Wo bleiben die Versorgungsleitungen?
Kaufvertrag über ein Baugrundstück sorgt in Harsefeld für Zoff
jab. Harsefeld. Falsch verstanden oder ganz einfach schlecht formuliert? Wer einen Vertrag mit der Gemeinde schließt, der erwartet, dass die Abmachungen klar und deutlich formuliert sind und keinen Spielraum für Spekulationen lassen. Dass das aber nicht immer der Fall sein muss, zeigt das Beispiel von Corvin Hampe, Unternehmer aus dem Flecken Harsefeld. Er kaufte ein Gewerbegrundstück mit der Erwartung, dass dort bald im Rahmen der Erschließung alle Versorgungsleitungen, also Gas-, Wasser-, Strom- und Telekommunikationsleitungen, gelegt werden. Doch es kam anders, die Baustelle verzögerte sich - und am Ende bleibt er wohl auch noch auf Zusatzkosten von mehreren Tausend Euro sitzen.
Das war passiert
Seit zwei Jahren führt Hampe ein erfolgreiches Unternehmen im Gewerbegebiet Martenskamp. Aus der derzeit gemieteten Halle möchte er raus, suchte daher nach einem geeigneten Grundstück im neuen Gewerbegebiet an der Griemshorster Straße, in dem auch Wohnbebauung zulässig ist. Dort fand er eine rund 5.000 Quadratmeter große Fläche mit ausreichend Platz für eine Halle, einem angeschlossenen Wohnbereich sowie der Möglichkeit, in naher Zukunft zu expandieren. Was ihn zunächst freute: Das Grundstück ist das Einzige mit einer Zufahrt über die Griemshorster Straße, alle Übrigen sind über die Straße "Rümelswiese" angebunden. Eine Option, von dort eine Stichstraße in das neue Gewerbegebiet zu bauen, um eventuell hinten gelegene Flächen anzuschließen, bestand. Dadurch hätte Hampes Grundstück von hinten ebenfalls einen Zugang gehabt. Hier sollten später Regen- und Schmutzwasserkanäle sowie die Versorgungsleitungen bis "zur Grundstücksgrenze" liegen, so dachte er.
Im Januar kaufte Hampe die Fläche, beantragte zwei Wochen später Baustrom. Dann passierte - nichts. Auf Anfrage erhielt er die Antwort, dass ein Anschluss nicht möglich sei, da keine Versorgungsleitungen existierten. Hampes Vermutung: Die Stichstraße wurde nicht gebaut, da es aufgrund der Grundstücksverkäufe nicht notwendig war - alle Flächen waren an die "Rümelswiese" angebunden. Die Versorgungsleitung zu seinem Grundstück sei daher vielleicht vergessen worden. Nach einigem Hin und Her mit der Gemeinde wurde schließlich der geplante Regen- und Schmutzwasserkanal gebaut. "Bis dahin stand mein Grundstück ständig unter Wasser, das nirgends ablaufen konnte", so Hampe. Gräben zur Entwässerung musste er sich bis dahin selbst ziehen. Das Baustrom-Problem löste er mit seinem Nachbarn, über dessen Grundstück er sich selbst eine Leitung legen konnte.
Das Problem mit den Versorgungsleitungen allerdings war noch immer nicht geklärt. Die Gemeinde habe sich auf ihren Vertrag berufen, dass sie dafür nicht zuständig sei, er sich selbst kümmern und die Kosten tragen müsse, so Hampe. Angebote dafür, die der Grundstücksbesitzer einholte, betrugen Summen im fünfstelligen Bereich. Denn die Versorgungsleitungen lagen schließlich nicht an der Grundstücksgrenze, wie erwartet, sondern mussten von einem Knotenpunkt in einigen Hundert Metern Entfernung erst verlegt werden.
