Ausnahmen für Rennradfahrer
Welche Regeln gelten für Fahrradfahrer?
Sommerzeit ist Radlerzeit: Auf den Straßen in der Region sind wieder deutlich mehr Fahrradfahrer unterwegs - und das nicht nur an Wochenenden. Das Rad wird zunehmend als klimafreundliche und gesundheitsfördernde Alternative zum Auto genutzt. Doch das Radfahren war jahrzehntelang ein Stiefkind der deutschen Verkehrspolitik. Fahrradfahrer wurden auf Radwege verbannt, um ja nicht den Autofahrern in die Quere zu kommen. Das WOCHENBLATT hatte in der vergangenen Samstags-Ausgabe über ein Umdenken im Landkreis Stade berichtet. Dort soll die Radwegebenutzungspflicht innerörtlich weitgehend abgeschafft werden. Wie im Artikel angekündigt (er ist online hier nachzulesen), folgt nun eine kleine Übersicht: Welche Optionen gibt es für Radfahrer, wenn die Radweg-Schilder abgebaut werden? Und welche Regeln gelten jetzt überhaupt für Radler?
Radeln auf der Fahrbahn
Viele Radfahrer dürften sich schon die Frage gestellt haben, welche Konsequenz die "Entschilderung" der Radwege für sie hat. Dürfen sie den vertrauten Weg weiter benutzen oder sind sie jetzt verpflichtet, auf der Fahrbahn zu radeln, selbst wenn sie das gar nicht wollen? Das Radeln auf der Fahrbahn ist tatsächlich dann Pflicht, wenn die blauen Schilder abmontiert sind. Damit gibt es keinen Radweg mehr, dem Fußgänger gehört der Bürgersteig in seiner gesamten Breite. Ausnahme: Kinder unter zehn Jahren dürfen dort weiter fahren. Das Radfahr-Gebot auf der Fahrbahn gilt grundsätzlich auch für Tempo-30-Zonen wie in der Harsefelder Marktstraße. Der Fußweg ist für Radler dort tabu, auch wenn sich nur die wenigsten daran halten.
Hier geht es bloß im Schritttempo voran
Nun sagen aber manche Radfahrer, dass sie sich unsicher fühlen, wenn sie auf der Fahrbahn zwischen den Autos unterwegs sind. Für sie gibt es in einigen Ort eine Lösung, die aber nicht ganz unproblematisch ist. Beispiel Stade: Im Ortsteil Schölisch wurde nach der Sanierung der Hauptstraße die Radwegebenutzungspflicht aufgehoben. Anwohner protestierten, weil sie lieber auf dem besonders breiten Fußweg fahren wollten. Die Stadt gab nach und ließ zusätzlich zu dem blauen Fußgängerschild die Hinweistafel "Radfahrer frei" anbringen. Seitdem wird dort munter geradelt.
Was viele aber nicht wissen: Radfahrer dürfen bei dieser Schilderkombi nur Schritttempo (sieben Stundenkilometer) fahren. Wer schneller radelt und dabei womöglich einen Fußgänger gefährdet, kann sich mächtig Ärger einhandeln. Denn Autofahrern sollte aber klar: Radeln auf der Fahrbahn ist hier der Normalfall, hupen zwecklos und ungehörig. In der Thuner Straße in Stade hat sich gezeigt, dass das Miteinander von Auto- und Radfahrern auf der Fahrbahn bei gegenseitiger Rücksichtnahme ganz gut funktioniert.
Radweg nur als Angebot
Eine bessere Option zum Fußweg mit dem Schild "Radfahrer frei" der sogenannte Angebotsradweg. Auch hier gilt: Radfahrer können ihn nutzen, müssen es aber nicht. Der Vorteil gegenüber "Radfahrer frei" besteht darin, dass mit üblichem Tempo geradelt werden darf. Fußgänger dürfen auch weggeklingelt werden. Solch einen Angebotsradweg, der meist durch direkt auf dem Pflaster angebrachte Fahrrad-Piktogramme gekennzeichnet ist, gibt es beispielsweise in der Buxtehuder Bahnhofstraße
. Dort wurden vor Jahren die blauen Radweg-Schilder abgebaut. Fahrradfahrer haben seitdem die Wahl: Sie können die Fahrbahn oder eben den Ex-Radweg nutzen. Dazu ein Hinweis an die Buxtehuder Verwaltung: Bitte mal dringend die Piktogramme erneuern.
Auch das gibt es: Radfahr- und Schutzstreifen
Die Benutzungspflicht gilt aber nicht nur für Radwege mit blauem Schild: Wenn auf der Fahrbahn mittels durchgezogener weißer Linie und Fahrrad-Piktogramm ein Radfahrstreifen markiert ist, müssen sich Radfahrer strikt daran halten und dürfen nicht auf die Auto-Spur wechseln. Diese Radfahrstreifen sind manchmal auch farblich abgesetzt, oft in Rot. Andersherum ist dieser Streifen auch für Autofahrer tabu - im Gegensatz zum Schutzstreifen.
