Heidewasserförderung
Kreis verschenkt Wasser, fürs Trinkwasser müssen Kommunen sorgen
Die Stadt Kelkheim im Taunus hat in diesem Sommer den Trinkwassernotstand ausgerufen, Bürger durften ihre Pools nicht mehr befüllen, ihren Rasen nicht mehr sprengen. Droht das den Bewohnern des Landkreises Harburg demnächst auch? Die Auswirkungen des Klimawandels plus der extrem hohen Wasserentnahme vom Unternehmen Hamburg Wasser machen ein solches Szenario wahrscheinlich.
Hamburg Wasser rühmte sich kürzlich in einer Pressemitteilung damit, den Hamburgern reinstes, aus Grundwasser gefördertes Trinkwasser zu bieten. Unterschlagen wurde die Information, dass seit Jahrzehnten die Nordheide respektive der Landkreis Harburg dafür ihr wertvolles Wasser zur Verfügung stellt, mit dem Hamburg Wasser Millionenumsätze macht und von dem auch das Hamburger Stadtsäckl profitiert. Eine "Vergütung" erfolgt ausschließlich über den sogenannten Wassercent von 0,15 Cent pro Kubikmeter, der an das Land Niedersachsen gezahlt wird.
Für die Trinkwasserversorgung der Landkreisbürgerinnen und -bürger seien aber die Kommunen zuständig. Die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung sei eine gemeindliche Aufgabe, die in der Regel durch kommunale Wasserwerke oder beauftragte Wasserversorger wahrgenommen werde. "Dementsprechend entscheiden die Städte und Gemeinden in Abstimmung mit ihren Wasserversorgern über eventuelle Nutzungseinschränkungen", so Rempe.
Der größte Wasserförderer von insgesamt 15 Wasserversorgern im Landkreis ist jedoch Hamburg Wasser. Das Hamburger Unternehmen fördert mit 16,1 Millionen Kubikmetern mehr als alle anderen Versorger zusammen. Der Landkreis hat es in der Hand, die Fördermenge zu begrenzen. Mehrere Bäche sind bereits trockengefallen oder weisen niedrigere Wasserstände auf - auch als Folge der langen, trockenen Sommer. Gewässerschützer schlagen Alarm. Das WOCHENBLATT wollte vom Landrat wissen, ob es - auch im Sinne der Daseinsvorsorge der eigenen Bevölkerung sowie der Land- und Forstwirtschaft - nicht angebracht ist, die Fördermenge von Hamburg Wasser zu reduzieren. Rainer Rempe verwies hier auf das laufende Gerichtsverfahren am Oberverwaltungsgericht (OVG Lüneburg).
Der Kampf um das Heidewasser hat eine lange Geschichte. Nach Auslaufen der Förderbewilligung erteilte die damalige Bezirksregierung den Hamburger Wasserwerken (HWW) 2004 eine temporäre Erlaubnis für die Förderung von 15,7 Millionen Kubikmetern Wasser jährlich. 2009 stellte Hamburg Wasser einen Antrag auf eine neue Fördergenehmigung. Darüber wurde zehn Jahre lang diskutiert, bis der Landkreis im April 2019 eine "gehobene Erlaubnis" für 30 Jahre und eine jährliche Förderung von 16,1 Millionen Kubikmetern aussprach - bedeutet: Wenn die Bedingungen es erfordern, kann der Landkreis die Fördermenge reduzieren oder die Erlaubnis widerrufen. Bei den derzeitigen Dürreperioden wäre das eigentlich angebracht.
Landrat Rainer Rempe dazu: "Die gehobene Erlaubnis und die Regelungen des Wasserrechts geben dem Landkreis zwar grundsätzlich die Möglichkeit, unter den im Gesetz genannten Bedingungen einzugreifen. Die in der gehobenen Erlaubnis zugelassene Höhe der Fördermenge ist Gegenstand der aktuellen gerichtlichen Verfahren vor dem OVG Lüneburg. HWW beansprucht noch höhere Mengen, andere Kläger empfinden die zugelassene Menge als zu hoch. Bis zur Rechtskraft der Entscheidungen über diese Klagen wird noch etwas Zeit vergehen. Bis dahin wird voraussichtlich keine Veranlassung zur Reduzierung der zugelassenen Mengen entstehen."
In den laufenden Klagen seien neben den zugelassenen Mengen auch die Prognosen zu den Auswirkungen der Klimakrise auf das Wasserdargebot in den Fassungen von HWW umstritten. Insoweit gelte es, zuerst die Entscheidungen der Gerichte abzuwarten. "Unabhängig davon ist zwischen den Auswirkungen der Trinkwasserentnahmen aus tiefliegenden Grundwasserleitern und den schneller spürbaren Auswirkungen aktueller Trockenheit zu unterscheiden", meint Rempe.
