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Adieu Telefonzelle: Persönliche Erlebnisse aus der Redaktion

Viele Menschen verbinden mit den gelben Telefonzellen besondere Erinnerungen.

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  • Viele Menschen verbinden mit den gelben Telefonzellen besondere Erinnerungen.

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"Der Tod der Telefonzellen": So titelte das WOCHENBLATT schon vor mehr als drei Jahren und hatte mit dem Artikel bereits die richtige Vorahnung. Denn jetzt ist das Aus für die Münzfernsprecher endgültig besiegelt. In dieser Woche hat die Telekom bei den verbliebenen 12.000 von einst 160.000 öffentlichen Apparaten den Münzeinwurf deaktiviert. Bis Ende Januar soll auch die Kartenfunktion abgeschaltet werden. Damit gesellt sich die Telefonzelle zu den Alltags-Objekten, die früher selbstverständlich waren, heute aber eher musealen Charakter haben - wie etwa Musikkassette, Kleinbildfilm oder Videorecorder.

Die Betroffenheit in der Region wird sich allerdings in Grenzen halten. Hagelte es vor 20 Jahren noch vielerorts wütende Proteste, wenn die Telekom mal wieder eine Telefonzelle abgebaut hatte, wird sich im Handy-Zeitalter wohl niemand mehr darüber aufregen.

Die Münzfernsprecher waren zwischen Oste, Este und Lühe ohnehin schon rar gesät. Außer in den Städten Stade, Buxtehude, Buchholz und Winsen gibt es so gut wie keine Standorte mehr. In der Redaktion kann sich niemand mehr entsinnen, in den vergangenen zehn Jahren überhaupt eine Telefonzelle genutzt zu haben.

Die gelben Telefonzellen gehörten zum Ortsbild

Dennoch rief die Telekom-Meldung im Kollegenkreis Erinnerungen wach - und zwar unter den älteren Semestern. Sie denken mit etwas Wehmut an ein Zeitalter zurück, das weit vor der Jahrtausendwende lag und in dem quietschgelbe Telefonhäuschen ganz selbstverständlich zum Ortsbild gehörten.

Zur Wahrheit gehört aber auch ganz unsentimental: Die gelben Telefonzellen-Klassiker waren sicherlich keine Sehnsuchts-Orte. Bereits beim Öffnen der Tür strömte einem ein Duft entgegen, der Unheilvolles vermuten ließ. Wer die Kabinen betrat, tat das oft aus purer Not, musste dringend wegen eines Arzt- oder Behördentermins telefonieren, sich bei den Eltern melden oder sich abholen lassen, weil man den Zug verpasst hatte.

Der Tod der Telefonzellen

Fast jeder aus der Generation Ü40 hat wohl sein ganz persönliches Erlebnis mit der gelben Münzfernsprechkabine gehabt. Das sind die Erinnerungen aus der WOCHENBLATT-Redaktion:

Jörg Dammann: "Anders als heute mit dem Smartphone war das Telefonieren damals richtig teuer. Gerade tagsüber hat ein Ferngespräch viel Geld gekostet. Da waren uns alle - auch nicht ganz legale - Mittel recht, ein paar D-Mark zu sparen. Im Bekanntenkreis sprach sich herum, dass französische Centimes-Münzen in den Münzschlitz der deutschen Telefonzellen passen, was erheblich günstiger war.

Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich glaube, zehn Centimes funktionierten als Ersatz für die gleich großen und genauso schweren 50-Pfennig-Stücke. Vor einem Frankreich-Trip brachten wir die Münzen Anfang der achtziger Jahre gleich rollenweise mit und waren damit auf Monate versorgt. Die Ersparnis war immens: Zehn Centimes waren damals umgerechnet nur drei Pfennige wert."

Oliver Sander: "Ich erinnere mich vor allem an eines: Die verdammten Groschen, die immer dann mit dem markanten Klacken durch das gesamte Telefongerät rauschten, wenn ich dringend telefonieren musste. An die Versuche, das durch Rubbeln zu ändern, sodass ein stattlicher Metallabrieb zurückblieb.

Im Gedächtnis sind mir auch die zum Teil kilogrammschweren Telefonbücher geblieben, in denen fast alle Bürger verzeichnet waren, heute wegen des Datenschutzes nicht auszudenken. Ich habe zahlreiche Minuten damit verbracht, die Telefonbücher aus Hamburg - die hingen zum Teil in Telefonzellen in Lüneburg - auf der Suche nach komischen Nachnamen zu durchforsten."

Der Bücherdieb von Hedendorf

Tom Kreib: "Mitte der 1970er Jahre hatten wir noch kein Telefon. Es hatte sich daher zu einer sonntäglichen Tradition entwickelt, dass ich am frühen Abend mit zwei Mark in der Hosentasche zur einzigen Telefonzelle des Dorfes spaziert bin: Oma anrufen. Kurzer Klönschnack, dann war das Geld schon aufgebraucht. Endlos labern, wie heute mit Flatrate, kam niemandem in den Sinn. Und: Der Sonntagsspaziergang machte bei Regen oder eisiger Kälte besonders viel Spaß. Denn dann stand meist niemand wartend vor der gelben Zelle.

Bianca Marquardt: "Mit Telefonzellen verbinde ich vor allem eines: gefühlt endloses Schlange stehen. Vor einer Ferienfreizeit in Schweden wurden alle Jugendlichen von ihren Eltern aufgefordert, vor dem Ablegen der Fähre nochmal schnell anzurufen, ob wir soweit heil durchgekommen sind. Und beim Studium in Paderborn musste man sich abends schon sehr beeilen, um den afrikanischen Mitstudenten zuvorzukommen, die ein halbes Vermögen - ein Fünf-Mark-Stück nach dem anderen - einwarfen, um in die Heimat zu telefonieren. Während meine Studienkollegin und ich mit nur wenig Kleingeld im Winter bibbernd in der Kälte ausharrten."

Leseraufruf

Das WOCHENBLATT fragt Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben Sie ein besonderes Erlebnis in Verbindung mit einer gelben Telefonzelle gehabt? Schreiben Sie Ihre Geschichte auf und schicken Sie uns diese. Das geht entweder per E-Mail an: jd@kreiszeitung.net

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Mein Erlebnis mit der "gelben Telefonzelle"
Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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