Landkreis Harburg: Masern, Krätze, Keuchhusten
Kommen "vergessene" Krankheiten wieder?

Um Krankheiten wirklich auszurotten ist es erforderlich, auch dann zu impfen, wenn es gerade nicht sehr viele Fälle gibt. Ideal ist es, wenn 95 Prozent der Bevölkerung sich impfen lässt | Foto: Adobe_Vector Juice_Stock
  • Um Krankheiten wirklich auszurotten ist es erforderlich, auch dann zu impfen, wenn es gerade nicht sehr viele Fälle gibt. Ideal ist es, wenn 95 Prozent der Bevölkerung sich impfen lässt
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Masern, Krätze, Keuchhusten - Krankheiten, an die sich die meisten Menschen nur noch aus dem vergangenen Jahrtausend erinnern. Im Bewusstsein der Bevölkerung sind sie weit nach hinten gerückt, obwohl Mediziner und Gesundheitsämter sie weiter im Blick haben müssen. Verschiedentliche Krätze-Ausbrüche in Pflegeeinrichtungen, verstärkte Keuchhusten- und Scharlachfälle in Kindergärten: Kommen die "vergessenen" Krankheiten gerade zurück?

1. Kinderlähmung (Polio)

"Kinderlähmung ist grausam, Schluckimpfung ist süß" - mit diesem Slogan warben Gesundheitsämter in den 1960er und 1970er Jahren für die Schluckimpfung gegen Kinderlähmung. Ein Erfolgsmodell wohl auch deshalb, weil für die Impfung kein Arztbesuch nötig war: Reihenweise nahmen Schulkinder den Impfstoff auf einem Stück Zucker ein. Der letzte Polio-Fall in Deutschland stammt aus den 1990er Jahren. Heute gilt Polio weltweit als besiegt, außer in Afghanistan und Pakistan.

Aber die Impfung ist weiter nötig: Nur wenn die Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission eingehalten werden, sei man vor der Erkrankung geschützt, sagt Katja Bendig, Sprecherin des Landkreises Harburg. Sie warnt: "Wenn die Impfbereitschaft aber nachlässt oder es keinen Zugang zum Impfstoff gibt, dann kann eine solche Erkrankung wieder ausbrechen." Dieses sei zurzeit im Gaza-Streifen geschehen, weil Kinder dort wegen des Krieges nicht geimpft werden konnten.

2. Masern (Morbilli)

Noch in den 1950er und 1960er Jahren wurden regelrecht Masernpartys abgehalten, damit sich Kinder möglichst früh mit den als "Kinderkrankheit" verharmlosten Masern anstecken sollten. Denn Erwachsene haben meist einen viel schwereren Verlauf. Dabei wurde vergessen, dass es auch im Kindesalter schlimme Komplikationen wie Mittelohrentzündungen, Lungenentzündungen und sogar Gehirnentzündungen geben kann. Anfang der 2000er Jahr lebten die gefährlichen Masernpartys noch einmal auf: Impfgegner verbreiteten die inzwischen eindeutig widerlegten Geschichten über gefährliche Imfungen. Das Bundesgesundheitsministerium warnt: Als Masern-Spätfolge kann u.a. die sogenannte "subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auftreten, eine schwere und stets tödlich verlaufende Gehirnerkrankung."

Für Masern gilt das Gleiche wie für Polio, sagt Bendig: Der Schutz besteht nur so lange, wie weiter geimpft wird. Denn sonst ist die Krankheit schnell wieder auf dem Vormarsch, wie zum Beispiel 2009. "Abgesehen von diesem Ausbruch waren die Zahlen im Landkreis Harburg in den zurückliegenden beiden Jahrzehnten stabil und sehr niedrig", berichtet Katja Bendig. "Durch das Masernschutzgesetz (gilt seit 2020; alle nach 1970 geborenen Personen in Gemeinschaftseinrichtungen müssen den Impfschutz nachweisen, Anm. d. Red.) soll eine höhere Impfquote erreicht werden, um die Masern auszurotten." Dafür müsste die Impfquote weltweit über 95 Prozent liegen. Auch in Deutschland wird diese Quote laut Gesundheitsministerium noch nicht erreicht.