Allerdings sieht die Interessengemeinschaft Grundwasserschutz Nordheide (IGN), die seit über 40 Jahren gegen die hohen Wasserentnahmen durch Hamburg Wasser kämpft, sehr wohl Zusammenhänge. Laut Vorsitzendem Gerhard Schierhorn komme immer weniger Niederschlag im Grundwasser an. "Höhere Temperaturen steigern die Verdunstung, Starkregen führt den Niederschlag beschleunigt über die Bäche wieder ab und die Verlängerung der Vegetationsperiode sorgt dafür, dass nur noch in den Wintermonaten November bis Januar überhaupt Grundwasserneubildung in nennenswertem Umfang stattfindet", erläutert er. Und: "Der Klimawandel in Verbindung mit hohen Grundwasserentnahmen wirkt sich aktuell katastrophal auf die Bäche aus."
Einige der Schäden
an Gewässern
Gerhard Schierhorn zählt einige der Schäden auf:
- Der Büsenbach ist trocken,
- der Oberlauf der Este seit Förderbeginn trocken und trotz Reduzierung der Fördermenge in den Brunnen dauerhaft geschädigt,
- keine Bachzuflüsse mehr in die Hansteder Badeanstalt (Faßenbeek) und den Köhlerhüttenteich (Langenbach),
- Ahlerbeek in Hanstedt (An der Rodelbahn) ist trocken,
- der Nordbach in Nindorf (In´n Deep Moor) ist trocken,
- der Orthbach in Ollsen (Reitanlage Waldhof, Am Bruchfelde) ist trocken,
- der Weseler Moorbach südlich Wehlen ist trocken,
- die Toppenstedter Aue bei Garlstorf ist trocken.
"Das ist mittlerweile eine flächendeckende Problematik. Die einzige Reaktion des Landkreises ist bisher das Verbot der Entnahme von Wasser aus den Oberflächengewässern", sagt Schierhorn. "Das ist viel zu wenig. Es gibt kaum Entnahmen von Wasser aus den Oberflächengewässern, daher bringt das nichts."Landrat Rainer Rempe, Kreisrat Josef Nießen und der Vorstand der IGN trafen sich jüngst, um sich ein Bild vom Zustand der Seeve auf Höhe der Holmer Mühle zu machen. Auch dort sind die Folgen des Klimawandels und der langen Trockenperiode deutlich sichtbar.
Pläne, für eine Trinkwasserversorgung Brauchwasser aufzubereiten und ins Wassernetz einzuspeisen bzw. öffentliche Gebäude dahingehend umzurüsten, gebe es nicht. "Da an Trinkwasser sehr hohe Qualitätsanforderungen gestellt werden, steht die Einspeisung von Brauchwasser in Trinkwassernetze derzeit nicht zur Diskussion. Die Wiederverwendung von Brauchwasser in Gebäuden setzt die in der Regel baulich sehr aufwändige Erstellung von getrennten Trink- und Brauchwassernetzen voraus. Derartige Maßnahmen sind bei bestehenden Gebäuden des Landkreises Harburg bisher nicht geplant", erläutert Landrat Rempe.
Der Landkreis Harburg arbeite derzeit an einem Wasserversorgungskonzept, um auch zukünftigen Entwicklungen und denkbaren kritischen Situationen in Bezug auf die Wasserversorgung insbesondere auch vor dem Hintergrund des Klimawandels begegnen zu können. "In diesem Rahmen wird auch geprüft, inwieweit sich Regenwasser, Flusswasser oder Wasser aus Kläranlagen z.B. zur Feldbewässerung oder zur Anreicherung des Grundwassers nutzen bzw. in Zukunft auch zu Trinkwasser aufbereiten ließe."
