Kreischende Seevögel sind in einem maritimen Stader Wohngebiet zur Plage geworden
Falkner ließ seinen Bussard kreisen: Greifvogel als Möwenschreck
jd. Stade. Nicht nur ihr Gekreische nervt: Die Möwen in der Stader Salztorsvorstadt haben sich im Vorjahr zu einer Plage entwickelt. Die gefiederten Störenfriede verschmutzten mit ihrem Kot Autos, Fenster und Fassaden. Frühstücken auf dem Balkon wurde für die Anwohner zum Abenteuer, denn ganz dreiste Exemplare schnappten sich sogar die Wurst vom Teller. So kann es nicht weitergehen, dachte man sich bei der Firma HBI Wohnungsverwaltung GmbH, die rund 200 Wohnungen in dem schicken Stader Stadtviertel verwaltet. Beim Nottensdorfer Unternehmen gingen wiederholt Beschwerden von Mietern ein. In diesem Jahr setzte die HBI einen Falkner ein, um die Möwen zu vertreiben - oder wie es fachlich korrekt heißt: zu vergrämen.
Wohnen in einem gehobenen maritimen Ambiente: Das bietet die Salztorsvorstadt mit ihren zum Teil direkt am Schwingeufer gelegenen Häusern. Doch die Nähe zum Wasser hat einen Nachteil: Rund 200 Sturm- und Silbermöwen haben das Wohngebiet zu ihrem Revier erklärt. Nahrung gibt es in der Nähe offenbar reichlich. So bedienen sich die Möwen u.a. in den Becken der städtischen Kläranlage am jenseitigen Schwingeufer.
"Die Viecher sind ziemlich dreist und fliegen auf der Suche nach Fressen auch Balkone und Terrassen an", berichtet ein Bewohner. Es sind auffällig viele Deko-Raben auf den Geländern montiert - offenbar in der Absicht, die Möwen abzuschrecken. Doch um diese Plastikkameraden scheren sich die aufdringlichen Vögel herzlich wenig. Im vergangenen Jahr hätten die Möwen auch Passanten aufs Korn genommen, so der Mann. "Da waren die Jungvögel gerade flügge und die Elterntiere wollten sie beschützen."
Damit war in diesem Jahr Schluss: Seit April sorgt Benjamin Gripp mit seinen Kollegen dafür, dass die Möwen sich in dem Wohngebiet nicht allzu wohl fühlen. Gripp betreibt in Seevetal (Kreis Harburg) eine Falknerei, die sich auf die sogenannte Vergrämung von Vögeln wie Krähen, Tauben oder eben auch Möwen spezialisiert hat.
Denn das Federvieh kann nicht nur lästig sein, wenn es in Scharen über Futtersilos, Obstbauflächen oder Mülldeponien herfällt. Im Bereich von Flughäfen kann es auch richtig gefährlich werden. Gripp und sein Team setzen Greifvögel ein, um die ungebetenen gefiederten Gäste von den jeweiligen Objekten zu verscheuchen.
Über den Dächern der Stader Salztorsvorstadt kreiste in den vergangenen Wochen und Monaten alle zwei Tage ein Falke oder ein Bussard, um die Möwen davon abzuhalten, sich häuslich niederzulassen. "Auf einigen Dächern ist Kies aufgeschüttet. Das ist für die Möwen fast wie ein natürlicher Lebensraum", sagt Gripp. Der ideale Platz also für ein Gelege. So konnten die Möwen bisher ungestört ihre Jungtiere großziehen. Doch in diesem Jahr waren die Falkner rechtzeitig vor Ort, um die Möwen vom Brüten abzuhalten.
"Wenn ein Greifvogel über den Möwen kreist, kommt es auch nicht zu Eiablage", berichtet Gripp. Als natürliche Fressfeinde stellen Falke und Bussard eine Bedrohung für die Küken dar. Über kurz oder lang werden sich die Möwen verziehen, um sich anderswo Nester zu bauen. Der Falkner geht davon aus, dass die diesjährige Vergrämungs-Aktion erfolgreich war: "Ich habe jedenfalls keine Küken gesehen."
Zum Abschluss des rund dreimonatigen Einsatzes in Stade schaut der Falkner noch einmal nach dem Rechten. Mit dabei hat er das Bussardweibchen Hanni. Sie soll noch einmal ein paar Runden kreisen, um den verbliebenen Möwen zu zeigen, wer das Sagen hat. Doch den Möwen ist offenbar klar, dass die Bussarddame auf dem Lederhandschuh des Falkners im Moment keine Gefahr darstellt. Einige besonders freche Exemplare stürzen sich hinab und fliegen Scheinattacken. Die anderen flattern nervös umher und kreischen vor Aufregung. "Damit habe ich schon erreicht, was ich wollte", sagt Gripp: "Unruhe bei den Möwen stiften."
Unterwegs im ganzen Norden
Benjamin Gripp hat sich mit seiner Falknerei vorwiegend auf die Schädlingsbekämpfung spezialisiert. Mit den Greifvögeln ist sein Team im ganzen norddeutschen Raum unterwegs. Die speziell abgerichteten Tiere jagen nur an und schlagen keine Beute.
Für die Vergrämung hat Gripp rund 30 Greifvögel im Bestand. Jeder Vogel kann bis zu drei Einsätze am Tag fliegen. Die Falken und Bussarde werden in Handaufzucht auf ihre spätere Aufgabe vorbereitet.
• Mehr Informationen unter www.falknerei-hamburg.de, www.blatta.de
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.