Ankommen in Neu Wulmstorf
Geflüchtete berichten über ihre Erlebnisse
"Flucht ist kein Abenteuer", fasst Ludger Menke, Leiter der Bücherei Neu Wulmstorf, die Berichte der Menschen zusammen, die Anfang Mai rund 50 interessierten Gästen über ihre Flucht und ihr Ankommen in Neu Wulmstorf berichteten.
"Der Weg über die Türkei, Griechenland und die Balkonroute war richtig schwer", sagt Ali M. aus Pakistan, der 2016 als Flüchtling nach Neu Wulmstorf kam. "Niemand macht das aus Spaß."
Jana R. aus Mariupol in der Ukraine floh über das Baltikum mit der Fähre nach Kiel und lebt seit August 2022 mit ihrer Familie in einer Gemeinschaftsunterkunft in Neu Wulmstorf. "Wir sind froh, dass wir in Frieden schlafen können", sagt sie. „Vor unserer Flucht saßen wir drei Wochen im Keller bei Dauerbombardement.“
„Flucht damals und heute – Ankommen in Neu Wulmstorf“ hatten die Veranstalter Heidesiedlung e.V., Netzwerk Willkommen in Neu Wulmstorf, Bücherei und Archiv der Gemeinde ihre Gesprächsrunde in der Aula der Grundschule an der Heide benannt. So waren auch viele Bürgerinnen und Bürger gekommen, die in Neu Wulmstorf nach den Kriegsjahren ab 1945 eine neue Heimat fanden. „In den Dörfern gab es Klagen: auf jeden Bauernhof kommen Flüchtlinge“, berichtet Armin Hinz, „aber in Neu Wulmstorf waren wir in der Mehrheit.“ Vertriebene und Ausgebombte aus Hamburg ließen Neu Wulmstorf in der Nachkriegszeit stark anwachsen. Hinz‘ Mutter stammt aus Bessarabien, das es heute nicht mehr gibt. Vor ca. 200 Jahren wanderten Deutsche aus wirtschaftlichen Gründen ans Schwarze Meer aus. Heute liegen Teile des ehemaligen Staates in der Republik Moldau und der Ukraine.
„Meine Eltern wurden nach dem Hitler-Stalin-Pakt nach Westpreußen umgesiedelt“, berichtet Hinz. „Nach 1945 flüchteten sie von dort in die Lüneburger Heide.“ Ingo Hirschkorn, ebenfalls Bessaraber, ergänzt: "Wir wurden nach Polen umgesiedelt, und die Polen wurden einfach weggejagt von ihren Höfen", sagt Ingo Hirschkorn. "In Rübke galten wir dann als Russen, dabei sagte unsere Lehrerin: "Ihr sprecht besseres Hochdeutsch als die Kinder hier!"
Olga Krögers Eltern waren weder Deutsche, noch hatten sie irgendwelche Rechte: Sie wurden als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt. "Da ihre Heimat auch zerstört war, blieben sie hier, zehn Jahre in der Barackensiedlung im Munsterlager“, erzählt sie. Ich hatte sehr große Schwierigkeiten, mich einzuleben. Ich war die Russin, dabei war ich Ukrainerin!" Heute hilft sie ukrainischen Familien, in Neu Wulmstorf eine Wohnung zu finden.
Armin Hinz wies wie Mustafa R. aus Syrien darauf hin, dass Eigeninitiative und Motivation immens wichtig waren, um in Neu Wulmstorf Fuß zu fassen. "Ich habe mich hier nie fremd gefühlt", sagt Mustafa R., "ich habe alle Veranstaltungen des Netzwerkes Willkommen in Neu Wulmstorf mitgemacht, auch wenn ich zuerst kaum etwas verstanden habe. Mein Ziel war es, Deutsch richtig zu beherrschen." Inzwischen hat Mustafa R. das Deutsch-Niveau C1 erreicht, ein besseres Grammatikverständnis als manch Einheimischer; außerdem hat er eine Arbeit gefunden in seiner Profession, der Angewandten Statistik.
Motaz A., ebenfalls aus Syrien geflüchtet, sagt: "Syrien ist mein Mutterland, aber Deutschland ist mein Vaterland." Ali M. hat das Boßeln die Integration erleichtert; bei einem Boßel-Turnier in Rübke 2016, bei dem das Netzwerk mit einer Gruppe aus Ehrenamtlichen und Geflüchteten angetreten war, entdeckte die gegnerische Gruppe sein Talent. Es folgten der Vereinseintritt, 2020 und 2021 wurde Ali M. Meister. Die Gemeinschaft der Boßeler verhalf ihm auch zur ersten eigenen Wohnung. Eine Wohnung sucht die Sozialarbeiterin Jana R. mit ihrem Mann und den zwei Kindern immer noch, in der Gemeinschaftsunterkunft teilen sie sich ein Zimmer. Wer eine Wohnung vermieten möchte, meldet sich bitte beim Netzwerk Willkommen in Neu Wulmstorf, Tel. 040-72828177.
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