Naturschutzverbände
Kritik an Baumfällungen im Landkreis Harburg

Die Allee Thieshoper Jägerberg in Brackel: Rote Punkte bedeuten, dass diese Bäume gefällt werden sollen | Foto: Holger Mayer
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Aktuell werden in vielen Gemeinden Bäume gefällt, u.a. in Hanstedt und Seevetal. Die Verantwortlichen der Verwaltungen begründen das mit ihrer Verkehrssicherungspflicht und damit, dass die Bäume teilweise krank und womöglich nicht mehr standsicher sind. Dem widerspricht Holger Mayer, beratendes Mitglied für die Naturschutzverbände im Ausschuss für Agrar, Umwelt- und Klimaschutz des Landkreises Harburg.

"Wir sehen die Situation der Bäume im Landkreis Harburg mit großer Sorge. Insbesondere in diesem Jahr, aber auch schon in Vorjahren, ist ein deutliches Ansteigen der Fällraten im Bereich der Straßenbäume zu beobachten. Wir vermuten, dass dies insbesondere aufgrund der verschärften Regelungen durch den Niedersächsischen Weg (www.niedersachsen.de/niedersaechsischer-weg) erfolgt, da bei Straßenbäumen die Argumentation 'Verkehrssicherheit' Vorrang besitzt, während herkömmliche Herkunftsquellen für Brennholz aufgrund der Genehmigungspflicht schwieriger zu nutzen sind. Die extremen, verkehrsgefährdenden Krankheitsraten an Bäumen stellen wir aus verschiedenen Gründen in Abrede", sagt Holger Mayer.

Die angeführten Krankheitsmerkmale, obwohl diese im Winter einfach zu identifizieren seien, seien oft überhaupt nicht vorhanden. Die gleichzeitig durchgeführten Baumpflegemaßnahmen im Hinblick auf eine Krankheitsvermeidung seien "derart inkompetent ausgeführt, dass man entweder eine Infektion der Nachbarbäume anzweifeln oder aber von vorsätzlicher Verbreitung einer Erkrankung sprechen muss. Nicht nur, dass Äste horizontal geschnitten werden und so eine Pilzinfektion vorprogrammiert ist, Fungizide und Wundverschluss sind im Landkreis Harburg offensichtlich noch unbekannt", kritisiert Mayer.

Exemplarisches Beispiel sei der Thieshoper Jägerberg in der Samtgemeinde Hanstedt, wo gegenwärtig 14 von 75 Bäumen an einem Kilometer Straße in erster Alleereihe zur Fällung vorgesehen seien. Begründung: die Kastanienkrankheit. Ausgelöst vom Bakterium Pseudomonas syringae pv. Aesculi und der folgenden Sekundärinfektion durch Pilze sterben die Bäume bei dieser Krankheit ab. Schwarze Flecken auf der Rinde sind laut Mayer Anzeichen für die Krankheit.

Gegen diese Diagnose sprechen in Thieshope seiner Ansicht nach folgende Punkte:

  • Die Krankheitsanzeichen fehlen bei den zu fällenden Bäumen.
  • Etwa die Hälfte der zu fällenden Bäume sind Ahorn.
  • Anfang Februar durch die Gemeinde durchgeführte Baumpflegemaßnahmen haben keinerlei Schutz vor Bakterieninfektionen beinhaltet.
  • Ein Großteil der Kastanien sind offensichtlich nicht untersucht worden, da die den Stamm umhüllenden Efeuranken nicht entfernt wurden.

"Im Übrigen ist es grob fahrlässig, die gefällten Bäume, so sie infiziert sind, der Brennholzverwertung zuzuführen, muss das Holz doch über Jahre im Freien ablagern. So wird dann einer weiteren Verbreitung des Bakteriums Vorschub geleistet", sagt Mayer.

Er zweifelt auch die Verkehrsgefährdung an: "In 40 Jahren ist hier nicht ein Straßenbaum durch Sturm entwurzelt worden. Im gleichen Zeitraum sind auf Nachbargrundstücken dutzende Bäume durch Sturm umgestürzt oder in der Luft zerrissen, also in fünf Metern oder höher abgebrochen."

Andererseits würden sich Gemeinde, Samtgemeinde und Landkreis in keiner Weise um sonstige Verkehrsgefährdungen kümmern. "Ich habe mir 2021 den Arm aufgrund schlechten Wegezustandes (Pfützen aus Eis) gebrochen und diesen Februar bei einem Sturz über ein Schlagloch im Weg beide Hände und Knie aufgeschlagen. Obwohl der Thieshoper Jägerberg für Lkw gesperrt ist, fahren hier täglich ein Duzend Lkw. Maßnahmen seitens Gemeinde, Samtgemeinde und Landkreis - keine", berichtet Holger Mayer.

Die Ersatzanpflanzungen seien ein schlechter Witz, weil ausgewachsene Bäume durch einen fingerdicken Jungbaum ersetzt würden - und das in der Regel erst nach mehreren Beschwerden.

Mayers Fazit: "Wenn wir sehen, was da noch an Fällungen im Wald aufgrund des Windkraftausbaus auf uns zukommt, ist mir um unsere Bäume angst und bange. Man muss sich hier fragen, ob man den 'Niedersächsischen Weg' nicht im Bereich Bäume als gescheitert ansehen muss."

Die Allee Thieshoper Jägerberg in Brackel: Rote Punkte bedeuten, dass diese Bäume gefällt werden sollen | Foto: Holger Mayer
Foto: Holger Mayer
Holger Mayer hat diese Grafik auf Grundlage einer Google-Earth-Aufnahme von Juli 2023 angefertigt, um darzustellen, wie viele Bäume schon gefällt wurden und noch gefällt werden | Foto: Google Earth - 53°18'47.68N 10°04'32.37