Kaufhausruine stand sechs Jahre lang leer
Das bittere Ende von Hertie in Stade

Im Sommer 2009 stand fest: Hertie in Stade wird es künftig nicht mehr geben | Foto: WOCHENBLATT
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jd. Stade. Vor drei Jahren wurde in der Stader Innenstadt das Einkaufszentrum "Neuer Pferdemarkt" in Betrieb genommen, ein Jahr später erfolgte die offizielle Eröffnung des dazugehörigen Parkhauses. Von den Vorgängerbauten ist nichts übrig geblieben. Das ehemalige Kaufhaus Hertie und das marode Parkhaus wurden 2016 komplett abgerissen. Das WOCHENBLATT beschäftigt sich in einer dreiteiligen Serie mit der Geschichte von Hertie in Stade. In der letzten Folge geht es um die letzten Jahre.

Er war dabei, als Hertie 1976 in Stade eröffnet wurde, er erlebte in leitender Position über Jahrzehnte die Höhen und Tiefen des Kaufhauses und er gehörte zu den Letzten, die noch die Stellung hielten, als alles zu Ende ging: Reiner Klintworth leitete viele Jahre lang die Lebensmittelabteilung der Stader Hertie-Filiale bzw. Karstadt-Filiale (ab 1996). Als die kleineren Karstadt-Standorte - zu ihnen zählte auch Stade - 2005 an den britischen Finanzinvestor "Dawnay Day" verkauft und später in "Karstadt kompakt" umbenannt wurden, verblieb Klintworths Abteilung aber beim Karstadt-Konzern.

Er und sein Team wurden damit nicht wieder zu "Hertianern", als das Kaufhaus 2007 seinen alten Namen zurückerhielt und nach elf Jahren wieder der Hertie-Schriftzug über dem Eingang angebracht wurde - allerdings in geschwungenen Lettern. Die neuen Hausherren von der Insel waren wohl der Ansicht, dass diese Schriftart moderner wirkte. Doch die Erwartungen, die die Mitarbeiter in die Umbenennung steckten, erfüllten sich nicht.

Das waren Zeiten: Als es in Stade noch Hertie gab

Für Klintworth ist im Nachhinein klar: "Die Versprechungen der Briten waren damals heiße Luft. Das waren keine Investoren, sondern eher Heuschrecken, die schnelles Geld mit dem Deal machen wollten." Tatsächlich war die zweite Hertie-Ära nur eine kurze Episode: "Dawnay Day" habe sich "mit Immobilien verspekuliert", berichtete das WOCHENBLATT. Ein Jahr später stellten die Engländer die Zahlungen ein, im Sommer 2008 meldete Hertie Insolvenz an, die Filialen wurden nach und nach geschlossen.

"Hertie-Aus besiegelt" titelte das WOCHENBLATT schließlich Ende Juni 2009: "100 Beschäftigte verlieren ihre Jobs." Am 8. August 2009 war das Stader Haus zum letzten Mal geöffnet. Auch die 2.500 Unterstützungsunterschriften, die binnen zwei Tagen gesammelt wurden, nützten da nichts mehr. "Für die Lebensmittelabteilung bedeutet dies ebenfalls das Ende", sagt Klintworth. "Wir waren ja nur Mieter und mussten jetzt auch raus."

Der neue Schriftzug (oben) wirkte zwar moderner, hatte aber auch keine Zukunft mehr | Foto: jd/tp
  • Der neue Schriftzug (oben) wirkte zwar moderner, hatte aber auch keine Zukunft mehr
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Klintworth fühlte sich noch zu jung für den zwangsweisen Ruhestand. Er schlug den Herren von der Karstadt-Spitze in Essen vor, in Stade eine Feinkost-Filiale zu eröffnen. Ein leerstehendes Geschäft hatte er bereits im Blick. Damals begann bei den Lebensmittelerzeugnissen bereits der Trend zu mehr Nachhaltigkeit, Regionalität und Qualität. Klintworths Geschäftsidee von einem Lebensmittelladen mit hochwertiger Ware wäre durchaus zukunftsträchtig gewesen. Doch den Chefs beim Karstadt-Konzern fehlte offenbar der Mut und Klintworth das nötige Kapital. Damit war für Klintworth dieses Kapitel endgültig abgeschlossen.
Aus dem Hertie-Gebäude wurde eine Kaufhaus-Ruine, wie es so viele in den kleineren deutschen Innenstädten gab. Denn eine Rettung durch neue Investoren scheiterte an den hohen Mietforderungen von "Dawnay Day".

Es war einmal: Hertie in Stade / Folge 2: Aus Hertie wurde Karstadt

In der Hoffnung, dass es irgendwie doch noch weitergeht, klammerte sich die Stader Politik an jeden Strohhalm, der Rettung versprach. So war der damalige Bürgermeister Andreas Rieckhof mit dem Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen im Gespräch. Von Fitschen, der seine Wurzeln in der Region hatte, erhoffte man sich, dass er Bewegung in die Sache bringt. Das Bankhaus zählte zu den Gläubigern von "Dawnay Day". Ein Haupthindernis waren die überzogenen Kaufpreisforderungen der Briten.

Der Rest ist schnell erzählt: Nach einer dreijährigen Hängepartie, bei der immer wieder neue Namen potenzieller Investoren ins Spiel gebracht wurden, meldete das WOCHENBLATT Ende 2012: "Hertie ist verkauft". Der Käufer bleibe zunächst noch anonym, hieß es in dem Artikel. In anderer Hinsicht gab es bereits Gewissheit, wie das WOCHENBLATT berichtete: "Nach Angaben der Stadtverwaltung gilt der Abbruch des für die heutigen Bedürfnisse überdimensionierten Stader Hertie-Komplexes als sicher."

Es sollte drei weitere Jahre dauern, bis der kurz darauf namentlich bekannte Käufer, die Hamburger Projektentwicklungsgesellschaft Matrix, den alten Hertie-Bau abreißen ließ.

Im Sommer 2009 stand fest: Hertie in Stade wird es künftig nicht mehr geben | Foto: WOCHENBLATT
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Jörg Dammann aus Stade

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