Kritik an der Schulleitung: Zu autoritär?
Mehr als ein "Pyjama-Streit" an der Halepaghenschule
tk. Buxtehude. Bademäntel und Schlafanzüge brachten das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen: Damit waren Schülerinnen und Schüler des Abijahrgangs der Halepaghenschule (HPS) in Buxtehude während ihrer Mottowoche am vergangenen Montag in die Schule gekommen - und mussten wieder gehen. Umziehen oder dem Unterricht fernbleiben, war nach Aussagen von Schülern die Direktive der Schulleitung. Was sich eigentlich nach einer Lappalie anhört, scheint an der HPS allerdings mehr zu sein: nämlich ein schon länger schwelender Konflikt. Eltern wie Schüler werfen der HPS-Schulleiterin Bettina Fees-McCue autoritäres Gebaren vor. Und: Sie fürchten negative Konsequenzen, wenn sie aufmucken. Erstaunlich für das Gymnasium, das den Leitsatz "Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage" führt.
Bettina Fees-McCue weist die Vorwürfe zurück: "Wir sind immer ansprechbar und den Schülerinnen und Schülern zugewandt", erklärt sie. Wenn Mottotage an einem bestimmten Datum stattfinden sollen, müsse sie sich auf diese Absprachen verlassen können. Es habe immer eine ausführliche Kommunikation gegeben. (Mehr dazu im Kasten "Das sagt die Schulleitung.)
Sorge vor den
Folgen von Kritik
Das WOCHENBLATT hat mit Eltern und mit Schülerinnen und Schülern über die Pyjamaparty und deren Vorgeschichte gesprochen. Auffällig: Jeder bittet darum, namentlich nicht genannt zu werden - zu groß sei die Sorge davor, zumindest verbal von der Schulleiterin heruntergeputzt zu werden. Das soll übrigens auch nach dem Pyjama-Auftritt geschehen sein, so ein Schüler zum WOCHENBLATT. "Geschrien und zur Sau gemacht", nennt er das, was ihm berichtet worden sei. Eine andere Schülerin sagt, dass es bei Kritik an der Schulleitung einen Termin im Büro gebe und dann werde "haltlos zusammengeschissen". Der Ton von Bettina Fees-McCue könne bei diesen "Gesprächen" durchaus als "drohend" bezeichnet werden. Andere Schüler sagen, dass es im Büro der Schulleitung weniger um konstruktive Dialoge, sondern vor allem darum gehe, dass die Sichtweise der Schulleitung ausreichend Raum bekomme. "Ich gehe da rein und weiß hinterher nicht, was das gebracht haben soll", sagt eine Schülerin. Konstruktiver Meinungsaustausch? Nach Meinung vieler Schüler Fehlanzeige.
Was war am Montag passiert: Wegen Corona fällt derzeit alles vom Abistreich bis hin zur Party weg. "Uns bleibt nur die Mottowoche", sagt ein Schüler. Die Schulchefin habe Donnerstag und Freitag in Kalenderwoche zwölf zugestanden. Spontan, so berichten es Schüler, hätten sie sich entschlossen, das Ganze vorzuziehen. "An den beiden anderen Tagen wäre wegen Wechselunterricht kaum jemand in der Schule gewesen", erklärt ein Schüler aus dem Abijahrgang. "Wir haben uns dabei an alle Hygieneregeln gehalten", betont er. Das Leitungsteam um Bettina Fees-McCue forderte: Umziehen oder gehen.
Die Schüler des Abijahrgangs widersprechen der Schulleiterin in zwei Dingen: Sie habe respektloses Verhalten kritisiert. "Das ist nicht wahr", sagt eine Schülerin. Es habe einen Regelkatalog gegeben, an den sich alle gehalten hätten. Und: Dass nur wenige verkleidet erschienen seien, stimme nicht. "Alle haben über die Montagsaktion Bescheid gewusst", so die Schüler. Manche seien aber vorher zurückgegangen, um sich umzuziehen. Denn das "Einlass-Trio" um Bettina Fees-McCue habe vor dem derzeitigen Haupteingang gestanden. "Ich bin einfach traurig'", sagt eine Schülerin. Der letzte Spaß in ihrer Schulzeit sei ihnen genommen worden. Die Stimmung bei den noch erlaubten Mottotagen ist getrübt. Die HPS-Schüler sehen mit Wehmut die Fotos ihrer Freundinnen und Freunde vom Gymnasium Süd. Dort findet die Mottowoche ohne Stress statt.
Nach der abgebrochenen Pyjamaparty brach auf der öffentlichen Facebook-Seite der HPS eine Debatte los. Ehemalige Schüler und auch Ex-Lehrer meldeten sich zu Wort. Kritik an der Pyjama-Entscheidung, aber auch der Vorwurf des autoritären Verhaltens der Schulleitung wurden laut.
Wer mit Eltern sowie Schülerinnen und Schülern über den "Pyjama-Montag" spricht, merkt schnell: Es brechen andere, schon länger zurückliegende Konflikte auf. Etwa die angeblich von der Schulleitung untersagten beliebten Ehemaligentreffen am zweiten Weihnachtstag oder der letztendlich gescheiterte Versuch einer Kleiderordnung. Mädchen sollten nach Aussagen von Eltern und Schülern kurze Röcke und tiefe Ausschnitte untersagt werden. Die Forderung wurde von Schülerinnen und Schülern vehement zurückgewiesen.
