16-tägiges Programm im Landkreis Harburg
Frauenrechte sind nicht verhandelbar
Der gefährlichste Ort für eine Frau ist ausgerechnet das eigene Zuhause und die Täter keine Unbekannten: Statt Sicherheit droht in den eigenen vier Wänden Gewalt durch den Partner oder Ex-Partner. Jeder vierten Frau in Deutschland geht das so in ihrem Leben. Gewalt gegen Frauen ist alltäglich – und weit mehr als körperliche Angriffe und Schläge: Auch Bedrohungen, Beschimpfungen und Kontrolle sind ebenso Formen von Gewalt wie Cybermobbing oder Sexting im Internet. „Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter und findet auch bei uns im Landkreis Harburg statt“, sagt Andrea Schrag, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Harburg, anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am Montag, 25. November. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Landkreis Harburg organisieren dazu vom 25. November bis zum 10. Dezember die 16-Tage-Kampagne gegen Gewalt an Frauen mit einem vielfältigen Veranstaltungsprogramm.
Alle vier Minuten Gewalt an Frauen
Die Zahlen sind erschreckend: Das Bundeskriminalamt hat für 2023 dokumentiert, dass 331 Frauen Opfer von versuchten oder sogar vollendetem Mord oder Totschlag wurden. Alle zwei Tage wurde eine Frau durch ihren Partner bzw. Ex-Partner getötet. Und sogar alle vier Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch den Partner oder Ex-Partner. Entsprechend groß sei der Handlungsbedarf, betont Andrea Schrag und verweist auf den Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung, die das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder absichern und einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern sicherstellen will. „Die Verabschiedung eines Gewalthilfegesetzes mit gesicherter und ausreichender Finanzierung wäre ein entscheidender Schritt, um Betroffenen den Schutz zu geben, den sie brauchen“, sagt Andrea Schrag. „Mit dem Gesetz kann die Bundesregierung ein zentrales Versprechen einlösen sowie ihre Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention und der EU-Gewaltschutzrichtlinie umsetzen.“
Darauf macht auch die 16-Tage-Kampagne unter dem Motto „#FrauenrechteSindNichtVerhandelbar“ aufmerksam. „Wir wollen ein klares Zeichen setzen und die Gesellschaft sensibilisieren“, sagen die Gleichstellungsbeauftragten im Landkreis Harburg. „Gerade deshalb sind Aktionen wie die 16-Tage-Kampagne wichtig, um eine Haltung zu schaffen, die Gewalt gegen Frauen und Mädchen nicht toleriert und akzeptiert. Vor allem aber wollen wir Frauen ermutigen, sich Hilfe zu holen, und auf Angebote zur Gewaltprävention hinzuweisen“, betonen die Gleichstellungsbeauftragten. Schließlich sind Gewalterfahrungen in vielen Fällen kein einmaliges Erlebnis. Gerade bei häuslicher Gewalt erleiden die Frauen oftmals ein jahrelanges Martyrium, bis sie sich Hilfe holen.
Dunkelziffer ist noch höher
Kommt es im Landkreis Harburg wegen häuslicher Gewalt zu Polizeieinsätzen, stellt diese den Kontakt zur Beratungsstelle BISS her. Die BISS hatte 2023 zu 585 Frauen im Landkreis Harburg Kontakt. Dort kann aber nur eine Erstberatung stattfinden, für weitergehende umfassende Unterstützung und als Ansprechpartnerin gibt es seit November 2019 eine Beratungsstelle für alle Mädchen und Frauen, unabhängig vom Zeitpunkt und der Art der erlebten Gewalt. 153 Fälle verzeichnete die Einrichtung im vergangenen Jahr. „Die Dunkelziffer ist noch um einiges höher, da viele Betroffene aus Angst oder vor Scham lieber schweigen, anstatt sich gegen ihre Peiniger zu wehren“, so Andrea Schrag. „Das zeigt, wie wichtig dieser internationale Tag gegen Gewalt an Frauen ist.“
Von den Vereinten Nationen initiiert, geht der Internationale Gedenktag auf die Ermordung der drei Schwestern Mirabal zurück, die am 25. November 1960 in der Dominikanischen Republik vom militärischen Geheimdienst nach monatelanger Folter getötet wurden. Sie waren im Untergrund tätig und hatten sich an Aktivitäten gegen Diktator Rafael Leónidas Trujillo beteiligt. Ihr Mut motiviert bis heute Frauen und Männer, gegen Unrecht und Unterdrückung einzutreten.
Umfassendes Programm
Rund um den Gedenktag findet im Landkreis Harburg die 16-Tage-Kampagne „Gegen Gewalt an Frauen“ statt. Dazu gibt es bis zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember ein beeindruckendes Veranstaltungsprogramm. Institutionen, Vereine und Einrichtungen sowie die Gleichstellungsbeauftragten bieten unter dem Motto „Frauenrechte sind Menschenrechte“ Workshops, Vorträge und Veranstaltungen.
