Jesteburg: Ratsherr tritt gar nicht erst an und bereitet den Weg für Nachrücker
Betrug am Wähler?
as. Jesteburg. Schon bevor die neuen Ratsmitglieder in Jesteburg ihre Arbeit aufnehmen, gibt es reichlich Trubel um die Besetzung des Gemeinderates: CDU-Kandidat Lucas Ibing, mit 132 Stimmen von den Jesteburgern gemeinsam mit Julia Neuhaus, Ykin Aydin und Jörg Berberich in den Rat gewählt, wird sein Mandat gar nicht erst annehmen. Stattdessen wird Paul Mojen für die Christdemokraten nachrücken.
Ibing war bei der Kommunalwahl 2021 mit Platz drei prominent auf der Liste platziert. Mojen, auf Platz vier, hatte es durch Wählerstimmen nicht in den Rat geschafft.
Nach WOCHENBLATT-Informationen soll der Abgang von Lucas Ibing aber keine spontane Entscheidung, sondern von der CDU geplant gewesen sein. Ibing, als Berufs-Feuerwehrmann in Hamburg beruflich stark eingebunden, und als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr beliebt im Ort, sei gedrängt worden, sich für die CDU zur Wahl zur stellen, und habe nur unter der Bedingung eingewilligt, einen der hinteren Listenplätze zu besetzen. Von vornherein soll Ibing klar gemacht haben, keine Ratsarbeit leisten zu können - und wurde dennoch vorn platziert.
Es ist fraglich, ob Paul Mojen es ohne die Stimmen von Lucas Ibing in den Rat geschafft hätte. Er konnte lediglich 40 Wähler überzeugen, etliche CDU-Kandidaten, die auf der Liste nach ihm platziert wurden, haben mehr Stimmen erhalten. Mojen ist in Jesteburg umstritten, musste er doch als Vorsitzender des Bürger- und Gewerbevereins (BGV) im April nach einer Mitgliederversammlung zurücktreten, da er dort - entgegen der Vereinbarung des BGV-Vorstands - Wahlkampf für den CDU-Samtgemeinde-Bürgermeisterkandidaten Christian Horend betrieben hatte (das WOCHENBLATT berichtete).
Nach internen Querelen hatten einige Mitglieder die Partei verlassen und Vorsitzender Jörg Berberich noch im September einen Neustart der CDU angekündigt.
"Lucas Ibing wurde, wie alle anderen Bewerber auch, im Rahmen der vorgeschriebenen Aufstellungsversammlung am 2. Juli durch die stimmberechtigten Mitglieder des CDU-Ortsverbandes der Samtgemeinde Jesteburg offiziell gewählt. In dieser Aufstellungsversammlung wird auch der Listenplatz festgeschrieben, auf dem er kandidiert. Diesem Verfahren entsprechend wurde er auf Listenplatz 3 gewählt", erklärt der CDU-Vorstand auf WOCHENBLATT-Nachfrage. "Während einer Vorstandssitzung nach den Kommunalwahlen im September teilte Lucas Ibing uns mit, dass er aus persönlichen Gründen sein Mandat nicht annehmen wird. Wir bedauern dies selbstverständlich außerordentlich, da wir sehr gerne junge Menschen in unsere Gemeinderäte einbringen möchten – aber wir haben seine Entscheidung zu respektieren."
Dass ein - im ersten Anlauf nicht in den Rat gewählter - Bewerber als Nachrücker in den Rat einzieht, sei gesetzlich so vorgesehen und in der Vergangenheit bereits häufig vorgekommen, teilt Vorstandsmitglied Giko Krömker mit. "Solche anonymen Gerüchte halten wir für üble Nachrede, mit dem Zweck, den CDU-Ortsverband in ein schlechtes Licht zu rücken." Lucas Ibing äußerte sich trotz Nachfrage bis Redaktionsschluss nicht zu seinem Rücktritt.
Tatsächlich gab es bereits in der Vergangenheit Fälle, in denen gewählte Ratsmitglieder auf ihr Amt verzichtet hatten. Zum Beispiel 2016 FDP-Kandidat Manfred Schieler im Samtgemeinderat oder CDU-Kandidat Frank Spinder im Bendestorfer Rat. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied: Beide haben einem Parteikollegen mit mehr Stimmen den Vortritt gelassen - nicht jemandem mit weniger Stimmen ins Amt verholfen.
Moment Mal
Verantwortung gegenüber dem Wähler
Man sollte sich vorab sehr gut überlegen, ob man sich für den Gemeinderat zur Wahl stellt. Es ist ein Ehrenamt und wird als solches freiwillig ausgeführt, dennoch steht man bei den Wählern in der Verantwortung. Dass sich während einer Ratsperiode vereinzelte Ratsmitglieder aus persönlichen Gründen zurückziehen, ist die eine Sache. Sich aber in den Rat wählen zu lassen und das Amt dann noch nicht mal anzutreten, ist eine Täuschung der Wähler, die ihre Stimme sonst einem anderen Kandidaten geschenkt hätten - wenn nicht sogar Betrug.
Anke Settekorn
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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