Ungewöhnliches Ferienpraktikum
Junge "Kapitänin" auf hoher See
Welchen Beruf will ich nach der Schulzeit ergreifen und womöglich viele Jahre meines Lebens ausüben? Für viele junge Menschen lässt sich diese Frage nicht einfach beantworten, auch wenn sie im Rahmen von Schulpraktika die Möglichkeit haben, in Berufe "hineinzuschnuppern". Anni Kanzler (16), Gymnasiastin aus Tostedt, wurde auf das Ferienfahrerprogramm des Verbands Deutscher Reeder aufmerksam - und nahm in den Sommerferien erfolgreich daran teil.
Auf die Möglichkeit, ein Praktikum auf einem Schiff absolvieren zu können, war Annis Mutter Kathrin gestoßen. Die Familie ist häufig in Cuxhaven und hat eine Affinität zu allem Maritimen. Auch ist Anni an der Seefahrt und Technik interessiert.
"Die Schulen machen viel für die Berufsfindung, aber nicht über den Landkreis hinaus", meint Kathrin Kanzler. Um das außergewöhnliche Praktikum an Bord zu erleben, sagte die 16-Jährige sogar eine Ferienfreizeit in Italien ab. Bevor sie ihr Praktikum antreten konnte, musste sie einen Erste-Hilfe-Kursus absolvieren und sich von einem Arzt ihre Seetauglichkeit attestieren lassen.
Drei Wochen war sie an der Wesermündung auf der Nordsee im Lotsenversetzschiff, "dem Bahnhof für Lotsen", wie sie sagt. Dabei handelt es sich um ein speziell konstruiertes Boot, das Lotsen zu einem zu lotsenden Schiff bringt (versetzt) oder nach der Lotsung abholt. In dem 25 Mann starken Team war die 16-Jährige das einzig weibliche Crew-Mitglied an Bord - abgesehen von einer Maschinistin, die sie wegen des Schichtdienstes aber nur einmal traf.#%Und so liefen ihre Einsätze ab: Das kleine gelbe Pilotboot auf dem Stationsschiff wurde zu Wasser gelassen, um jeweils ein bis zwei Lotsen, die den Kapitänen Empfehlungen geben, von unterschiedlichen Schiffen bis zu drei Metern Höhe zu holen und zu befördern.
Mit dem nautischen Offizier auf der Brücke
"Ich war auch mit einem nautischen Offizier auf der Brücke, durfte selbst das Pilotboot steuern und in den Maschinenraum, um Öl zu wechseln", erzählt Anni Kanzler ganz begeistert. Ohnehin fielen auf dem Stationsschiff viele Instandhaltungsarbeiten an. "Das Bootfahren war das Aufregendste. Man muss einen bestimmten Winkel einhalten, um nicht an das Schiff zu krachen", sagt sie zu der Aufgabe. Ein zweiter Mann an Bord ist dafür zuständig, den Haken an den Kran fürs Boot zu befestigen und wieder zu lösen, sobald der Lotse über die Strickleiter umgestiegen ist.
Anni erfuhr sogar, wie es sich in einem Überlebensanzug als "Mann über Bord" anfühlt. "Man muss sich rückwärts von einer Unfallstelle wegbewegen", hat die Gymnasiastin gelernt. Dass sie dafür mit dem aufgeblasenen Anzug mitten in der Nordsee trieb, brachte die 16-Jährige nicht aus der Ruhe. "Alle haben gut auf mich aufgepasst", erklärt sie gelassen. Ein Bootsmann legte Wert darauf, dass sie das Tauespleißen von Hand erlernt.
Nur eines gefiel Anni nicht so besonders - das Essen. "Es gab sehr viel Fleisch", berichtet sie. Daher beschränkte sie sich häufig auf die Beilagen als Mahlzeit.
Auch für Annis Eltern war es aufregend, ihre Tochter drei Wochen allein auf das Schiff zu lassen, zumal Anni ihren 16. Geburtstag auf hoher See und eben nicht daheim verbrachte. Dank einer Starlink-Antenne sei der Smartphone-Empfang und somit die Kommunikation immer gewährleistet gewesen.
Berufswunsch ist die Unfallchirurgie
Kapitänin wird Anni Kanzler allerdings trotz aller Begeisterung nicht. Ihr absoluter Berufswunsch ist die Arbeit in der Unfallchirurgie. Und in einer solchen Abteilung in Hamburg wird sie auch ihr reguläres Schulpraktikum machen.
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