Mahnwache vor dem Rathaus
Seevetaler Parteien beziehen Stellung
Im ganzen Land finden seit dem Geheimtreffen der Afd Proteste und Demonstrationen gegen rechts statt. Viele Parteien des Gemeinderats Seevetal nahmen den „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“ als Anlass, zu einer Mahnwache aufzurufen.
Am Samstag, 27. Januar, trafen sich Vertreterinnen und Vertreter von SPD, Grünen, FDP, Freien Wählern und der CDU im Andenken an die Opfer des Holocausts vor dem Seevetaler Rathaus.
Recht auf Religionsfreiheit ist indiskutabel
Markus Warnke, Pressesprecher der CDU-Fraktion im Rat der Gemeinde Seevetal, äußert sich in der diesbezüglichen Pressemitteilung wie folgt: „Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine grundlegende Verantwortung von uns allen. #NieWiederIstJetzt muss mehr als ein Slogan sein; es muss sich in unserem täglichen Handeln als Demokraten und Bürgerinnen und Bürger dieses Landes widerspiegeln. Es ist inakzeptabel und zutiefst besorgniserregend, dass im Jahr 2024 Jüdinnen und Juden in Deutschland Angst empfinden müssen, ihre Religion frei auszuüben.“
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Um ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus und für Religionsfreiheit zu setzen, blieb es nicht wie häufig üblich bei einer schweigenden Mahnwache. Neben Svenja Stadler (Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Landkreis Harburg) hielten auch Dr. Bernd Althusmann (CDU, Landtagsabgeordneter) und Pastor Henning Seifert aus Meckelfeld eine Ansprache an die rund 150 Teilnehmenden der friedlichen Mahnwache.
Besonders bewegend: die Rede von der Seevetalerin Vivane Fux (Grüne).
Als Kind eines jüdischen Überlebenden und späteren Dolmetschers der Nürnberger Prozesse konnte sie den Teilnehmern die Kernbotschaft ihrer Rede mit sachlicher Melancholie vermitteln: "Wir setzen heute ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus. Dafür stehen wir alle hier. Wir dulden keinen Antisemitismus und wir wollen nicht schweigen. Nie wieder ist jetzt!" Fux beendete ihre Rede mit den Worten: "Ich wünsche mir endlich Frieden auf der Welt – Shalom."
Die vollständige Rede der Ramelsloherin:
Ein Zeichen setzen gegen Antisemitismus
Der jüdische Belgier Georges, im Oktober 1911 geboren, verbrachte lange Zeit in Kriegsgefangenschaft im Konzentrationslager.
Da er seinen mosaischen Pass nicht bei sich trug, wurde er nicht als Jude erkannt. Aufgrund seiner vielfältigen Sprachkenntnisse wurde er als Dolmetscher eingesetzt.
1943 konnte er fliehen und wurde in Österreich von Bauern bis Kriegsende versteckt gehalten.
Er schloss sich den Amerikanern an und war bei der Befreiung des KZs Mauthausen in Österreich dabei, und er hat Schreckliches, Unvorstellbares gesehen.
Danach begab er sich zusammen mit Simon Wiesenthal auf Nazi-Jagd, vornehmlich in Krankenhäusern, in denen Nazis durch ihre SS-Tätowierungen unter dem Arm identifiziert werden konnten.
Simon Wiesenthal war ein österreichisch-jüdischer Architekt, Publizist und Schriftsteller. Als Überlebender des Holocausts machte er nach seiner Befreiung aus dem KZ Mauthausen im Mai 1945 die „Suche nach Gerechtigkeit für Millionen unschuldig Ermordeter“ zu seiner Lebensaufgabe.
Insgesamt wurden 13 Angehörige von Georges in Auschwitz und Treblinka vergast. Bei den Nürnberger Prozessen hatte Georges, ein Überlebender, als Dolmetscher mitgewirkt.
1948 heiratete er die Deutsche Helene in Bremen. Helenes Vater war ein Nazi und für Georges war die Situation als ausländischer und jüdischer Schwiegersohn nicht einfach. 1958 kam die erste Tochter auf die Welt. Diese Tochter bin ich. Meine Mutter hatte damals den Arzt angefleht, in meiner Geburtsurkunde nicht die Religion meines Vaters anzugeben – vergeblich - und somit steht in meiner Geburtsurkunde: „Vater Georges, mosaisch“.
Die Angst meiner Mutter vor den Nazis - obwohl nicht jüdisch und nicht religiös - hatte sie viele Jahre unterschwellig begleitet. Und jetzt ist sie wieder da, diese Angst. Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich nicht mehr sicher in Deutschland. Sie haben Angst auf die Straße zu gehen und ihre Kinder in die Schulen zu schicken.
Häuser werden wieder mit Hakenkreuzen gekennzeichnet. Der Antisemitismus wächst. Bei vielen älteren Bürgerinnen und Bürgern, die den zweiten Weltkrieg miterlebt haben, kommt die Erinnerung an den Nationalsozialismus wieder hoch. Die Geschichte darf sich nicht wiederholen, nie wieder darf es einen Holocaust geben!
Was unterscheidet denn die Juden von anderen Menschen?
Das Judentum gehört mit dem Christentum, dem Islam, dem Hinduismus und dem Buddhismus zu den Weltreligionen. Aber warum konzentrieren viele Menschen – Gläubige und Nichtgläubige – ihren blinden Hass so sehr auf die Juden?
Manche von ihnen kennen nicht einmal einen einzigen Juden, trotzdem verurteilen sie diese Menschen, bedrohen sie und üben Gewalt gegen sie aus.
Wir dürfen keinen Antisemitismus in unserer Gesellschaft dulden.
Nie wieder ist jetzt!
Ich wünsche mir Menschen, die ihre Religionen friedlich ausüben und an einen Gott des Friedens und nicht an einen Gott des Zornes und Krieges glauben.
Ich wünsche mir Menschen, die reflektieren und hinterfragen und kritischen Auseinandersetzungen nicht aus dem Wege gehen.
Ich wünsche mir Menschen, die Recht von Unrecht zu unterscheiden wissen und Zivilcourage zeigen, wenn Jüdinnen und Juden bedroht werden.
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die sich auf Gemeinsamkeiten konzentriert und nicht auf Ungleichheiten, die sich auf das Miteinander besinnt und nicht auf das Gegeneinander.
Ich wünsche mir Offenheit und Neugierde gegenüber dem Unbekannten anstatt
grundsätzlicher Ablehnung. Ich wünsche mir Frieden in den Köpfen der Menschen und in ihren Herzen – möge endlich dieser unreflektierte Hass und diese blinde Wut enden.
Jeder Mensch hat das Recht auf sein Leben und seine Religion – solange er nicht Andere in ihren Rechten einschränkt, sie gefährdet, verletzt oder tötet. Das ist in unserem Grundgesetz verankert.
Und jeder Mensch sollte das Recht auf Frieden haben, nicht nur hier in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Ich wünsche mir mehr Menschsein mit Empathie, Rücksicht, Achtsamkeit, Toleranz und Respekt anderen gegenüber.
Wir setzen heute ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus. Dafür stehen wir alle hier. Wir dulden keinen Antisemitismus und wir wollen nicht schweigen.
Nie wieder ist jetzt!
Ich wünsche mir endlich Frieden auf der Welt – SHALOM.
Viviane Fux, 12/2023
Redakteur:Sven Rathert aus Seevetal | |
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