Bilanz beim "Flecken-Flitzer" in Harsefeld: Mehr rumgestanden als gefahren
Landkreis Stade: Kann Carsharing auf dem Land funktionieren?

Die Zahlen und das Unkraut sprechen für sich: Die "Flecken Flitzer" wurden nur wenig bewegt | Foto: jab
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jab. Harsefeld. Wo keine S-Bahn fährt und der Bus nur alle Jubeljahre vorbeikommt, setzen nach wie vor viele Menschen auf das Auto. Im ländlichen Raum ist ein Zweitwagen für Paare und Familien schon nahezu ein Muss - selbst dann, wenn es nur zum wöchentlichen Einkauf oder zum Arzttermin geht. Eine tolle Möglichkeit, diese finanzielle Doppelbelastung zu umgehen, ist Carsharing. Das dachte sich auch der Flecken Harsefeld. Nur sahen das die Bürger anscheinend anders.

Vor zwei Jahren sauste der "Flecken Flitzer" das erste Mal durch Harsefeld. Die Neuheit, ein Carsharing-System mit zwei Fahrzeugen im Flecken als Angebot für mehr Klimaschutz anzubieten, wurde mit großer Freude gestartet. Ziel war es, Bürgern ohne Auto Mobilität zu bieten, wenn sie diese benötigen. Außerdem sollte das Angebot zum Umdenken anregen, ob ein Zweitwagen überhaupt notwendig ist. Ein weiterer Punkt war, den Bürgern die Möglichkeit zu geben, Elektromobilität auszuprobieren. Schließlich zählt Harsefeld schon seit 2010 zu den niedersächsischen Klimakommunen. Doch auf die anfängliche Begeisterung folgte die Ernüchterung. Nun ist der Leasing-Vertrag ausgelaufen - und die Bilanz sieht mau aus. Klappt E-Carsharing auf dem Land ganz einfach nicht oder liegt es nur am angebotenen System?

Die Flecken Flitzer standen die meiste Zeit angeschlossen an ihren E-Ladesäulen | Foto: jab
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"Flecken Flitzer" wurde kaum genutzt

In der Ortsmitte und in einem Neubaugebiet hatten die beiden Fahrzeuge ihre Standorte. Wer mit dem "Flecken Flitzer" fahren wollte, musste sich registrieren und eine Anmeldegebühr von zehn Euro zahlen. Dafür gab es eine Carsharing-Karte, mit der App konnte das Fahrzeug gebucht werden. Für eine Stunde zahlte der Fahrer 5,99 Euro, für einen Tag wurden 35 Euro fällig. 300 Kilometer waren im Preis mit inbegriffen. Für jeden weiteren gefahrenen Kilometer wurden 15 Cent fällig. Doch nur selten flitzte wirklich eines der Autos durch die Gemeinde. Meist sah man sie angeschlossen an ihren E-Ladesäulen.

Vor gut einem Jahr zog das WOCHENBLATT bereits ein Zwischenfazit, ob sich das Carsharing-Angebot ausgezahlt hatte. Das Ergebnis: Das Angebot lohnt sich nicht wirklich. Denn jedes der beiden Fahrzeuge legte lediglich fünf Kilometer am Tag zurück. Eine Informationsoffensive durch die Gemeinde sollte folgen und mehr Menschen auf das Angebot aufmerksam machen. Nach einem weiteren Jahr fragte das WOCHENBLATT erneut nach. Denn der Leasing-Vertrag mit dem zuständigen Unternehmen ist nun abgelaufen. Und es zeigt sich, dass der Eindruck wieder nicht getäuscht hat: Geändert hat sich nichts, weiterhin werden die E-Autos kaum genutzt.

Eine neue Informationsoffensive oder Ähnliches, wie es 2020 geplant war, habe es leider nicht gegeben, so die Energie- und Klimaschutzbeauftragte der Samtgemeinde Harsefeld, Sandra Delfs. Da machte Corona den Bemühungen einen Strich durch die Rechnung. Vielleicht ist die fehlende Information der Grund für das Gesamtergebnis bei den zurückgelegten Kilometern: "Die Fahrzeuge sind rund 300 Kilometer pro Monat gefahren", sagt sie. Damit sei die Verwaltung aber zufrieden. Hochgerechnet auf ein Fahrzeug und die zwei Jahre sind das wie schon im vergangenen Jahr nur fünf Kilometer pro Tag. Verändert hat sich somit nichts gegenüber der Halbzeitbilanz.

