„Ihr habt keine Träume? Dann sucht euch welche!“
Zimmerer-Innung geht bei der Nachwuchswerbung neue Wege: Theaterstück als Motivation, etwas Neues zu wagen.
(mum). Für knapp 100 Schüler der Berufsbildenden Schulen in Buchholz ist es eine seltsame Situation. Statt Lehrer stehen Zimmerleute in ihrer prächtigen Kluft vor ihnen, eine Kettensäge ruht auf einem Holzstapel. Der Unterricht fällt heute zumindest für zwei Stunden aus. Richard Betz ist mit seinem Theaterstück „Mit Herz und Hand“ zu Gast. Er will den jungen Menschen vermitteln, dass das Erlernen eines Handwerks eine ebenso gute Perspektive bietet wie ein Studium. „Auch die Verdienstmöglichkeiten sind nicht schlechter“, ist Betz überzeugt. „Ein guter Handwerker wird überall auf der Welt gebraucht“, so Betz. „Wichtig ist, dass ihr das, was ihr macht, gern und gut macht - und mit Leidenschaft.“
Die Idee, den Hessen Betz in den Landkreis zu holen, stammt von Sven Balck. Seit 2015 ist er Obermeister der Zimmerer-
Innung des Landkreises Harburg. Balck ist davon überzeugt, dass sich im Hinblick auf die Gewinnung von Auszubildenden etwas ändern muss. Der Rückgang von Nachwuchs in Handwerksbetrieben sei groß, teilweise existenzbedrohend. Aus diesem Grund hat sich der 48-Jährige für die bemerkenswerte Aktion mit Betz entschieden. Von Montag bis Freitag stellte dieser sein Handwerk an den Berufsbildenden Schulen in Buchholz und Winsen sowie an den Oberschulen in Jesteburg, Hanstedt und Stelle vor. Der Zimmermann hat vor ein paar Jahren sein Handwerk zumindest zeitweise an den Nagel gehängt und geht stattdessen mit einem eigens geschriebenen Theaterstück auf Tour.
Betz hatte sich das Stück „Hans im Glück“ für Kinder und Erwachsene ausgedacht, das sehr gut ankam. Also legte der Handwerker und Hobbyschauspieler nach. „Mit Herz und Hand“ heißt das aktuelle Stück, das Betz mit einer Regisseurin umgesetzt hat und mit dem er nun durch deutsche Schulen tourt. Zielgruppe sind die Acht- und Neuntklässler, bei denen das Thema Berufsorientierung auf dem Stundenplan steht. 45 Minuten dauert die Vorführung, in der die Geschichte des Zimmermanns Paul erzählt wird, der über zahlreiche Umwege in seinem Traumberuf landet. Verpackt in eine spannende und rührende Geschichte transportiert Betz seine Botschaft: „Die verbreitete Meinung ‚Wer nicht studiert, hat schon verloren‘, ist ein Riesenschmarrn“, erklärt der Handwerker, der es nie bereut hat, Zimmermann geworden zu sein. Das Stück ist nicht komplett erfunden. Einiges hat Betz selbst erlebt. Am Ende fordert er die Schüler auf, herauszufinden, was „echt“ ist.
Während Betz Theater spielt und den Kontakt zu seinem Publikum sucht, baut er scheinbar nebenbei eine Holzbrücke, die die Schüler nach der abschließenden Fragerunde auseinandernehmen und nachbauen dürfen. Betz will niemanden missionieren. Er rät den Jugendlichen, herauszufinden, wo ihre Stärken liegen. „Ihr müsst Träume haben. Wer keine hat, muss sich welche suchen“, lautet sein Appell.
BBS-Schulleiterin Kira Buchmann ist begeistert: „Das war eine gelungene Veranstaltung über die Möglichkeiten und Chancen in Handwerksberufen verknüpft mit der Lebens- und Erfahrungswelt der Jugendlichen - erste Liebe, Umgang mit Fehlschlägen, seinen eigenen Weg finden und getrennt lebende Eltern.“ Für sie ist die ohne Nagel und Schraube gebaute Brücke ein Sinnbild für die Entwicklung vom Schüler zum Auszubildenden.
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Redakteur:Sascha Mummenhoff aus Jesteburg |
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