Polizei gibt Verhaltenstipps
"Stalking ist kein Kavaliersdelikt"
(thl). Vera H. (Name geändert) weiß nicht mehr, was sie machen soll. Seit sie sich von ihrem Ex-Freund Alexander getrennt hat, stellt er ihr nach. Egal, wo die 31-Jährige hingeht, der 36-Jährige verfolgt sie. Hinzu kommen immer wieder anonyme Drohnachrichten und nächtliche Anrufe. Die Folge: Vera H. fühlt sich in ihrer Sicherheit bedroht und in der Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt.
Vera H. ist ein Stalking-Opfer. Eines von rund 18.960, die im Jahr 2018 in Deutschland polizeilich erfasst wurden. Dabei ist die Dunkelziffer weitaus höher einzuschätzen.
Auch im Landkreis Harburg kommt es immer wieder zu solchen Taten - Tendenz steigend. Wurden 2017 noch 40 Fälle registriert, fanden sich ein Jahr später bereits 45 Fälle in der Statistik. Bei der Opferschutz-Organisation Weißer Ring wurden sogar 85 Fälle im vergangenen Jahr aktenkundig, denn nicht jedes Stalking wird von den Opfern zur Anzeige gebracht.
Studien besagen, dass zwölf Prozent der deutschen Bevölkerung einmal in ihrem Leben von Stalking betroffen sind. Es trifft statistisch also jeden achten Bürger. Doch es gibt Hilfe für Betroffene. "Stalking ist kein Kavaliersdelikt. Bereits 2007 wurde der spezielle Tatbestand 'Nachstellung' unter § 238 ins Strafgesetzbuch eingefügt und in den § 112a Strafprozessordnung aufgenommen, wo unter bestimmten Voraussetzungen und Gefährdungen ein Haftgrund zur Anordnung der Untersuchungshaft, man spricht auch von Deeskalationshaft, vorliegen kann", erklärt Walter Johanßon, Präventionsbeauftragter der Polizeiinspektion Harburg.
In der Regel handelt es sich bei Stalking nicht um eine klar abzugrenzende Einzeltat. Es setzt sich vielmehr aus einer Reihe von Tathandlungen über einen längeren Zeitraum zusammen, die aus strafbaren Handlungen wie übler Nachrede, Verleumdung, Sachbeschädigung, Nötigung, Körperverletzung sowie Nachstellung bestehen können. Die von der stalkenden Person den Betroffenen entgegengebrachten "Gefühle" können "positiv" (Bewunderung, Zuneigung, Liebe) oder "negativ" (Rachegefühle, Hass) sein. Die größte Gruppe der Stalker bilden ehemalige Beziehungspartner, aber auch Freunde, Arbeitskollegen, Familienmitglieder oder flüchtige Bekannte können zur Täterin bzw. zum Täter werden. Nur selten ist die stalkende Person dem Opfer völlig unbekannt.
Johanßon: "Betroffene von Stalking sollten bei akuter Bedrohung unbedingt die Polizei unter 110 rufen und Anzeige erstatten. Erfahrungsgemäß zeigt schnelles und konsequentes Einschreiten der Beamten gegen Stalkende Wirkung und die Belästigungen nach einer Anzeige hören häufig auf." Zudem sollten Betroffene keine Angst haben, ihrer Familie, ihren Freunden, Kollegen oder Nachbarn die Situation zu schildern. Diese werden dann besonders aufmerksam sein und können warnen. "Denn Öffentlichkeit kann auch schützen", betont der erfahrene Beamte.
• Weitere Tipps und Informationen gibt es u.a. im Faltblatt "Stalking", das auf jeder Polizeidienststelle ausliegt.
• Der Weiße Ring hat eine Stalking-App entwickelt, über die Opfer mittels ihres Smartphones Fotos, Videos und Sprachaufnahmen von den Stalking-Vorfällen erstellen können. Dadurch wird eine authentische Beweissammlung ermöglicht. Die "No Stalk"-App gibt es kostenlos im Playstore.
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