"Es gab eine große Solidarität"
Gelebte Geschichte 1945: Freilichtmuseum am Kiekeberg zeigt das Leben in der Nachkriegszeit
as. Ehestorf. Checkpoints britischer Soldaten, Kriegsheimkehrer und Schwarzmarkt: Der Alltag nach dem Zweiten Weltkrieg wird lebendig im Freilichtmuseum am Kiekeberg (Am Kiekeberg 1) in Ehestorf, wenn am Samstag und Sonntag, 28. und 29. Mai, je von 10 bis 18 Uhr die Darsteller der Gelebten Geschichte 1945 sowie weitere Living-History-Darsteller das Museumsgelände bespielen.
Sie zeigen authentisch die Lebenssituation der Zeit: Not und Improvisation, den Neuanfang von Flüchtlingen und Vertriebenen, das Leben in Notunterkünften oder Einquartierungen, aber auch die allmähliche Verbesserung der Umstände bis zum Wirtschaftswunder. "Vor dem Hintergrund des Kriegsgeschehens in der Ukraine werden aktuell viele Vergleiche gezogen. Wir merken, dass Themen wie Inflation etc. wieder aktuell werden", sagt Verena Pohl, Leiterin der Volkskunde-Abteilung im Freilichtmuseum am Kiekeberg. "Der Krieg betrifft uns alle, auch wenn wir glauben, dass das weit weg ist." Deshalb sei es jetzt wichtig, ein Bewusstsein für die Vergangenheit zu schaffen.
Mit der Gelebten Geschichte 1945 möchte das Freilichtmuseum gegen das Vergessen ankämpfen. Unter anderem zeigen die Darsteller, wie ein Flüchtlingstreck aus Ostpreußen ankommt. Im Landkreis Harburg hatte sich die Bevölkerung nahezu verdoppelt, von 62.602 Bewohnern im Jahr 1939 auf 124.397 Menschen im Jahr 1949. Im Freilichtmuseum ist zu sehen, wie die Flüchtlinge auf Unterkünfte verteilt werden, an der Essensausgabe versorgt werden oder Kaffee aus Eicheln kochen. Kontrollen der Militärpolizei werden ebenso dargestellt wie die ärztliche Untersuchung der Geflüchteten. "Die Beziehung von Einheimischen und Flüchtlingen war damals zwiegespalten: Einerseits wurde gegen die Unterbringung von Geflüchteten protestiert, andererseits gab es eine große Solidarität unter den Menschen", berichtet Nicole Naumann, wissenschaftliche Leiterin der Gelebten Geschichte. Viele der Geflüchteten, die im Landkreis Harburg ankamen, haben sich als Deutsche gefühlt. Von den Einheimischen wurden sie jedoch als fremd wahrgenommen.
Kaffee aus gerösteten Eicheln, „Falsche Leberwurst“ als Fleischersatz, Selbstversorgung aus dem Notgarten und Tauschhandel: "Es geht nicht darum, Krieg zu spielen - sondern den Besuchern einen Eindruck vom Leben in der Nachkriegszeit zu vermitteln", betont Torsten Riebesel, Koordinator der Gelebten Geschichte. Das Besondere an der Gelebten Geschichte: Die Besucher können mit den Darstellern sprechen und ihnen Fragen stellen. "Unsere Gelebte-Geschichte-Darsteller sind so ausgebildet, dass sie einerseits im Dialog mit den Besuchern erklären können, was hier warum passiert - und andererseits auch Bezüge zu aktuellen Themen herstellen können", sagt Riebesel.
• Infos unter www.kiekeberg-museum.de.
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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