Wilder Westen und geheime Listen?
Der Streit um den Wolf eskaliert einmal mehr
(tk). Das erste vom Wolfsmonitoring im Herbst 2020 amtlich festgestellte offizielle Wolfsrudel im Kreis Stade, und zwar im Raum Wiegersen, oder ein Wolf, der im Dezember am helllichten Tag durch Kakenstorf im Landkreis Harburg rennt - der Wolf ist unübersehbar zurück, auch in unserer Region. Die Konflikte werden mehr und immer dann, wenn es eine Ausnahmegenehmigung zum Abschuss gibt, eskaliert der Konflikt zum Glaubenskrieg um den Wolf. Der Landtag in Hannover hat am Donnerstag einmal mehr über den Wolf diskutiert.
Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung: NABU und WWF werfen dem Land Niedersachsen vor, eine geheime Abschussliste zu führen. Am11. Febraur wurde eine Fähe aus dem Rudel Herzlake (Emsland) geschossen. Das Rudel soll laut Umweltministerium seit Ende 2018 rund 500 Schafe gerissen haben. "Transparenz ist hier Fehlanzeige", kritisieren NABU und WWF in einer gemeinsamen Erklärung. Das, so argwöhnen beide Verbände, geschehe vor allem, damit Ausnahmegenehmigungen nicht gerichtlich überprüft werden können.
Wäre mehr Transparenz ein Schritt in die richtige Richtung und zur Versachlichung? Das WOCHENBLATT hat beim Umweltministerium in Hannover nachgefragt. "Grundsätzlich werden Ausnahmegenehmigungen nicht öffentlich bekannt gegeben, um den Schutz von Weidetierhaltern und Jägern zu gewährleisten", sagt eine Sprecherin. Minister Olaf Lies (SPD) habe betont, dass dieses Thema "kein Staatsgeheimnis ist" und das Land auch keine Angst vor einer gerichtlichen Überprüfung habe. Aber: "Das Auskunftsrecht der Öffentlichkeit stößt dann an Grenzen, wenn Ruf und Leben von Menschen bedroht sind", sagt Lies. "Die Erfahrungen mit Mobbing und Bedrohungen Betroffener lassen aktuell leider keinen gelasseneren Umgang zu."
„Wir sind hier nicht im Wilden Westen, wo nach Gutdünken Wölfe abgeschossen werden, bis man den richtigen Wolf irgendwann trifft", reagiert der NABU auf die Haltung des Ministers. Wie stark die Debatte ins Emotionale geht, zeigt unter anderem ein Post in einem Forum der Wolfsfreunde: "Vor allem ist die Ballerei vollkommen sinnlos, außer für die Belustigung einiger Ballermänner und -frauen."
Minister Lies entgegnet dem Wunsch nach mehr Kommunikation angesichts der hochgepeitschten Debatte: "Hier müssen sich diejenigen, die Transparenz um jeden Preis fordern, fragen lassen, wer den Preis dafür zahlen soll. Todeswünsche für Schäfer in Social Media und Schüsse auf einen Hochsitz sind nur einige der leider zahlreichen Beispiele, was Beteiligte hier zu befürchten haben."
Das sieht der CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Dammann-Tamke aus dem Landkreis Stade ähnlich: "Viele Nutztierhalter melden Wolfsrisse nicht, weil sie berechtigte Sorgen vor Anfeindungen auf Social-Media-Kanälen haben." Für den CDU-Politiker ist nicht die politische Auseinandersetzung mit NABU oder WWF ein Problem - die würden sich ebenso wie organisierte Tierschutzvereine an rechtstaatliche Normen halten -- das Problem sei die Wolfsschützer-Szene, die vor Einschüchterung nicht zurückschrecke. Beispiel: Nachdem ein Elbschäfer mit Minister Lies öffentlichkeitwirksam aufgetreten sei, seien Scheiben seines Schleppers in der Folgenacht zerstört worden. Tierrechtler würden von "Mördern" sprechen, wenn sie Jäger meinen. "Der Wolf wird vermenschlicht", sagt Helmut Dammann-Tamke. Solange es versteckte und öffentliche Drohungen und Versuche der Einschüchterung gebe, sei es richtig, dass Nutztierhalter und Jäger anonym bleiben. "Jeder kann den Rechtsweg einschlagen", sagt der Landespolitiker über eine Auseinandersetzung in Sachen Wolf, die gleichermaßen fair wie öffentlich ist.
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