Ein weiteres Problem: Die Baugenehmigung ließ auf sich warten. Denn bei der Erschließung des Grundstücks hatte die Gemeinde für die Zufahrt zu Hampes Fläche einen Baum gefällt. Damit war die Naturschutzbehörde nicht einverstanden. Bis dieser Fall geklärt war, dauerte es rund einen Monat. Mit der Verzögerung des Baustroms liegt Hampe mehrere Wochen in Verzug. Aus seiner jetzigen gemieteten Wohnung muss er wegen Eigenbedarfsanmeldung raus. Doch das neue Wohnhaus ist ja noch nicht fertig.
Inzwischen ist Hampe mit den Nerven am Ende. "Hätte ich das alles vorher gewusst, hätte ich das Grundstück niemals gekauft." In seiner Firma musste er wegen der schon jetzt durch Bauverzögerung erhöhten Kosten Mitarbeiter entlassen. Dazu werden nun wohl auch noch die zusätzlichen Beträge für die Versorgungsleitungen kommen. "Das alles hier kostet mich noch Kopf und Kragen."
Das sagt die Gemeinde
Die Verwaltung weist dagegen auf WOCHENBLATT-Nachfrage alle Vorwürfe von sich. Sie beruft sich auf den Vertrag. Der Flecken sei ausschließlich für den Regen- und Schmutzwasserkanal zuständig, um alle anderen Leitungen muss sich der Grundstückseigentümer kümmern. Carsten Kräft, zuständig für Beiträge und Liegenschaften, sagt, dass dies im Vorweg mit dem Eigentümer besprochen worden sei. "Wir wissen schließlich nicht, wo der Eigentümer sein Gebäude hinsetzt." Er stützt sich dabei auf den Begriff der Ersterschließung im Kaufvertrag. Kräft: "Es ist alles klar geregelt und ziemlich genau gesagt, was der Käufer bekommt." Von Strom, Gas, Wasser und Telekommunikation sei nie die Rede gewesen. Und Holger Bohling vom Straßen- und Tiefbau ergänzt: "Wir können nicht blind Anschlüsse verlegen. Es steht nirgends vollerschlossen, das wäre das Rundum-sorglos-Paket." Das habe die Gemeinde gar nicht im Angebot. Zudem sei das Prozedere nicht neu, die Verwaltung handele so bereits seit 30 Jahren und es sei nie ein Problem gewesen.
Aber Verwaltungschefin Ute Kück dazu: "Künftig werden wir alles, was die Anschlüsse betrifft, konkreter in den Vertrag schreiben."
Das dürfte Hampe wenig beruhigen. Denn so wie es aussieht, wird er die ungeplanten Kosten tragen müssen.
Anwalt kommentiert den Vertrag: "Unglücklich formuliert"
Das WOCHENBLATT fragte in diesem Fall bei Ingo Ebling, Anwalt aus Buxtehude, nach und bat ihn um eine Einschätzung. Er sagt, das Problem sei, dass in dem Vertrag zwischen Corvin Hampe und der Gemeinde von Ersterschließung gesprochen wird. "Dieser Begriff ist rechtlich nicht definiert, lediglich Teil- und Vollerschließung." Hierbei wären die Versorgungsleitungen zum Teil bzw. komplett bis im wahrsten Sinne zur Grundstücksgrenze verlegt. "Die Formulierung ist nicht glücklich gewählt, da sie nicht eindeutig ist." Er könne nur vermuten, dass die Verwaltung den Begriff der Erschließung im Paragraphen 127 des Baugesetzbuches meint.
Schwierig sei auch der Zusatz "insbesondere Straßen- und Wegebau", da er den Eindruck vermittelt, dass noch weitere Dinge inbegriffen sind. "Das müssen nicht die Versorgungsleitungen sein. Auch Parkplätze oder Grünflächen können gemeint sein."
Insgesamt sei der Kaufvertrag schwammig formuliert. Nach seiner Meinung hätte ein klarstellender Satz mit Hinweis auf den Anschlusspunkt aufgeführt werden müssen. "Das darf so wie hier einem Notar nicht passieren."
Redakteur:Jaana Bollmann aus Stade |
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