Der hat eine gestrichelte Linie und darf bei Bedarf - etwa wenn ein Lkw entgegenkommt - auch mit dem Auto befahren werden, sofern kein Radfahrer gefährdet oder behindert wird. Radfahrer haben Vorrang. Schutzstreifen - wie auf dem Foto in Buchholz - werden meist auf Straßen angebracht, die zu schmal für Radfahrstreifen sind - was bei den allermeisten Straßen in der Region der Fall ist. Autofahrer soll beachten: Sowohl auf dem Radfahrstreifen als auch auf dem Schutzstreifen besteht absolutes Halteverbot. Wer auch nur kurz dort anhält, begeht eine Verkehrsordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von mindestens 50 bzw. 55 Euro geahndet wird.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Auch wenn die Radwege innerörtlich prinzipiell abgeschafft werden sollen: Es wird aber weiterhin Ausnahmen geben, wenn die Sicherheit der Radfahrer gefährdet sein sollte. Das gilt insbesondere bei einem hohen Verkehrsaufkommen. Deswegen wird in den kommenden Jahren der Radweg an der Harsefelder Straße in Stade ausgebaut. Hier hat die Schulwegsicherheit Vorrang. Hier verweist das blaue Schild mit dem Fahrradsymbol weiterhin auf die Pflicht, den Radweg zu benutzen. Dieses Schild gibt es in den Varianten getrennter Rad- und Gehweg sowie kombinierter Rad- und Gehweg. Letzteres sollte nach Ansichten von Experten dringend abgeschafft werden, da solche Kombi-Wege die Gefahr mit sich bringen, dass sich Fußgänger und Radfahrer immer wieder in die Quere kommen. Bei Radwegen gilt grundsätzlich: Es muss die rechte Seite benutzt werden. Ansonsten wird man zum Geisterradler.
Radfahrer haben hier immer Vorfahrt
Der Radverkehr hat hier Vorrang: Einige Kommunen gehen dazu über, sogenannte Fahrradstraßen einzurichten. Die dürfen auch von Autos befahren werden, sofern ein entsprechendes Zusatzschild dies zulässt - wie in der Stader Neubourgstraße. Diese allererste Fahrradstraße in der Hansestadt gibt es seit Herbst 2020. In einer solchen Straße gilt generell Tempo 30. Autofahrer müssen sich mit ihrer Geschwindigkeit dem Radverkehr anpassen. Radlern ist es dort erlaubt, zu zweit nebeneinander zu fahren.
Sind mehrere Fahrradstraßen miteinander verbunden, können sie zu einer Fahrradzone zusammengefasst werden. Es gelten die gleichen Regeln wie in einer Fahrradstraße.
Radsportler sind ein Sonderfall
Ein Radfahrer radelt auf der Fahrbahn, obwohl entlang der Strecke ein Radweg vorhanden und entsprechend ausgeschildert ist: Solche Situationen treiben vielen Autofahrern die Zornesröte ins Gesicht - besonders dann, wenn sie hinter dem Radler noch abbremsen müsse, weil wegen des Gegenverkehrs kein Überholen möglich ist. In diesen Tagen schwärmen auch wieder die Rennradfahrer aus, die aus verschiedenen Gründen oft die Straße bevorzugen. Unter anderem lässt es sich bei hohen Geschwindigkeiten mit den dünnen, empfindlichen Reifen auf dem Straßenbelag besser und sicherer fahren als auf dem Radweg.
Doch der Wutanfall mancher Autofahrer - dieser äußert sich vom Dauerhupen hin bis zur "Radler-Dusche" per Wischanlage - ist häufig unberechtigt. Für Radsportler gelten nämlich Ausnahmeregeln - sofern die Rennradler einem Verein angehören, dem eine Sondergenehmigung für das Befahren der Fahrbahn mit Rennrädern im Rahmen von Trainingsfahrten erteilt wurde. Solche Genehmigungen stellt der Landkreis Stade aus. Sie gelten kreisweit, mit Ausnahme von Stade, Buxtehude und Harsefeld, die eigene Straßenverkehrsbehörden haben.
Diese Ausnahmegenehmigungen, die Radsportler aus Vereinen von der Radwegebenutzungspflicht befreien, sind aber an Bedingungen geknüpft. So dürfen die Trainingsfahrten nur bei Tageslicht und nicht bei starkem Regen oder Nebel stattfinden. Außerdem gibt es eine zeitliche Beschränkung: Trainingsfahrten sind nur montags bis freitags von 16 bis 22 Uhr sowie samstags und sonntags von 6 bis 22 Uhr zulässig, sofern es bereits bzw. noch hell ist. Radsportler müssen die Genehmigung mit sich führen und auffällige Bekleidung tragen.
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