Hauptschule Tostedt
Hier werden alle Kompetenzen gefördert
(bim). Wenn es nach dem Willen der meisten Eltern geht, besuchen ihre Kinder nach der Grundschule ein Gymnasium oder eine Integrierte Gesamtschule (IGS). Die einst von der schwarz-gelben Landesregierung forcierten Oberschulen werden jetzt indirekt "abgestraft". Die Schülerzahlen sinken. Auch die Schulform Hauptschule war im einst ausschließlich dreigliedrigen Schulsystem zumeist die letzte Wahl und mit Vorurteilen behaftet. Zu Unrecht, wissen Schulleiterin Anja Scheele und Konrektor Robert Krause von der Schule am Düvelshöpen in Tostedt, der letzten verbliebenen Hauptschule im Landkreis Harburg.
Die beiden leiten die Hauptschule seit Jahren gemeinsam mit Überzeugung und Engagement. Bei kurzzeitigem Personalmangel in der Küche übernehmen sie mittags auch schon mal selbst die Essensausgabe - zur großen Begeisterung der Schülerinnen und Schüler.
Dass auch der Landkreis für die Hauptschule eine Zukunft sieht, ist an den Investitionen der vergangenen Jahre erkennbar: Seit 2017 steckte der Kreis jeweils 40.000 Euro in die sukzessive Modernisierung der Klassenräume sowie zusätzlich im vergangenen Jahr 250.000 Euro in den Umbau und die Modernisierung des Verwaltungstraktes. "Wenn der Landkreis die Hauptschule hätte abwickeln wollen, hätte er nicht investiert", sagt Schulleiterin Anja Scheele.
Die Schülerzahlen an der Schule am Düvelshöpen sind seit Jahren konstant - mit jeweils rund 220 Kindern und Jugendlichen. Was wenig bekannt ist: Bis auf das Abitur sind alle Schulabschlüsse an der Hauptschule möglich. "Im Grunde sind wir eine Gesamtschule, das ist vielen Eltern nicht bekannt."
Auf die Schülerzahlen angesprochen, vergleicht Anja Scheele die Schule mit einer Gemüsezwiebel. Allerdings eher im umgekehrten Sinn: Denn statt Schalen abzuziehen - also Schüler abzugeben - werden es ab der siebten Klasse immer mehr. "Wir fangen jeweils mit zwei fünften Klassen an. Manchmal ist die Schulauswahl der Eltern nicht die beste. Deshalb bekommen wir ab der siebten Klasse weitere Schüler und sind dann dreizügig." Allein in diesem Schuljahr hat die Hauptschule elf Jugendliche anderer Schulformen aufgenommen.
Wenn Kinder eine nicht zu ihnen passende weiterführende Schule besuchen, seien sie überfordert und hätten nur gelernt: "Ich kann das nicht." "Bei uns werden sie aufgefangen und motiviert und erhalten eine Perspektive", so die Schulleiterin. Die Eltern würden zudem die kleinen Klassen von maximal 24 Schülern schätzen. Im kleineren Klassenverband könnten sich die Schüler besser konzentrieren. Auch könnten die Lehrkräfte und Sozialpädagogen besser und intensiver auf die Kinder und Jugendlichen eingehen - auf die lauten wie auf die stillen, die in großen Klassen buchstäblich "untergehen".
Auch Kinder mit besonderem Förderbedarf erhalten an der Hauptschule eine Chance. "Wir finden individuelle Wege für die Kinder", erläutern Anja Scheele und Robert Krause. So gibt es dort mit dem "geschützten Raum" ein eigenes Konzept, um sozial-emotional auffällige Kinder im System aufzufangen und sie nicht durch Suspendierung nach schlechtem Verhalten auszuschließen. Das Konzept ist niedersachsenweit einmalig
"Wir sind auch die erste Ganztangsschule der Samtgemeinde Tostedt. Was für andere weiterführenden Schulen neu ist, ist für uns seit Jahren Alltag", erläutert Anja Scheele. Zudem lebt die Schule am Düvelshöpen seit einigen Jahren das, was schon lange bekannt ist und aktuell von Entwicklungspsychologen der Universität Basel bestätigt wurde: Wenn die Schule morgens nur ein bisschen später beginnt, fühlen sich die Schülerinnen und Schüler ausgeschlafener und fitter. Deshalb beginnt der Unterricht an der Hauptschule "erst" um 8.30 statt um 8 Uhr.
Die Jugendlichen können in der Schule am Düvelshöpen den Haupt- und Förderschulabschluss machen, aber auch den Realschulabschluss und den erweiterten Realschulabschluss. Auch gibt es diverse Berufsorientierungsangebote. "Wir haben seit ca. fünf Jahren eine enge Kooperation mit den Berufsbildenden Schulen Buchholz", berichtet Robert Krause. Einmal pro Woche fahren die Schüler für einen Unterrichtstag in die Nordheidestadt. "Im ersten Halbjahr des neunten Jahrgangs machen wir jetzt den Versuch, dass jemand von der BBS zu uns kommt", so Krause.
Außerdem wird der Kontakt zu heimischen Handwerksbetrieben gepflegt - durch ein einwöchiges "Schnupperpraktikum" sowie zwei dreiwöchige Praktika in den achten und neunten Klassen. Hinzu kommen u.a. Tage fürs Bewerbungstraining oder für einen Berufsfachmarkt, bei dem in der Schule verschiedene Berufe vorgestellt werden.
"Wir sind stolz auf unsere Hauptschule und leben das Modell", erklären Anja Scheele und Robert Krause. Und von den Kompetenzen, die "ihre" Schule den Jugendlichen mit auf den Weg gibt, könnten auch die heimischen Betriebe proftieren.
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