3. Keuchhusten (Pertussis)

Für Keuchhusten gibt es zwar auch eine Impfung, aber diese muss regelmäßig aufgefrischt werden. Es gibt daher immer wieder Keuchhusten-Wellen, wie aktuell im Landkreis Harburg. "Mit den Sommerferien ist diese Welle aber verebbt", berichtet Katja Bendig. Ist Keuchhusten wieder auf dem Vormarsch? "Das kann man so nicht sagen", sagt Bendig. Denn: Durch bessere Labormethoden wird die Krankheit häufiger entdeckt, was statistisch zu einer Fallzahlensteigerung führt.

4. Scharlach (Scarlatina)

Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Scharlach eine häufige Todesursache von Kindern. Vermutlich starben sie an den Komplikationen der unbehandelten Infektionen, etwa einer bakteriellen Lungenentzündung. Noch vor der Entdeckung des Penicillins ist Scharlach immer seltener geworden.

Die Krankheit ist auch im Landkreis Harburg verbreitet, scheint sich aber nicht über die Maßen auszubreiten: Zur Verbreitung gibt es im Landkreis keine verlässlichen Fallzahlen, sagt Katja Bendig. "Aber in den letzten Jahren waren die Fallzahlen, die wir aus den Kindergärten und Schulen gemeldet bekommen haben, konstant", so Bendig.

5. Tuberkulose ("Schwindsucht")

Auch die Tuberkulose, die früher oft als Schwindsucht bezeichnet wurde und durch Thomas Manns Buch "Der Zauberberg" zu literarischer Bekanntheit gelangte, ist noch immer in unserer Region vorhanden: Die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen im Landkreis schwankt jährlich im einstelligen und niedrigen zweistelligen Bereich, sagt Katja Bendig.

6. Krätze (Skabies)

Die Krätze-Milbe ist tatsächlich wieder etwas stärker im Landkreis Harburg unterwegs. Woran liegt das?
Katja Bendig beschreibt mehrere Ursachen:
1. Kontaktpersonen der Kranken würden meistens nicht behandelt, weil der Arzt ohne Symptome kein Medikament verschreibt. Es dauere bis zu fünf Wochen, bis Symptome auftreten. In dieser Zeit könne die Krankheit weiterverbreitet werden.
2. Durch intensive Körperpflege wie tägliches gründliches Duschen könnten so geringe Symptome vorhanden sein, dass sie gar nicht bemerkt werden. Die Person kann aber trotzdem andere Personen anstecken.
3. Falsche Behandlung: Vom Arzt würde meist eine Creme verschrieben, mit der man sich einreiben muss, und zwar überall. "Das ist schwieriger, als es sich anhört", erklärt Bendig. Auf unbehandelten Stellen überlebten die Erreger und könnten weiterverbreitet werden. Außerdem müssten die Wohnung, die Bettwäsche und die Kleidungsstücke extrem sorgfältig gereinigt werden.
4. Vor allem in Pflegeheimen sind die ersten drei Punkte für das Personal, die Bewohner und die Angehörigen der Bewohner und des Personals eine echte Herausforderung.

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Meldepflicht

Damit die Behörden einen Überblick über die Verbreitung von ansteckenden Krankheiten haben können, gibt es eine Meldepflicht: Masern, Keuchhusten, Tuberkulose und Polio sind von Laboren und Ärzten unverzüglich dem Gesundheitsamt zu melden. Das ist in den Paragrafen 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geregelt. Scharlach und Krätze sind nur durch die Leitungen von Kindergärten und Schulen zu melden (Paragraf 34 IfSG). Außerdem muss Krätze durch die Leitungen von Pflegeheimen und Asylbewerberunterkünften gemeldet werden (Paragrafen 35 und 36 IfSG).

Redakteur:

Gabriele Poepleu aus Jesteburg

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