"Die Schule war öfter
dicht als wir"
Bisher, das zeigen die Nachfragen bei Schülern wie Eltern, gibt es Frust und auch unterdrückte Wut. Das könnte sich allmählich ändern. Viele aus der heutigen Elterngeneration waren selbst HPS-Schüler zu einer Zeit, als kontroverse Debatten zur Schulkultur gehörten. Die HPS hatte in den 1970er Jahren mit dem "Buxtehuder Modell" eine international beachtete Reform der Oberstufe auf den Weg gebracht. Das lockte sogar die Ikone der Studentenbewegung, Rudi Dutschke, für eine Diskussionsrunde nach Buxtehude. Vielleicht erlebt jetzt der alte Sponti-Spruch "Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt" eine Art HPS-Renaissance. Wie steht es so treffend im Leitbild des Gymnasiums: "Schülerinnen und Schüler werden befähigt, Selbstbewusstsein, Mut und Zivilcourage auszubilden."
Übrigens: Dass im kommenden Jahr ausgelassen gefeiert wird, ist kaum zu erwarten. Die jetzige zwölfte Klasse hatte der Schulleitung schon jetzt ein Motto vorgelegt: "Die Schule war öfter dicht als wir". Natürlich abgelehnt.
Das sagt die Schulleitung
(tk). HPS-Schulleiterin Bettina Fees-McCue betont, dass die Mottotage in enger Abstimmung mit dem Schüler-Organisationskomitee gemeinsam festgelegt worden seien. Ursprünglich anvisierte Termine seien nicht möglich gewesen, weil nach aktueller Erlasslage aus dem Kultusministerium die Klassen acht bis elf zurückkehren und die Schule für die kleineren Lerngruppen mehr Räume benötige. "Wir müssen eine ständig neue Verordnungslage im Blick behalten", sagt die Schulleiterin. Mottotage am Donnerstag und Freitag in dieser und der kommenden Woche waren daher ein guter und gemeinsam mit den Schülern erzielter Kompromiss. "Warum hat mich niemand angesprochen?", fragt Bettina Fees-McCue, als es spontan zur Veränderung kam. Zudem sei am Montag nur ein Teil der Schüler verkleidet erschienen. "Wären es alle gewesen, hätte ich mich vielleicht umstimmen lassen."
Was nicht unter den Tisch fallen dürfe, sei die Erkenntnis, dass die Auswertung der letzten Mottowochen ergeben habe, dass der Unterricht darunter gelitten habe. Die Vorbereitung aufs Abi müsse aber Priorität haben. Bettina Fees-McCue weist zudem darauf hin, dass die HPS ihrem Abschlussjahrgang deutlich mehr Unterricht als vorgeschrieben ermöglicht habe.
Den Vorwurf, dass sie autoritär handele, weist die Schulleiterin zurück. Eine Laissez-faire-Haltung sei aber grundsätzlich nicht denkbar. Das habe es in der Vergangenheit gegeben, doch damit werde nicht dass Beste für Schüler und Schule erreicht. Sie respektiere "den Geist der Halepaghenschule", sagt Bettina Fees-McCue und bezieht sich auf die Diskussionskultur der Vergangenheit. "Wir leben aber nicht in den 60er oder 70er Jahren. Wir müssen Schule in der Gegenwart leben."
Sie habe den Eindruck, dass die aktuellen Proteste von einer Teilgruppe kommen, die "Dinge aufmischen will." Die Schulleiterin betont, dass es ihr Grundsatz ist, miteinander zu sprechen, wozu sie immer bereit sei.
Silke Behm, die stellvertretende Schulleiterin, bestätigt die Sicht von Bettina Fees-McCue. "Es gab Absprachen und an die muss man sich halten." Den Vorwurf eines autoritären Führungsstils weist auch sie zurück. Ein neues Leitungsteam treffe andere Entscheidungen als Verantwortliche der Vergangenheit. Das sagt die stellvertretende Schulleiterin.
Kommentar
Ich unterstelle der Halepaghen-Schulleiterin Bettina Fees-McCue im Positiven, dass sie das Beste für ihre Schule und ihre Schülerinnen und Schüler erreichen will. Dafür braucht es Durchsetzungskraft und Corona macht einen ohnehin schwierigen Job nicht einfacher. Nach zahlreichen Gesprächen mit Schülern der HPS unterstelle ich ihr aber auch: Was das Beste ist und wie es dort hingeht, weiß in ihrer Sicht vor allem ein Mensch: Bettina Fees-McCue. Partizipation und eine konstruktive Debattenkultur sind offenbar nur erwünscht, wenn sie Positionen der Schulleitung nicht hinterfragen. Demokratie geht anders und das HPS-Leitbild formuliert auch eine andere Überzeugung.
Ob man den Ist-Zustand autoritär oder vielleicht antiquiert nennt, ist dabei einerlei. Um es angesichts des Schulleitung-Wunsches nach einer Kleiderordnung, die kurze Röcke verbietet, salopp auszudrücken: Keine Schülerin der HPS muss die Vorliebe ihrer Schulleiterin für lange Röcke mit floralem Muster teilen, um einen erfolgreichen Weg durch die Bildungsinstitutionen zurückzulegen.
Die HPS hat, das zeigt der "Pyjama-Konflikt", ein internes Kommunikationsproblem zwischen unterschiedlichen schulinternen Gruppen und Hierarchieebenen. Die Schulleitung sollte sehr schnell lernen, zuzuhören und Argumente anderer, auch von Schülerinnen und Schülern, besser abzuwägen. Sonst müsste alsbald das Leitbild neu geschrieben werden. Dann stünde dort: "Unser Ziel ist es, unsere Schülerinnen und Schüler auf einem hohen Wissensniveau zu wirtschaftlich produktiven Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen. Dinge zu hinterfragen, Konflikte auszudiskutieren oder eine kritische Haltung gegenüber Autoritäten einzunehmen, gehört ausdrücklich nicht dazu."Tom Kreib
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