Ein Klassiker für Scherbensammler
Wuchtiger Wälzer: Stadtarchäologe legt Doktorarbeit vor / So lebten die Germanen im Kreis Stade und Harburg
tp. Stade. Dick wie ein OTTO-Katalog, schwer wie ein Sack Kartoffeln und voller buchstäblich potthässlicher Schwarzweiß-Zeichnungen zerbrochener Tonkrüge und Häusergrundrissen. Der mehr als 500 Seiten starke, wuchtige Wälzer, den der Stader Stadtarchäologe Dr. Andreas Schäfer jetzt vorlegte, wird wohl nie ein Millionen-Seller, doch es musste einfach sein. Viele Jahre nach seiner Dissertation legte Schäfer nun, wie es der Wissenschafts-Brauch verlangt, seine Doktorarbeit in gedruckter Form vor.
Zur Vorstellung der Arbeit über die Siedlungsweise der Germanen vor rund zwei Jahrtausenden im Raum Hamburg und den Landkreisen Stade und Harburg reiste Forscher-Elite aus dem Norden an: Im Stader Schwedenspeicher-Museum waren der Niedersächsische Landesarchäologe Dr. Henning Haßmann, der archäologische Abteilungsleiter des Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Markus C. Blaich, beide aus Hannover, und der Hamburger Landesarchäologe, Professor Dr. Rainer-Maria Weiss zu Gast.
Schäfer untersuchte für seine Doktorarbeit das Siedlungsverhalten der Bauern an der Niederelbe, die von der jüngeren vorrömischen Eisenzeit bis zum Ende der Völkerwanderungszeit mit ihrem Vieh in dreischiffigen Pfostenhäusern in kleinen Dörfern lebten. Dazu wurden umfangreiche Kartierungen durchgeführt, teils mit der hochmodernen "Airborne"-Methode, bei der die Feldmark aus einem Flugzeug per Laser abgetastet wird.
"Wir graben an jeder Baustelle, und dann soll die Ergebnisse es auch einer publizieren", sagte Dr. Haßmann und lobte den Fleiß, den Dr. Schäfer bei seinen Untersuchungen an den Tag legte. Der Familienvater ist als Stadtarchäologe und Chef der neuen „Stade Marketing und Tourismus GmbH“ beruflich voll eingespannt. Nach eigenem Bekunden nutzte Schäfer, der in Hamburg wohnt, die halbstündige Fahrzeit im Pendlerzug Metronom, um die Doktorarbeit als Buch fertigzustellen.
Siedlungen seien, anders als etwa Schmuckfunde "ein undankbares Geschäft", so Dr. Haßmann, der das Vorwort schrieb. Umso dankbarer sei die Archäologen-Szene über die Kern-Erkenntnis des Werks: Entgegen früherer Annahmen war die untersuchte Gegend im dritten Jahrhundert nach Christus nicht völlig menschenleer. Dr. Schäfer spricht von der "Widerlegung der postulierten Siedlungslücke".
Das Buch, das in 500er-Auflage erscheint, richtet sich an Fachpublikum und interessierte Laien. Passionierte Scherbensammler unter den Hobby-Archäologen werden sich das Werk, das Grabungsergebnisse aus mehr als fünf Jahrzehnten enthält, ins Regal stellen ebenso wie Uni-Bibliotheken. Experten wittern Klassiker-Qualitäten, sodass wohl bald mancher Archäologie-Professor seinen Studenten empfiehlt: "Schlagt mal im 'Schäfer' nach."
• Tel. 04141 - 401-410 (Dr. Andreas Schäfer).
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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