Den Auftakt bildet am Montag, 25. November, von 10 bis 15 Uhr ein Aktionstag im Krankenhaus Buchholz zum Thema häusliche Gewalt. „Der Weg zur Entschädigung – Vom Trauma zur Unterstützung“ lautet das Thema eines Vortrags zum Opferentschädigungsgesetz und zu Traumafolgestörungen am 26. November um 18 Uhr im KikIn Winsen (Schmiedestraße 3).
Welche Auswirkung hat die fehlende Berücksichtigung geschlechterspezifischer Unterschiede bei Datenerhebungen? Welche teilweise fatalen Folgen ergeben sich daraus für Frauen“ Um diese Fragen geht es bei einer Diskussion am 27. November um 19 Uhr in der Zukunftswerkstatt Buchholz.
Die Ausstellung „Herzschlag – Wenn aus Liebe Gewalt wird” ist vom 29. November bis zum 10. Dezember im Winsener Rathaus zu sehen. Die Präventionskampagne für gesunde Paarbeziehungen des Landeskriminalamtes Hannover informiert auf zehn Stellwänden über die Formen von Gewalt in Partnerschaften. Auf den Tafeln finden sich über QR-Codes auch Links zu Filmen und Audiodateien. Neben den Gedanken von Betroffenen gibt die Ausstellung auch Einblick in die Folgen für Kinder und sensibilisiert insgesamt das Umfeld für Anzeichen von Gewalt.
Die Angst, Opfer einer Gewalttat zu werden, ist altersunabhängig bei vielen Frauen präsent. Schutz vor der Opferrolle – darum geht es bei Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskursen. Ein WenDo-Kurs für Mädchen ab 12 Jahren findet am 29. November ab 15 Uhr statt. Infos dazu gibt es in den Jugendzentren. Ein Gewaltpräventions- und Selbstverteidigungskurs für Frauen ab 16 Jahren wird am Sonnabend, 30. November, um 10 Uhr in der Budo-Halle Winsen angeboten (Anmeldung bis zum 25. November: riebau@stadt-winsen.de) sowie am 30. November um 10 Uhr in der Buchholzer Höfe (Anmeldung: www.kvhs-harburg.de unter Angabe der Kursnummer 242A361BU) . Eine Einführung in die Selbstverteidigung wird beim TuS Fleestedt für Mädchen und Frauen ab 14 Jahren am 6. Dezember um 18 Uhr angeboten (Anmeldung: Gleichstellung@seevetal.de) .
„Stop Gewalt gegen Frauen – „Licht ins Dunkle bringen” heißt es bei einem ökumenischen Gottesdienst am 29. November um 18.30 Uhr in der St.-Petrus-Kirche Buchholz. Im Mittelpunkt steht die biblische Gestalt der Sara.
Unter dem Motto „Gewalt Halt: Jede Frau braucht einen sicheren Platz“ wird am 30. November ab 10 Uhr in der Buchholz-Galerie über Prävention und sichere Plätze informiert, außerdem gibt es Adventsplätzchen.
Im Beruf und auch privat ist es wichtig, Selbstfürsorge zu entwickeln und aus der Opferrolle herauszukommen. Nachsicht mit sich selbst haben und den Mut entwickeln, Grenzen zu spüren und zu setzen, sind elementare Bestandteile der Selbstfürsorge. Praktische Übungen erlernen die Teilnehmerinnen bei einer Online-Veranstaltung am 4. Dezember um 19 Uhr (Anmeldung: (Anja Cords, 04181- 940 56 36 oder kontakt-bu@feffa.de).
Selbstbewusst Auftreten ist auch Thema eines Präsenztrainings für Frauen der KVSH am 7. und 8. Dezember im Kabenhof Buchholz (Anmeldung: www.kvhs-harburg.de , Kursnummer 242A344BU) .
Auf das Thema häusliche Gewalt auch die Brötchentütenaktion und einem Infostand auf dem Salzhäuser Wochenmarkt am 6. Dezember von 13 bis 16.30 Uhr auf dem Wochenmarkt Salzhausen aufmerksam.
Der Kinofilm „Morgen ist auch noch ein Tag” zum Thema häusliche Gewalt und Diskriminierung wird am 10. Dezember um 17.30 Uhr im Movieplexx-Kino Buchholz gezeigt.
Außerdem findet während der gesamten Kampagnenzeit die Banneraktion „Stop Gewalt gegen Frauen“ in allen Kirchengemeinden statt, an den Kirchen und Gemeindehäusern wird ein deutliches Statement gegen jegliche Form von geschlechtsspezifischer Gewalt gesetzt. An vielen Rathäusern und auch am Kreishaus wehen Fahnen.
Infos zu allen Veranstaltungen gibt es unter https://www.landkreis-harburg.de/16-tage-kampagne sowie in einer Broschüre, die unter anderem in öffentlichen Einrichtungen und Beratungsstelle ausliegt. Eine Übersicht über Hilfeangebote findet sich auch unter www.gghglkh.de.
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