Wenig gefahrene Kilometer keine Seltenheit

Mer Germany (früher als E-WALD bekannt) war Betreiber der Flecken Flitzer. Das Unternehmen verfügt über Erfahrung sowohl im urbanen als auch im ländlichen Raum. Für Matthias Knöller von der Marketingabteilung Mer Germany sind die relativ wenig gefahrenen Kilometer keine Seltenheit. "Üblicherweise legen unsere Fahrzeuge im ländlichen Raum im Durchschnitt 100 bis 250 Kilometer in der Woche zurück, auch Fahrten bis zu 500 Kilometer am Stück kommen durchaus vor." Und weiter: "In den letzten zwei Jahre gingen aufgrund von Corona und der dadurch stark reduzierten Mobilität die Ausleihen punktuell sehr stark zurück, so auch beim 'Flecken Flitzer'." Dem Unternehmen gehe es vor allem aber darum, auch in weniger dicht besiedelten Räumen individuelle Mobilität überhaupt zu ermöglichen.

Dorfstromer in Hollern-Twielenfleth nimmt Fahrt auf

"Dorfstromer" als Erfolgsgeschichte

Die Harsefelder Politik hält weiterhin viel von einem Carsharing-Angebot im Flecken. Es wurde beschlossen, das Angebot mit einem anderen Anbieter weiterzuführen. Nach Aussagen der Verwaltung werden derzeit vier geprüft. Bis eine Entscheidung getroffen ist, müssen Freunde des Carsharings aber keine Lücke im Angebot fürchten. Der Verein Dorfstromer bietet seit dem Frühjahr gemeinsam mit Raisa Energielösungen an der Volksbank in der Friedrich-Huth-Straße ein Fahrzeug an.

Und der Verein beweist: Carsharing kann sehr wohl in ländlichen Gegenden funktionieren. Inzwischen verfügen die Dorfstromer, die 2019 mit einem Fahrzeug an den Start gingen, über eine Flotte von elf Fahrzeugen im Alten Land, Horneburg, Drochtersen, Harsefeld, Hollenstedt und sogar in Hamburg. Drei weitere Autos sind in Aussicht. Eine richtige Erfolgsgeschichte. Doch was ist das Geheimnis?

Edgar Schmidt von den Dorfstromern setzt auf Carsharing | Foto: ab
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Den Erfolg der Dorfstromer sieht Vorstandsmitglied Edgar Schmidt darin begründet, dass jeder, der die Fahrzeuge nutzen möchte, Mitglied im Verein sein muss. Durch die Mitgliedschaft entsteht eine Verbundenheit: "Es fühlt sich dadurch ein wenig so an wie ein eigenes Auto", sagt er.

Bei der Bedienung gebe es dank App kaum eine Hemmschwelle bei der Buchung, erklärt Schmidt. Die Fahrzeuge seien durchdigitalisiert, geöffnet werde das Fahrzeug ebenfalls per App-Steuerung. Der Nutzer sieht, ob sein gewünschtes Auto verfügbar ist, und kann es auch über Monate im Voraus buchen. "Wir sehen, dass einige jede Woche zum gleichen Termin ein Auto mieten. Viele benötigen durch das Angebot keinen Zweitwagen mehr." Dass das Angebot gut angenommen wird, zeigen die Zahlen: 103.918 Kilometer haben laut Internetseite des Vereins die bis Dienstag nur zehn Fahrzeuge zurückgelegt.

Ein weiterer Pluspunkt sind die geringen Kosten. Eine Mitgliedschaft kostet im Monat für Einzelpersonen 5 Euro, für Familien 8 Euro, für Firmen 20 Euro und Kommunen zahlen 100 Euro. Dazu kommen dann 4 Euro pro gemieteter Stunde. Das "Tanken" ist im Preis mit inbegriffen. Die Preise sind möglich, weil die Fahrzeuge hauptsächlich über die Beiträge der Kommunen finanziert werden. Die Beiträge der übrigen Mitglieder werden für das Administrative ausgegeben. Alles andere erledigen die Ehrenamtlichen des Vereins - kostenfrei. Und ganz wichtig: Sie bzw. Autopaten stehen auch als Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung. "Unsere Dorfstromer sind gemacht fürs Land", sagt Schmidt stolz.

Flotter Flitzer mit Startproblemen
Redakteur:

Jaana Bollmann aus Stade

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