Lecker Grillhähnchen und ein paar Züge Büchsenluft
Es war einmal: Hertie in Stade / Folge 2: Aus Hertie wurde Karstadt

Immer für ein Späßchen zu haben: Reiner Klintworth stellt die frische Luft aus der Dose vor | Foto: jd
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  • Immer für ein Späßchen zu haben: Reiner Klintworth stellt die frische Luft aus der Dose vor
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jd. Stade. Hertie in Stade: Das Kaufhaus war ein Stück Stader Geschichte, das mit dem Abbruch des jahrelang leerstehenden Gebäudes vor fünf Jahren endete. Wo früher Hertie stand, befindet sich jetzt das Einkaufszentrum "Neuer Pferdemarkt". Mit dem Abriss ist aber nicht die Erinnerung getilgt. In der vergangenen Mittwochs-Ausgabe des WOCHENBLATT ging es um die ersten 20 Jahre des 1976 eröffneten Kaufhauses. Jetzt folgt der zweite von drei Teilen. Als Zeitzeuge kommt wieder Reiner Klintworth zu Wort. Er war bei Hertie in Stade Mann der ersten Stunde und er war es, der beim endgültigen Aus 2009 den Schlüssel umdrehte.

Es war vor 25 Jahren, als das WOCHENBLATT das Ende der Hertie-Ära in Stade verkündete. "Aus Hertie wird Karstadt", lautete die Überschrift in der Ausgabe vom 28. September 1996. Da gehörte Hertie schon seit zwei Jahren zur Karstadt-Gruppe. Die Umfirmierung erfolgte aber erst nach und nach. So konnte das Stader Hertie-Haus noch im April 1996 sein 20-jähriges Bestehen feiern. Zur Feier des Tages werde ein 20 Meter langer Butterkuchen serviert, hieß es seinerzeit im Artikel. Zum runden Geburtstag gab es Bratwurst plus Getränk für nur eine Mark. Der Bericht klang verlockend: "An Cola-Bar und Espresso-Stand wird man sogar gratis bedient."

Das waren Zeiten: Als es in Stade noch Hertie gab

Zwei Monate später kündigte das WOCHENBLATT an: "Hertie-Haus in Stade wird für acht Millionen Mark umgebaut". "Aufgepeppt wird auch die Lebensmittelabteilung", so der Bericht. Diese Abteilung war die Wirkungsstätte von Reiner Klintworth. Dort war er bis zuletzt als Abteilungsleiter tätig. "In der Hertie-Zeit bestand ja noch die klassische Kaufhaus-Hierarchie", erinnert er sich. 26 Abteilungsleiter habe es gegeben, dazu die gleiche Anzahl an Substituten (Stellvertretern) und Erstverkäufern. "Anfangs hatten wir sage und schreibe 450 Mitarbeiter." Bei der Übernahme durch Karstadt war die Zahl der Beschäftigten mittlerweile auf 180 geschrumpft.

In der Lebensmittelabteilung gab es zwar nicht mehr die spektakulären Aktionen, mit denen sich Hertie in den siebziger und achtziger Jahren einen Ruf über die Stadtgrenzen hinaus erworben hatte - wie die Mottowochen, die Promi-Autogrammstunden oder die Schlemmerabende. "Unser Hähnchengrill war aber eine Institution", berichtet Klintworth. In Zeiten, als es noch nicht an jeder Ecke eine Dönerbude gab, seien die halben Hähnchen von Hertie der Renner in den Mittagspausen gewesen.

Die Übernahme: "Aus Hertie wird Karstadt". So titelte das WOCHENBLATT in seiner Ausgabe vom 28. September 1996 | Foto: jd
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20 Jahre galt das Hertie-Motto: "Gut ist nicht gut genug". Das wurde abgelöst vom Wahlspruch "Besser Karstadt". Doch wirklich besser wurde es nicht. Bei den großen Warenhausketten und den deutschen Versandhäusern der alten Schule zogen düstere Wolken am Horizont auf. Nach der Fusion von Karstadt und Quelle war der wirtschaftliche Niedergang des Kaufhaus-Konzerns nicht mehr zu stoppen. 2004 wurde publik, dass Karstadt finanziell schwer angeschlagen ist.

Trotz solcher Hiobsbotschaften verlor Reiner Klintworth nicht seinen Humor. So präsentierte er in einer WOCHENBLATT-Ausgabe aus demselben Jahr augenzwinkernd ein neues Produkt in seinem Sortiment: Sauerstoff aus der Dose. "Eine Nase Büchsenluft", lautete der Titel. Ein paar Züge aus den Sauerstoffbüchsen, die Klintworth zwischen Energy-Drink und Wellness-Sprudel einsortiert hatte, sollte gegen Müdigkeit und allgemeine Trägheit helfen. Dass das Wundermittel tatsächlich wirkte, konnte Klintworth allerdings nicht bestätigen.

Die Hertie-Belegschaft war immer eine tolle Gemeinschaft. Hier waren die Männer bei einer Vatertagstour unter sich | Foto: Stadtarchiv Stade
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Schon ein Jahr später gehörte das Stader Haus zu den bundesweit 74 kleineren Filialen, die 2005 an den britischen Finanzinvestor "Dawnay Day" und die Handelskette "Hilko" abgestoßen und zunächst unter dem Label "Karstadt kompakt" geführt wurden. Nur Klintworth blieb mit seiner Lebensmittabteilung im Tiefgeschoss des Kaufhauses beim alten Karstadt-Konzern. "Karstadt war ein Joint Venture mit Rewe eingegangen, das frisches Geld in diese neue Sparte pumpte", so Klintworth. Mit Sorge verfolgte er damals die Entwicklung in den Stockwerken über seiner Abteilung. Dort war man nach dem Verkauf an die Briten noch voller Hoffnung.

"Jubel bei Karstadt in Stade: Finanzkräftige Investoren unterstützen das neue Konzept", verkündete das WOCHENBLATT im August 2005. Nach der bisherigen Hängepartie gehe es nun steil bergauf, wurde in dem Bericht frohlockt. Die Stader Filiale sei von den "finanzkräftigen Investoren" aus England als Pilotprojekt auserkoren worden, um künftig als Vorzeige-Filiale zu glänzen. Der damalige Artikel versprühte Optimismus pur: "Nach monatelanger Ungewissheit hat das Stader Karstadt-Team nach Feierabend voller Zuversicht die Korken knallen lassen."

• Doch diese Zuversicht war nur von kurzer Dauer. Über das Ende von Hertie in Stade und vergebliche Rettungsversuche berichtet das WOCHENBLATT am kommenden Mittwoch in der dritten und letzten Folge dieser kleinen Serie.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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