Bagger kontra Biotopschutz: Der Aale-Tod an der oberen Aue
(jd). Angler schlagen Alarm: Fische fallen dem Räum-Bagger zum Opfer. So lassen sich auch Steuergelder vernichten: Niedersachsen wendet allein in diesem Jahr rund 200.000 Euro auf, damit der im Bestand stark gefährdete Aal zwischen Elbe und Ems wieder vermehrt heimisch wird. So werden im Sommer mit Unterstützung der Angelvereine Hunderttausende Jung-Aale ausgesetzt, um die Population der auf der Roten Liste stehenden Fische zu erhöhen. Doch viele Aale überleben diesen Herbst nicht: Sie werden Opfer von Räum-Baggern, die Schlick und Grünzeug aus den Bächen holen. Ein solcher Bagger war jetzt auch im Auftrag des Gewässer-Unterhaltungsverbandes an der Aue unterwegs. Er soll einen Teil der mühsam aufgepäppelten Aalbestände wieder vernichtet haben - so der Vorwurf des Harsefelder Angelvereins. Vorstandsmitglieder entdeckten im abgekippten Räumgut zahlreiche tote Fische, darunter etliche Aale und andere besonders geschützte Arten wie Meerforellen, Lachse und Neunaugen.
"Die Arbeit, die wir uns gemacht haben, ist mit einem Schlag zerstört", ärgert sich Vereins-Vorsitzender Ulf Martens. Die Petri-Jünger setzten im Juli Mini-Aale im Wert von 1.000 Euro aus. Für diesen aktiven Beitrag zum Artenerhalt gab es einen 60-prozentigen Zuschuss aus Landesmitteln und EU-Fördertöpfen. Die Angler betreiben sogar eine Brutstation, um Meerforellen aufzuziehen, weil es in der Aue keine natürlichen Laichgründe mehr gibt. Auch viele Exemplare dieser ebenfalls stark gefährdeten Fischart wurden laut Martens "Opfer" des Baggers. Der zuständige Unterhaltungsverband Aue bezeichnet das Entkrauten der Bachsohle und die Beseitigung von Sedimenten als notwendige Hochwasserschutz-Maßnahme.
Die Angler hingegen werfen dem Verband vor, die Belange des Naturschutzes komplett den Interessen der Landwirte unterzuordnen. "In meiner Jugend war die Aue noch ein naturnaher, kleiner Bach, der sich durch die Wiesen schlängelte", sagt Gewässerwart Werner Schmelzer. Innerhalb der vergangenen 40 Jahre habe sich das Bild der Aue komplett gewandelt. Sie sei immer wieder verbreitert und begradigt worden: "Das ist mittlerweile ein besserer Abwasserkanal", meint Schmelzer. Die zum Teil unter Naturschutz stehende Aue habe für den Unterhaltungsverband nur den Zweck, die umliegenden Wiesen und Äcker zu entwässern.
Die Angler, die selbst durch Aufzucht- und Aussetz-Aktionen aktiven Artenschutz betreiben, registrieren in der oberen Aue einen erheblichen Rückgang vieler Populationen. Sie meinen, dass beim Mähen in der Bachsohle und beim Aushub der Sedimente nicht behutsam genug vorgegangen wurde. Zudem hätte der Bagger von einem Mitarbeiter begleitet werden müssen, der die noch lebenden Fisch wieder in die Aue zurückwirft. Dies sei auf weiten Strecken unterlassen worden.
Nach Ansicht der Angler hat der Unterhaltungsverband eindeutig gegen das Naturschutzgesetz verstoßen: Sie belegen das unter anderem mit dem Fund von toten Neunaugen mitten im Naturschutzgebiet "Aueniederung". Diese fischähnliche Art ist stark gefährdet und genießt wie Lachs und Meerforelle in Niedersachsen "höchste Priorität"bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen.
Laut Verordnungstext zum Naturschutzgebiet ist bei der Gewässerunterhaltung darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Aue als Lebensraum für gefährdeter Tierarten erhalten bleiben muss. Nach einem Gutachten gilt der Zustand der Aue aus ökologischer Sicht ohnehin schon als "unbefriedigend". Martens will jetzt Strafanzeige erstatten: "Uns reicht es. Bereits im Vorjahr wurde ein von uns angelegtes Kiesbett zerstört, das Meerforellen zum Ablaichen dient."
Der Unterhaltungsverband weist die Vorwürfe zurück: Die ausführende Firma sei darüber belehrt worden, dass bei den Mäharbeiten im Auegrund sensibel vorzugehen sei, so Geschäftsführer Wilhelm Meyer. Dazu zähle das naturschonende Räumen der Bachsohle. Der Baggerführer könne aber nicht jedes Mal absteigen, um Fische zu bergen. Laut Meyer würden die Angelvereine vor jeder Räumaktion benachrichtigt, um "ein, zwei Rentner schicken zu können, die den Bagger begleiten". Eine Aussage, die laut Martens nicht zutrifft: "Wir sind definitiv noch nie informiert worden."
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