"Aktien sind als Anlage am attraktivsten"
Kapitalmarktforum der Sparkasse Stade-Altes Land mit Ausblick für 2019 / Chefvolkswirt Dr. Holger Bahr informiert
ab. Jork. Das größte Risiko geht von Italien aus, sagte Dr. Holger Bahr, Chefvolkswirtschaft bei der DeKaBank. Warum das so ist und warum das Investieren in Aktien nach wie vor der beste Weg zum Geldanlegen ist, erläuterte der Finanzexperte in seinem Konjunktur- und Kapitalmarktausblick den Besuchern des Kapitalmarktforums der Sparkasse Stade-Altes Land in Jork.
"Was nun, Frau Notenbank?" Unter diesem Titel informierte Dr. Holger Bahr kurzweilig und unterhaltsam am Dienstagabend im "Hotel Altes Land" über die Verquickung zwischen Weltwirtschaftslage und Finanzpolitik. Für deutsche und europäische Märkte sei 2018 ein "unerfreuliches Jahr" gewesen, so Bahr. "Es hat unfassbar viele schlechte Nachrichten gegeben: Brexit, Handelskonflikte, Italien." Andererseits sei man der Finanzkrise dank Nullzinspolitik und Wertpapierankäufen "Herr geworden". Aber Nullzinsen seien "nicht normal" für Zins- und Aktienmärkte. Sie suggerierten, dass es jetzt günstiger sei, sich zu verschulden. Der Experte erwartet erst Mitte 2020 eine Abkehr vom Nullzins.
Er schilderte mehrere negative Szenarien und ihre Auswirkungen, allen voran Italien als größtes Risiko für die deutsche Wirtschaft. Italien gehe mit seiner populistischen Regierung immer noch auf Konfrontationskurs mit der EU: Italien will seine Defizitpläne nach dem Streit mit der EU im Haushalt auf eine Neuverschuldung von zuerst 2,4 Prozent auf 2 Prozent drücken. Holger Bahr hält das für unrealistisch. Er warnte aber auch vor einem EU-Austritt Italiens, denn die Kapitalmärkte in der EU seien eng miteinander verflochten. "Wenn Italien aus dem Euro austritt, wird es richtig hässlich."
Auf Platz zwei der Negativszenarien rangiere die USA, oder vielmehr der amerikanische Präsident, der eine Zollschranke, besser noch "ein Brett vor dem Kopf", habe. Noch schwele der Konflikt vor allem zwischen den USA und China, sollte er sich ausweiten, heiße es bald: jeder gegen jeden. Zollerhebungen der Trump'schen Regierung seien für die Amerikaner bereits spürbar, zum Beispiel für die Autobauer, die durch die höheren Zölle Stahl teurer einkaufen müssten.
Erst an dritter Stelle im Negativszenario sieht der Finanzfachmann den Brexit. "Vielen Befürwortern ist wahrscheinlich nicht klar, dass sie nach dem EU-Austritt nur noch eine Nordseeinsel sind." Ein ungeordneter Brexit werde ein Desaster, das, so Bahr, "vor allem die Briten deutlich zu spüren bekommen". Alle drei Problemfälle seien aber mit vernünftigen Entscheidungen zu bewältigen.
Holger Bahr blickte auch positiv in die Zukunft: Weltweit werde derzeit Wirtschaftsgeschichte geschrieben. In Deutschland beispielsweise gebe es den längsten Aufschwung seit 1949. Die Arbeitslosigkeit sei niedrig wie selten zuvor. Das Weltwirtschaftseinkommen sei deutlich gestiegen, die Weltarmut dagegen erheblich gesunken, "auch wenn das nicht für alle Länder gilt", ergänzte Bahr. Die Weltwirtschaft wachse - wenn jetzt auch etwas langsamer - weiter, was vor allem der Globalisierung und Digitalisierung zu verdanken sei.
Dem technischen Fortschritt solle sich niemand verschließen: Durch die Digitalisierung gingen laut Prognosen weltweit zwar 70 Mio. Jobs verloren, die aber 130 Mio. neuen Jobs gegenüberstünden.
Die US-Notenbank Fed habe den Zinssatz seit 2015/16 schrittweise erhöht, das käme in Deutschland auch, "vermutlich in fünf bis sechs Jahren", prognostizierte Bahr. Erst dann werde die Europäische Zentralbank den Zins wieder anheben.
Holger Bahr legte seinem Publikum den Erwerb von Aktien ans Herz. In der Ertragserwartung der kommenden fünf Jahre brächten sie die meiste Rendite, gefolgt von Emerging-Market- und Hochzinsanleihen, Rohstoffen und Immobilien. Unternehmensanleihen, Geldmarkt und Bundesanleihen lägen mit ihren Erträgen unterhalb der Inflationsgrenze. "Bundesanleihen sind zwar sehr sicher, bieten aber kaum Ertrag." Bahr empfahl Anlegern in deutsche und europäische Aktien zu investieren.
Redakteur:Alexandra Bisping |
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