Digitales Angebot ersetzt Museumsbesuch
Allein im Museum: Der Stader Schwedenspeicher in Corona-Zeiten
jd. Stade. Es sollte die wichtigste Ausstellung seit Jahren im Schwedenspeicher werden - und das Thema versprach hohe Besucherzahlen: Am 3. Oktober wurde in dem Stader Museum die mit viel Aufwand vorbereitete Sonderschau über das Pilgern eröffnet. Am 2. November schloss der Schwedenspeicher wie alle Museen aufgrund des neuerlichen Corona-Lockdowns vorerst seine Pforten. Damit der Arbeitsaufwand von zwei Jahren nicht vergeblich war, wurde die Pilger-Ausstellung vor Kurzem dem Publikum online zugänglich gemacht: Unter www.pilgerspuren.de/panorama/ wird ein virtueller Rundgang durch die Museumsräume angeboten.
Wenn Museumsdirektor Dr. Sebastian Möllers durch die aufwendig gestaltete Ausstellung geht, überkommt ihn ein wenig der Frust. All der Aufwand - und jetzt heißt es für ihn und seine Mitarbeiter auf Wochen: allein im Museum. Möllers hofft, mit der digitalen Tour wenigstens einen Teil der potenziellen Besucher zu erreichen. Er ist fest davon überzeugt: Die Sonderschau zum Thema Pilgern wäre ein voller Erfolg geworden. "In den vier Wochen, in denen die Ausstellung lief, hatten wir hervorragende Zahlen." Pilgern sei höchst populär, Hunderttausende seien Jahr für Jahr beispielsweise auf dem Jakobsweg unterwegs. Die Stader Ausstellung befasst sich vorwiegend mit den spätmittelalterlichen Wallfahrten zu den Kapellen, Klöstern und Kirchen in Norddeutschland. Dieser Heiligenverehrung setzte die Reformation ein jähes Ende, einst bedeutende Wallfahrtsorte im hohen Norden gerieten völlig in Vergessenheit.
Wer weiß etwa, dass sich nur rund 35 Kilometer von Stade entfernt ein beliebtes Pilgerziel befand: Unweit des Dörfchens Stinstedt im Landkreis Cuxhaven stand die St.-Joost-Kapelle. Dorthin strömten die Menschen des Mittelalters, um den Heiligen Jodokus zu verehren. Die Kapelle gibt es nicht mehr. Erhalten sind aber einzelne Teile des Inventars, u.a. ein Schrank aus dem 14. Jahrhundert und liturgische Gefäße. Auch diese Gegenstände werden in der Ausstellung gezeigt.
Der Heilige Jodokus ist auch auf den kleinsten Exponaten der Pilger-Schau abgebildet: Im Schwedenspeicher werden einige der sogenannten Pilgerzeichen aus dem Stader Hansehafen ausgestellt. Rund 200 dieser kleinen Metallabzeichen wurden vor sieben Jahren bei archäologischen Untersuchungen im Hafenbecken gefunden.
Was es mit diesen Zeichen auf sich hat, erläutert Möllers: "Heute bringen die Leute Pins als Reiseandenken mit, früher dienten solche Pilgerzeichen als Souvenir." Die kleinen, meist aus Zinn gegossenen Pilgerzeichen sind der eigentliche Ausgangspunkt der Ausstellung. "Das Auffinden der Zeichen im Hafenbecken war eine spektakuläre Sache", berichtet Möllers. "Es handelt sich immerhin um den bislang größten Fundkomplex dieser Art in Deutschland."
Möllers hätte sich gefreut, wenn möglichst viele Menschen diese oftmals sehr filigran und detailreich ausgearbeiteten Miniatur-Kunstwerke persönlich in Augenschein genommen hätten. Für ihn ist es nun ein gewisser Trost, dass die Pilgerzeichen jetzt am heimischen Bildschirm bestaunt werden können.
Ermöglicht wurde die Digitalisierung der Ausstellung dank Zuschüssen aus dem Konjunkturprogramm "Neustart Kultur", mit dem die Bundesregierung die Folgen der Pandemie für den Kunst- und Kulturbereich abmildern wollte. Umgesetzt wurde das Projekt von dem Hamburger Fotografen Patrick Lux (www.360lux.de). Er hat die Museumsräume dazu mit einem speziellen Objektiv fotografiert. Die so entstandenen Panoramafotos wurden am Computer zu einem interaktiven 360-Grad-Rundgang mit anklickbaren Elementen, Ton- und Videoeinspielungen zusammengesetzt.
Möllers hofft aber weiterhin, dass bald auch wieder ein realer Besuch der Ausstellung möglich sein wird. "Regulär wäre die Ausstellung noch bis zum 14. Februar zu sehen", sagt der Museumschef. Derzeit wird mit den Leihgebern darüber verhandelt, ob die Exponate noch länger im Schwedenspeicher bleiben dürfen.
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