Bürgermeister zu Besuch in Berlin
Über Anfeindungen und kommunale Probleme

Bürgermeisterin Nadja Weippert war zu Gast bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier | Foto: Weippert
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Maschens Bürgermeisterin Angelika Tumuschat-Bruhn (SPD) und Tostedts Bürgermeisterin Nadja Weippert (Grüne) waren jüngst zwei von 80 ehrenamtlichen Ortsbürgermeistern und Ortsbürgermeisterinnen, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) ins Schloss Bellevue nach Berlin eingeladen hat.

Anlass für diese besondere Veranstaltung unter dem Titel "Demokratie beginnt vor Ort", die in diesem Rahmen zum ersten Mal stattfand, waren die Würdigung der Ehrenamtlichen an der Spitze von Kommunalverwaltungen, der Erfahrungsaustausch über aktuelle Herausforderungen vor Ort sowie das 75. Jubiläum des deutschen Grundgesetzes.

Die Gästeliste reichte von Ehrenamtlichen mit der Verantwortung für Orte mit 500 bis 600 Einwohnern bis hin zu Thomas Kufen (CDU), hauptamtlicher Oberbürgermeister von Essen, mit knapp 600.000 Einwohnern.

Stärkung der Demokratie

Angelika Tumuschat-Bruhn, amtsälteste Ortsbürgermeisterin Seevetals, befindet sich in ihrem 13. Jahr, somit in der dritten Amtsperiode, als ehrenamtliches Oberhaupt von Maschen. "Die Einladung des Bundespräsidenten ist unmissverständlich, eine Untermauerung des demokratischen Grundgedankens", - sagte Tumuschat-Bruhn. Maschens Bürgermeisterin resümierte begeistert: "Es war eine tolle Veranstaltung. Es passte einfach sehr gut zusammen: die Einladung zu dem Austausch, die Kampagne und der 75. Jahrestag des Grundgesetzes. Wir alle müssen uns dafür einsetzen, dass die Demokratie nicht von rechten Kräften abgeschafft wird", so die Maschenerin sinngemäß. Sehr beeindruckt war die Seevetaler Ratsvorsitzende von dem Bundespräsidenten und seiner Gemahlin, der "First Lady" Elke Büdenbender: "Über dreieinhalb Stunden nahmen sich beide Zeit für uns. Das ist schon eine große Geste."

Büdenbender engagiert sich gemeinsam mit der "First Lady" Österreichs, Doris Schmidauer, für Frauen in kommunalen Führungspositionen und hielt dies betreffend eine Rede vor den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern.

"Der Rahmen war so elegant und wertschätzend gewählt. Wir wurden rundum gut betreut. Das war ein einmaliges Erlebnis, das lange nachklingen wird. Es gibt viel Motivation, auch die schwierigen Situationen durchzustehen", sagte Tumuschat-Bruhn abschließend im Gespräch mit dem WOCHENBLATT.

Ähnliche Widerstände - Gebiets unabhängig

Nadja Weippert benannte die Herausforderungen, mit denen die vielfältig aufgestellten Kommunen zu kämpfen haben. "Bei dem Gespräch in Berlin ist sehr deutlich geworden, dass es letztlich überall die gleichen Probleme gibt. Insbesondere der Unmut über die prekären Haushaltslagen und der damit einhergehende eingeschränkte Handlungsspielraum sowie das Auferlegen von weiteren Pflichtaufgaben durch die Bundesebene sind zu nennen. Aber auch mangelnder Respekt bis hin zu Anfeindungen, Bedrohungen und tätlichen Angriffen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellen nicht nur ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister vor große Herausforderungen", erklärte sie.

Auch die Lösung des Nachwuchsproblems im politischen Ehrenamt sei neben einer wünschenswerten Erhöhung des Frauenanteils in verantwortungsvollen Positionen wie dem Amt der Bürgermeisterin, das nur in knapp neun Prozent der Fälle von einer Frau ausgeübt werde, eine Aufgabe, die schnellstmöglich angepackt werden müsse, um die demokratischen Strukturen vor Ort zu stärken und zu schützen. "Denn Demokratie beginnt vor Ort, wo die Menschen leben und Entscheidungen am transparentesten und spürbarsten für alle sind", so Weippert.

Die Ergebnisse der Umfrage der Körber-Stiftung

Mehr als 6.000 ehrenamtliche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister übernehmen in Deutschland unter hohem persönlichen Einsatz Verantwortung in ihren Gemeinden und leisten einen zentralen Beitrag für das Funktionieren der Demokratie. Dabei sind 50 Prozent mit den Rahmenbedingungen für die Ausführung des Amtes unzufrieden. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage, die im Februar 2024 im Auftrag der Körber-Stiftung durchgeführt wurde.

Fehlende Haushaltsmittel als große Herausforderung
Eine Mehrheit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister beurteilt vor allem die Unterstützung durch die Landes- und Bundespolitik (88 Prozent) sowie die derzeitige finanzielle Situation ihrer Gemeinde (63 Prozent) als weniger gut bis schlecht. Für die Zukunft sehen sogar 86 Prozent fehlende Haushaltsmittel als große Herausforderung für ihre Gemeinde. Außerdem befürchten 71 Prozent, dass sich zukünftig in ihrer Gemeinde nicht genügend geeignete Nachfolgerinnen und Nachfolger für das Amt finden werden. 

„Die Kommunen sind die Herzkammern der Demokratie, das kommunalpolitische Ehrenamt ist eine ihrer tragenden Säulen. Die Menschen wollen sich hier engagieren und fordern verständlicherweise bessere Bedingungen ein. Hier sind alle Verantwortlichen gefordert“, so Sven Tetzlaff, Leiter des Bereichs Demokratie und Zusammenhalt der Körber-Stiftung, zu den Umfrageergebnissen.

Spagat zwischen Ehrenamt, Familie und Beruf
Zwei Drittel aller Befragten (65 Prozent) sind neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Bürgermeisterin bzw. Bürgermeister erwerbstätig – dies überwiegend in Vollzeit (46 Prozent). Dabei ist der zeitliche Aufwand für das Ehrenamt enorm hoch: 51 Prozent wenden mehr als 20 Stunden die Woche dafür auf, 26 Prozent sogar mehr als 30 Stunden. Dementsprechend bewerten 62 Prozent die Vereinbarkeit des Amtes mit Familie, Privatleben und Hauptberuf als weniger gut oder als schlecht.

Anfeindungen im Ehrenamt und Unmut in der Bevölkerung
Besorgniserregend ist, dass 40 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister angeben, dass sie oder Personen aus ihrem Umfeld schon einmal wegen ihrer Tätigkeit beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen wurden. Aufgrund dieser Erfahrung hat jede und jeder vierte Betroffene (28 Prozent) schon einmal darüber nachgedacht, sich aus der Politik zurückzuziehen - aus Sorge um die eigene Sicherheit. Zudem berichten fast zwei Drittel der Befragten (61 Prozent), dass sich in ihrer Gemeinde zunehmend Unmut und Unzufriedenheit unter den Bürgerinnen und Bürgern breit macht. 35 Prozent sehen im Rechtsextremismus in den kommenden Jahren eine große Herausforderung für die eigene Gemeinde. Knapp jede und jeder Fünfte (17 Prozent) berichtet von vermehrt demokratiefeindlichen Tendenzen. In Ostdeutschland stimmt sogar jede und jeder Vierte (24 Prozent) dieser Aussage zu.

Alle Ergebnisse, Grafiken sowie weitere Informationen können auf der Homepage der Körber-Stiftung gefunden werden.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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