Experte auf Spurensuche
Wie alt ist das Dachgebälk von St. Wilhadi in Stade?
Die St.-Wilhadi-Kirche mit ihrem trutzigen Turm gehört zu den imposantesten historischen Bauten in Stade. Der erste Vorgängerbau stammt aus dem elften Jahrhundert. Die gotische Hallenkirche wurde im 14. Jahrhundert errichtet, musste aber nach dem Stadtbrand von 1659 in weiten Teilen neu aufgebaut werden. Das Dach und das Innere wurden ein Raub der Flammen, die Gewölbe blieben aber erhalten. Eine bauhistorische Untersuchung im Auftrag der Kirchengemeinde sollte nun klären, von wann die neue Dachkonstruktion stammt und ob sich dort Reste der ursprünglichen Bauteile finden.
Der Dachstuhl von St. Wilhadi ist aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich zugänglich, doch wer einmal Gelegenheit hat, die schmale Wendeltreppe hinaufzusteigen, ist sofort beeindruckt von der aufwändigen, kunstvollen Holzkonstruktion über den Gewölben der Kirche. Mit finanzieller Unterstützung der Dr. Jens-Peter Seidensticker-Stiftung ließ die Gemeinde jetzt den Bauhistoriker Dr. Bernd Adam aus Garbsen das jahrhundertealte Dachwerk untersuchen.
Keine Reste des alten Daches
Die Dokumentation seiner Untersuchung liegt jetzt vor. Adam stellte fest, dass keinerlei Reste des mittelalterlichen Daches mehr vorhanden sind, das dem Stadtbrand zum Opfer fiel. Es wurde die "Kirche St. Wilhadi alhie in Stade in der großen entstandenen erschrecklichen Feuers-Brunst […] heimbgesuchet, nebenst der hohen ansehnlichen Spitzen gantz und gahr in die Asche geleget, daß […] nichts alß daß bloße Gemawr [...] bestehen geblieben" sei, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht.
Die Stadt kümmerte sich offenbar zügig um den Wiederaufbau: Das Kirchendach wurde bereits 1660 neu errichtet - wahrscheinlich durch den Ratszimmermeister Hans Ahlers und den Zimmermeister Andreas Henne. Spätestens ein Jahr darauf war es fertiggestellt. Archiv-Quellen über den Wiederaufbau sind nicht erhalten. Laut Adam ergab die dendrochronologische Untersuchung des Bauholzes für das Kirchendach, dass es sich um Kiefernholz aus der Havel-Region und Brandenburg handelt, das 1658 geschlagen wurde. Bei dieser Untersuchungsmethode werden die Jahresringe mit Referenzhölzern verglichen. So kann genau ermittelt werden, wann ein Baum gefällt wurde.
Flößer haben das Bauholz dann wohl elbabwärts nach Hamburg transportiert. Bei einem dortigen Händler werden es die Stader erstanden haben. Damit steht für Adam fest, dass das Holz auf einem Hamburger Markt erworben und nicht extra für den Kirchenbau gefällt wurde. Der Experte fand an den im Kirchendach verbauten Hölzern noch Bohrungen und andere Spuren, die auf einen Floßtransport schließen lassen. In seiner Arbeit analysiert Adam die qualitätsvolle Zimmermannsarbeit und dokumentiert die historischen Holzverbindungen. Er kommt zu der Bewertung, dass das Dach von 1660 unverändert erhalten geblieben ist - als Denkmal der Zimmermannskunst des 17. Jahrhunderts und des Wiederaufbaus nach dem Stadtbrand.
• Die 59-seitige bauhistorische Dokumentation kann als PDF-Datei von Pastorin Claudia Brandy unter folgender E-Mail-Adresse angefordert werden: claudia.brandy@evlka.de
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