Startschuss im Rocker-Prozess
"Mongols" vor Gericht: Kammer mildert Anklage-Forderung der Staatsanwaltschaft / Versuchter Totschlag statt Mordversuch
tp. Stade. Mit peniblen Ausweis- und Taschenkontrollen und einem massiven Aufgebot von Sicherheitseinheiten der Polizei aus Oldenburg und Celle begann am Freitag vor der großen Strafkammer des Landgerichtes Stade der Rocker-Prozess gegen Mitglieder des Biker-Clubs "Mongols MC". Entgegen der Forderung der Staatsanwaltschaft setzte die Kammer das Anklagemaß gegen die beschuldigten Emre Ö.*, Marco Daniel A. d. M.*, Eren K.*, Schaukhmoos H.*, Renaldo S.* und Serhat K.* von versuchtem Mord auf versuchten Totschlag herab.
Die Angeklagten (26 bis 30 Jahre) sind unterschiedlicher Nationalität und stammen aus dem Raum Cuxhaven und aus Bremen. Das Sextett aus dem Rocker-Milieu soll dem "Mongols MC" nahe stehen und am 28. September 2013 abends mit 20 bis 30 weiteren Beteiligten die friedliche Biker-Party "Sound of Freedom" der konkurrierenden Motorrad-Gruppe "Gremium MC" in Freiburg aufgemischt haben. Den Angeklagten wird zur Last gelegt, vier Männer, von denen drei zur Spitze des "Gremium MC" gehören sollen, mit Waffen brutal überfallen und zum Teil lebensgefährlich verletzt zu haben. Zwei der Opfer erlitten schwere Bauch- und Kopfverletzungen und mussten noch in der Nacht notoperiert werden.
Laut Anklage haben die Täter bei dem Überfall Baseballschläger, Messer, mit Nägeln bestückte Dachlatten und ein Zimmermannsbeil verwendet. Dennoch sieht die Kammer - anders als die Staatsanwaltschaft - den Tatbestand des Mordversuchs nicht mehr erfüllt. Laut Gerichtssprecherin Petra Baars sei es schwer, den Angeklagten Mordmerkmale wie z. B. niedrige Beweggründe nachzuweisen. Es steht deshalb "nur" noch versuchter Totschlag mit gefährlicher Körperverletzung im Raum. Nur der Hauptangeklagte, Schaukhmoos H., sitzt in Untersuchungshaft in Bremervörde. Die mutmaßlichen Mittäter sind auf freiem Fuß. Alle sechs schweigen.
Da die Ermittler zumindest einige Mitglieder von "Gremium" und "Mongols" der organisierten Kriminalität zurechnen, gelten an den angesetzten 34 Verhandlungstagen des Mammut-Prozesses hohe Sicherheitsvorschriften. Und es gilt Kutten-Verbot. Zudem werden als Zuschauer Freunde und Bekannte von Opfern und Tätern erwartet werden. Auch beim Prozessbeginn am Freitag waren Angehörige der Angeklagten unter den Zuschauern.
Zuviel Respekt vor dem Ruf der Rockerbande hatte eine Schöffin: Aus Angst um ihr Leben und um das ihrer Familie ließ sich die Hilfsrichterin von ihrem Amt entbinden. Die Ehrenamtliche begründete die Entscheidung damit, dass sie die Angeklagten auf jeden Fall freisprechen würde. Das Gericht gab einem Befangeheitsantrag statt und tauschte die Schöffin aus.
Die Verhandlung geht am Dienstag, 12. August, 9.15 Uhr, weiter.
*Namen v. d. Red. gekürzt
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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