Erweiterung von Hof & Gut in Jesteburg
Kritische Ratsmitglieder sollten mundtot gemacht werden
Die Entscheidung, ob die 1. Änderung des Bebauungsplans "Itzenbüttel Ortsmitte" beschlossen wird - und damit die Erweiterungspläne von "Hof & Gut" -, ist vorerst vertagt. Das hat der Jesteburger Gemeinderat am Mittwochabend mit einer Stimme Mehrheit beschlossen.
Die Sitzung war hochemotional, sowohl im Rat als auch im Publikum. Etwa 45 Zuhörer verfolgten die Diskussionen vor Ort teils mit lauten Zwischenrufen.
Dabei ging es gleich zu Beginn hoch her. Bereits bei der Genehmigung der Tagesordnung schlugen die Wellen hoch, als Hansjörg Siede (UWG Jes!) beantragte, Punkt 7, die Änderung des B-Plans "Itzenbüttel Ortsmitte", von der Tagesordnung zu nehmen.
Hintergrund: Nachdem die UWG Jes! ihre Kritikpunkte an der geplanten Erweiterung auf der Homepage veröffentlicht hat, hat die Hof und Gut Jesteburg Agrar GmbH & Co. KG Siede kurz vor der Sitzung durch eine Hamburger Anwaltskanzlei eine Unterlassungserklärung zugestellt und ihm unter Androhung einer empfindlichen Geldstrafe (als Schätzwert für das Projekt werden 14 Millionen Euro festgelegt) untersagt, einige dieser Punkte in der Ratssitzung zu erwähnen und mit einer Schadensersatzforderung gedroht, sollte das Projekt scheitern.
"Es ist ein einmaliges Vorgehen, dass Ratsmitglieder im Laufe ihrer Tätigkeit mit Schadensersatzforderungen im sechsstelligen Bereich bedroht werden. Wir sehen uns nicht in der Lage, aktuell über die Änderung des B-Plans abzustimmen", führte Hansjörg Siede seinen Antrag aus. Es sei extrem schwierig abzustimmen, wenn dem Rat von außen mit einer Klage gedroht werde und noch nicht mal entschieden sei, ob die Klage rechtmäßig ist oder nicht. "Es geht hier nicht um die UWG, sondern um die Frage: Darf ein Investor gegenüber dem Gemeinderat solche Drohungen aussprechen?" Unterstützung erhielt er von seinem Ratskollegen Karl-Heinz Glaeser (Grüne): "Ich halte hier die demokratischen Grundsätze für verletzt. Es ist wichtig zu erkennen, dass diese Abmahnung den demokratischen Prozess in unserem Hause betrifft. Eine solche Vorgehensweise ist für uns völlig neu. Deshalb schließen wir uns dem Antrag an."
Jesteburgs Bürgermeister Udo Heitmann (SPD) unterbrach Siede bei der Begründung der Antragstellung, er war gegenteiliger Ansicht. "Es geht hier um den Abschluss eines mehrjährigen Planverfahrens. Darüber sollten wir entscheiden und nicht über emotionale Befindlichkeiten. Dass wir die Unterlassungserklärung hier diskutieren, lasse ich nicht zu!" Für Jörg Berberich (CDU) und Hans-Jürgen Börner (SPD) gab es ebenfalls keinen Grund, den Bebauungsplan nicht zu beraten: Man müsse die juristische Auseinandersetzung von der Ratsarbeit trennen, die Unterlassungserklärung dürfe keine Auswirkungen auf die parlamentarische Ratsarbeit haben. Laut Philipp-Alexander Wagner (FDP) seien die Argumente für oder wider die Erweiterungspläne von Hof & Gut bereits lange ausgetauscht und es insofern auch möglich, eine Entscheidung zu treffen. Hatte Heitmann noch vor der Sitzung gemahnt, sachlich knapp die Argumente zu den Beschlüssen auszutauschen, so wurde die Auseinandersetzung zwischen den Ratsleuten zunehmend heftiger und die Stimmung aggressiver. Schließlich stimmten elf Ratsmitglieder dafür, Hof & Gut von der Tagesordnung zu nehmen, und elf dagegen - mit diesem Gleichstand wäre der B-Plan beraten