Das sind die Wasserfördermengen
Im Landkreis Harburg gibt es 94 Brunnen für die öffentliche Trinkwasserversorgung, aus denen 15 Versorger Trinkwasser fördern. Um folgende Förderer mit der jeweils zulässigen Gesamtentnahmemenge pro Jahr gibt es:
- Stadtwerke Buchholz in der Nordheide GmbH: zulässige Gesamtentnahmemenge pro Jahr 1.250.000 m³
- Wasserleitungsgenossenschaft Brackel e.G.: 130.000 m³
- Samtgemeinde Salzhausen: 530.000 m³
- Wasserleitungsgenossenschaft Garlstorf e.G.: 80.000 m³
- Wasserversorgungsgenossenschaft Hanstedt e.G.: 250.000 m³
- Wasserleitungsgenossenschaft Hoopte eG: 68.200 m³
- Luhmühlener Kreis e.V.: 11.000 m³
- Wasserinteressengemeinschaft Nindorf: 35.000 m³
- Hamburger Wasserwerke GmbH: im Mittel 16.100.000 m³ (maximal 18.400.000 m³)
- Wasserleitungsgenossenschaft Ollsen eG: 25.000 m³
- Wasserleitungsgenossenschaft Quarrendorf: 40.000 m³
- Wasserleitungsgenossenschaft Tangendorf: 80.000 m³
- Wasserbeschaffungsverband Harburg: 10.340.000 m3
- Stadtwerke Winsen (Luhe) GmbH: 1.700.000 m³
- Wasserwerk Stelle e.G.: 550.000 m³.
Schwerpunkte der Gewässerschützer
• Beweissicherung für die Fischteiche in Wörme: Die IGN wünscht sich eine Wiederinbetriebnahme der alten Messpegel, um die Auswirkungen von Klima und Wasserentnahme auf die Teichanlagen besser beurteilen zu können.
• Bekanntgabe und Diskussion der Monitoringberichte zur Grundwasserförderung der Hamburger Wasserwerke: In der gehobenen Erlaubnis für Hamburg Wasser werden jährliche Monitoringberichte ab 2019 gefordert. Ein erster Monitoring-Bericht liegt nun vor, ist aber wohl noch in der Prüfung der niedersächsischen Fachbehörden Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) und Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). "Wir haben deutlich gemacht, dass diese Monitoringberichte zeitnah veröffentlicht und diskutiert werden müssen", sagt Gerhard Schierhorn.
• Situation der Bäche und Flüsse und der Grundwasserstände: "Wir haben auf die Vielzahl an trockengefallenen Bächen und die sinkenden Grundwasserstände hingewiesen und den Landkreis gebeten, sich aktiver bei der Stabilisierung der Grund- und Oberflächengewässer zu engagieren. Ein Verbot der Entnahme aus Oberflächengewässern allein reicht in diesen besonderen klimatischen Umfeldbedingungen nicht aus", Wir haben darum gebeten, die Entwicklung der Grundwasserstände und der Oberflächengewässer intensiver mit IGN und Umweltverbänden zu diskutierenerklärt Gerhard Schierhorn.
Stadtwerke Buchholz zur Trinkwasserversorgung
Zur Trinkwasserversorgung sagt Dr. Christian Kuhse, Geschäftsführer der Stadtwerke Buchholz:
"Ausreichend vorhandenes Trinkwasser ist die Grundlage für das reibungslose Funktionieren eines jeden Gesellschafts- und Wirtschaftssystems.
Wasser dient nicht nur als wichtigstes Lebensmittel für Mensch und Tier, sondern ist sowohl Produktionsmittel für die Nahrungsmittelindustrie als auch ein wichtiger Bestandteil zur Erhaltung der Hygiene. Benötigt wird also ausreichend Wasser in einer entsprechend hohen Qualität.
Das Wasserwerk am Dibberser Mühlenweg fördert aus fünf Brunnen das in Buchholz benötigte Wasser und versorgt den Stadtkern und weitere angrenzende Bereiche mit Trinkwasser. Die Qualität entspricht allerhöchsten Anforderungen. Der Trinkwasserverbrauch betrug im Jahr 2019 im gesamten Liefergebiet 1.417.432 Kubikmeter. Der tägliche Verbrauch in Niedersachsen pro Tag und Bürger liegt bei rund 127 Litern (Stand: 2016, Umweltbundesamt). Die Bereiche außerhalb des Versorgungsnetzes der Stadtwerke Buchholz, wie z.B. die Ortschaften, werden durch den Wasserbeschaffungsverband Harburg (WBV) mit Trinkwasser versorgt.
Daher ist der Schutz der Kritischen Infrastruktur 'Wasserversorgung' und insbesondere die Gewährleistung der Trinkwassersicherheit eine äußerst wichtige Aufgabe. Das Wasserwerk der Stadtwerke Buchholz verfügt über eine unabhängige Notstromversorgung und kann somit auch bei einem Netzausfall weiter Wasser liefern. Neben den Brunnen am Dibberser Mühlenweg existieren Notbrunnen und eine Schnittstelle zum WBV. Die Trinkwasserversorgung der Buchholzer Bürgerinnen und Bürger ist daher sichergestellt."
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