über Nippelflaschen und wurden über ein künstliches Euter ernährt. Sie kannten keine feste Nahrung", berichten die beiden. "Sie hat immer noch fast jede Nacht Albträume. Nicht mit Laufen und Bellen, wie andere Hunde. Sie weint und schreit jämmerlich", berichtet Waltraud Neumeyer.
Die zweite von dem Paar aufgenommene Hündin "Lucylle" (geb. Juni 2013) habe runde Kerben in der Zunge, die wie gestanzt aussähen, und leide bis heute unter extremem Sodbrennen.

Bei "Henry" (geb. April 2015) von Jochen Gaschott und Martina Wagner-Gaschott aus Frankenthal (Pfalz) wurde 2021 beim Ultraschall eine vergrößerte Milz sowie ein Fleck auf der Milz entdeckt. Im Juni 2022 traten bei dem Rüden zusätzlich Schmerzattacken mit Lähmungserscheinungen auf. "Mit Medikamenten und Physio kann er derzeit gut damit leben. 'Henry' ist mittlerweile ein sehr selbstbewusster und frecher Beagle. Zuhause ist er definitiv der Rudelführer. Er liebt alles, was man fressen kann … Beagle-typisch", berichten die beiden.

"Alf" (geb. April 2015) von Regina und Volker Bartels aus Neu Wulmstorf wurde ab einem Alter von fünf Monaten als Versuchstier missbraucht. "In seinem Bauch wurde ein Gerät mit Kabeln und Batterien implantiert, welches zum Test von Herzrhythmusstörungen verwendet wird", berichten die Bartels.

Obwohl alle Halterinnen und Halter viel Geld in die Gesundheit der geschundenen Vierbeiner investieren müssen, sind alle froh, die Hunde "adoptiert" zu haben. Alle sind glücklich mit ihren vierbeinigen Mitbewohnern, die sie nie wieder hergeben möchten.

Die "Beagle-Eltern" sind sich einig, dass die Art von Tierversuchen, denen die Hunde ausgesetzt waren, überflüssig sind. Es würden immer wieder die gleichen Versuchsreihen durchgeführt und teilweise auch solche, deren Folgen, zum Beispiel beim Einsatz bestimmter Medikamente oder Chemikalien, längst erforscht seien. Außerdem: "Wenn es eine gute und sinnvolle Forschung wäre, würden die Labore Interessierte hinter die Kulissen schauen lassen. Diejenigen, die alternativ forschen, öffnen ihre Türen", sagt Torsten Mecklenburg.

Den Recherchen eines NDR-Berichts zufolge gibt es inzwischen Alternativen zu Tierversuchen, die zudem besser auf die menschliche Physiologie übertragbar sind, zum Beispiel in Form von Mini-Organmodellen, Multiorgan-Chips oder durch Künstliche Intelligenz.

Versuchstierstatistik

im Jahr 2022 wurden 1,73 Millionen Wirbeltiere und Kopffüßer in Tierversuchen eingesetzt (rund 134.000 Tiere weniger als im Jahr 2021). Das geht aus der Versuchstierstatistik hervor. Diese wird jährlich vom "Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren" veröffentlicht, das Teil des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist.
Im Jahr 2022 wurden demnach 538 Katzen in Tierversuchen eingesetzt (2021: 862 Tiere) und 2.873 Hunde (2021:  2.657 Tiere). Hunde und Katzen werden insbesondere zur Erforschung von Tierkrankheiten sowie für gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen von Tier- und Humanarzneimitteln benötigt.
Die komplette Statistik finden Sie hier

Rückblick:

Rund elf Jahre lang hatte die Neu Wulmstorfer Tierschützerin Sabine Brauer (†) um die Schließung des LPT gekämpft. Ein Problem: Obwohl die verzweifelt bellenden Hunde bereits auf das Leid der Tiere dort hinwiesen, blieben die Türen des Labors für Außenstehende - selbst für den damaligen Bürgermeister - verschlossen. 

Im Oktober 2019 kam Bewegung in die Sache, als die Tierschutzorganisationen "Soko Tierschutz" und "Cruelty Free International" die bei Undercover-Recherchen entstandenen, verstörenden Bilder und Videos von dem verachtenden Umgang mit den Tieren dort öffentlich machten. Daraufhin stellten das Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves), das Kreisveterinäramt des Landkreises Harburg, die Soko Tierschutz und der Tierschutzbund Strafanzeigen gegen das LPT wegen Verstoßes gegen den Tierschutz.

Zudem kam heraus, dass einer der Versuchsaffen durch einen anderen ausgetauscht wurde und die entsprechende Versuchsreihe nicht mehr aussagekräftig war. Die "Soko" hatte daher auch Anzeige wegen des Verdachts auf versuchten Betrug gestellt

Mitte Januar 2020 hatte der Landkreis Harburg dem LPT in Mienenbüttel wegen Tierschutzverstößen und fehlender Zuverlässigkeit des Betreibers die Erlaubnis zu Tierversuchen entzogen. Anfang Februar 2020 hatten die letzten 16 von 96 (noch im Labor lebenden) Hunden das Labor verlassen. Der Großteil der Tiere wurde an Tierschutzorganisationen übergeben.

Alle Texte zu "LPT“
Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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