worden. Doch eine Formalie kippte die Entscheidung. Mit abgestimmt hatte Julia Neuhaus (CDU), die per Videokonferenz zugeschaltet war. Dies wurde bereits in vergangenen Sitzungen so praktiziert. Formal war Julia Neuhaus aber nicht abstimmungsberechtigt, denn noch ermöglichte die Hauptsatzung nicht, das Abstimmen im Krankheitsfall auch online zu ermöglichen. Die Änderung sollte erst im weiteren Verlauf der Sitzung beraten werden und ab 1. August in Kraft treten. Als Hansjörg Siede darauf hinwies und Jesteburgs Gemeindedirektorin Claudia von Ascheraden dies bestätigte, eskalierte die Situation völlig. "Auch wenn Claudia von Ascheraden sagt, dass die Abstimmung nicht korrekt war, bin ich dafür, dass wir das richtig abgestimmt haben", polterte Udo Heitmann. Aus Aydin Yakin (CDU) brach es heraus: "Wäre ich in der UWG, würde ich mich schämen. Mit so dubiosen Mitteln die Ratssitzung auszuhebeln." Doch es nützte nichts: Mit elf zu zehn Stimmen wurde "Hof & Gut" von der Tagesordnung gestrichen. Insgesamt hatte das Spektakel rund um den B-Plan "Itzenbüttel Ortsmitte" rund anderthalb Stunden gedauert. Nach einer Sitzungsunterbrechung tagte der Rat noch bis 23 Uhr, konnte aber viele Themen nicht mehr beraten.
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Sitzung wird am 20. Juli fortgesetzt
Um kurz nach 23 Uhr schloss Udo Heitmann die Sitzung. Der Großteil der Tagesordnungspunkte war da noch nicht mal beraten worden. Deshalb wird die Sitzung des Jesteburger Gemeinderates fortgesetzt am Mittwoch, 20. Juli, um 18 Uhr in der Schützenhalle (Am Alten Moor 10).
Der Rat diskutiert dann (voraussichtlich) über eine Containeranlage für Geflüchtete, Klimaschutzmaßnahmen, Mobilfunk am Osterberg, den Haushaltsabschluss 2021 und den Jestepark.
Angriff auf die Demokratie
"Moment mal" von WOCHENBLATT-Redakteurin Anke Settekorn
Die Erweiterungspläne von "Hof & Gut" sind in Jesteburg und Itzenbüttel seit Jahren umstritten. Auf der Ratssitzung wurde deutlich, wie verhärtet die Fronten zwischen Kritikern und Befürwortern sind. Zwischenzeitlich heizte sich auch die Stimmung bei den Besuchern auf. Durch laute Zwischenrufe fielen die Unterstützer Axel Brauers auf, allen voran Dierk Beneke - Bürgermeister in Heidenau und als solcher mit dem Prozedere von Ratssitzungen eigentlich vertraut. Jesteburgs Bürgermeister Udo Heitmann wurde seiner Aufgabe als Ratsvorsitzender nicht gerecht, die Sitzung sachlich zu leiten. Stattdessen ließ er sich von seinen Emotionen treiben.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Hof und Gut Agrarwirtschaft GmbH und Co. KG versucht, Kritiker zum Schweigen zu bringen, z.B. mit einer Unterlassungsklage.
Ein Ratsmitglied dafür haftbar machen zu wollen, sollte eine Entscheidung wider die Erweiterungspläne getroffen werden, ist jedoch etwas anderes, als eine Richtigstellung von angeblichen Falschaussagen zu fordern. Es ist ein Angriff auf die Demokratie. "Was geht mich das an?", scheinen einige Ratsmitglieder zu denken. Dabei wurde versucht, ein Mitglied ihres Gremiums vor einer Abstimmung mundtot zu machen. Hier müsste der Gemeinderat ein Zeichen setzen: Drohgebärden wie diese haben bei uns keinen Erfolg. Doch statt Solidarität und Geschlossenheit zeigten die Ratsmitglieder am Mittwoch - wie so oft - Zwietracht.
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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