Landkreis Harburg
Kreistagssitzung in voller Stärke? Mehrheit der Fraktionen ist dagegen!
(os). Die Bundesregierung hat die Bürger darauf eingeschworen, dass das Weihnachtsfest in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie nur in kleinem Rahmen gefeiert werden kann und soll. Familienfeste und Kontakte sollen auf das absolute Minimum reduziert werden. Ist es da angezeigt, dass sich der Kreistag des Landkreises Harburg in voller Mannstärke (63 Mitglieder inklusive Landrat Rainer Rempe) plus Zuschauer plus Verwaltungsangestellte auf engem Raum zu einer Sitzung trifft? Darüber ist eine Diskussion entbrannt, es herrscht Uneinigkeit zwischen den im Kreistag vertretenen Parteien.
In der vergangenen Woche traf sich der Ältestenrat des Landkreises, zu dem Kreistagsvorsitzender Rudolf Meyer, Landrat Rainer Rempe (beide CDU) sowie alle Fraktionsvorsitzenden gehören, um über die am Donnerstag, 17. Dezember, in der Burg Seevetal geplante Sitzung zu beraten. Dabei stand auch ein sogenanntes Pairing-System im Raum, bei dem die Parteien je nach den Mehrheitsverhältnissen nur einen Teil ihrer Abgeordneten in die Sitzung entsenden. Für diese Lösung gab es aber nicht das einstimmige Votum, das für eine Umsetzung notwendig gewesen wäre, sodass der Kreistag als Präsenzveranstaltung in der Sportanlage WinArena (Bürgerweide 7a) in Winsen stattfinden soll.
Vor allem die Grünen plädieren für eine Sitzung mit allen Mitgliedern. Natürlich sei ein Präsenzkreistag in der jetzigen Pandemiesituation schwierig, betont Fraktionsvorsitzende Ruth Alpers, aber: "Eine Reduzierung der anwesenden Kreistagsmitglieder auf die minimale Beschlussfähigkeit (32+1) nimmt 32 gewählten Mitgliedern ihre Rechte und auch ihre Pflichten." Die Mitglieder der Grünen-Fraktion wollten sich, nachdem zuletzt viele Fachausschuss-Sitzungen abgesagt wurden, wieder einmischen und mitbestimmen. "Ich habe volles Verständnis dafür", sagt Ruth Alpers.
Unterstützung erhält sie von den Freien Wählern. "Es ist wichtig, dass alle Mitglieder bei der Diskussion dabei sind, sonst fehlen womöglich einige Argumente", erklärt Fraktionsvorsitzender Willy Klingenberg. Bei großen Fraktionen sei es womöglich einfacher, einzelne Abgeordnete für die Kreistagssitzung zu benennen. Bei kleinen Fraktionen sei das schwieriger. Im Übrigen halte er die Gefahr einer Infektion nicht für erhöht. "Wie viele Menschen gehen täglich in den Supermarkt? Und dann soll eine Kreistagssitzung besonders gefährlich sein?", fragt Klingenberg. Man brauche allerdings einen Modus vivendi, wie in Zukunft bei einer ähnlichen Gefahrenlage mit politischen Sitzungen verfahren werden soll.
"Ich wäre für ein Pairing-System gewesen, weil es denjenigen, die wegen der Corona-Pandemie nicht an der Sitzung teilnehmen wollten, genau diese Möglichkeit eröffnet. Jetzt wird unnötig Druck für eine Präsenzveranstaltung aufgebaut, um die Mehrheitsverhältnisse sicherzustellen", erklärt dagegen Kay Wichmann, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft. Trotz dieser Maßnahme werde man wohl die Zahl der interessierten Bürger, die an der Sitzung teilnehmen möchten, beschränken müssen, erklärt Kay Wichmann. "Ich finde das unglücklich."
Auch die CDU, die mit der WG im Kreistag eine Gruppe bildet, hätte eine Pairing-Lösung mitgetragen, betont Fraktionsvorsitzender Dr. Hans-Heinrich Aldag. Das auch vor dem Hintergrund, dass politische Sitzungen wichtig seien und es in den Corona-Gesetzen und Verordnungen formal bewusst Ausnahmen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung politischer Mandate gebe. Im Ergebnis werde es am 17. Dezember eine Mischung aus kurzer Präsenzsitzung mit wenigen, besonders wichtigen Tagesordnungspunkten - z. B. über das Projekt Natura 2000 - sowie schriftlichen Umlaufverfahren geben. "Im Nachgang wird man aus unserer Sicht schauen müssen, inwieweit sich dieses Vorgehen wirklich bewährt hat und was das für die nachfolgenden Fachausschüsse bedeutet", sagt Aldag.
Auch die SPD-Fraktion ist mit der Präsenzveranstaltung nicht glücklich. "Es wäre verantwortungsbewusst und der besonderen Lage angemessen gewesen, wenn die Fraktionen mit entsprechend reduzierter Fraktionsstärke die Sitzung durchgeführt hätten", betont Fraktionsvorsitzender Tobias Handtke. Da notwendige und strittige Abstimmungen auf der Tagesordnung stehen, würden auch Mitglieder, die in der Corona-Pandemie zur Risikogruppe gehören, zur Teilnahme gedrängt. "Es wäre gerade in der Zeit, in der Kontakte reduziert werden sollen, ein gutes Vorbild, dass sich Politik hier auch zurücknimmt, sich nicht so wichtig nimmt, ohne wichtige Entscheidungen zu verhindern", erklärt Handtke.
Arno Reglitzky, Fraktionsvorsitzender der FDP, kritisiert, dass alternative Konzepte für die Durchführung einer Kreistagssitzung nicht schon lange entwickelt wurden. "Dass jetzt erst Videokonferenz-Techniken als Alternative getestet werden sollen, ist schwach", ärgert sich Reglitzky. So sei eine eigentlich machbare Hybrid-Lösung mit Präsenz- und Videoteilnahme von Kreistagsmitgliedern unmöglich.
• Was denken Sie, liebe Leserinnen und Leser? Sollte der Kreistag in voller Stärke zusammenkommen oder plädieren Sie für eine reduzierte Teilnehmerzahl nach dem Pairing-System? Schreiben Sie uns eine E-Mail mit dem Stichwort "Kreistag" an oliver.sander@kreiszeitung.net.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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