Auflagen-Irrsinn des Umweltministeriums
Gras ist nicht gleich Gras: Land erschwert Deichbau an der Elbe
Ohne Deiche wären die tiefer gelegenen Regionen entlang der Elbe bei Hochwasser regelmäßig überflutet. Bei einer Sturmflut stünden weite Teile Kehdingens, des Alten Landes und der Elbmarschen unter Wasser. Klimabedingt steigt der Meeresspiegel und es rollen immer höhere Sturmfluten auf die Elbmündung zu. Daher müssen in den kommenden Jahrzehnten die Deiche deutlich erhöht werden. Neben den vielen technischen Herausforderungen - es sind u.a. Abermillionen Kubikmeter Erde zu bewegen - tut sich beim Jahrhundertprojekt Elbdeicherhöhung eine weitere große Hürde auf: Das von den Grünen geführte Umweltministerium in Hannover verlangt ernsthaft, dass für die Deicherhöhungen sogenannte Kompensationsmaßnahmen geschaffen werden müssen. Das heißt im Klartext: Als Ausgleichsmaßnahme für mit Gras bewachsene Deiche sollen an anderer Stelle Biotopflächen mit Gras angelegt werden. Über diese aberwitzige Vorgabe des Landes, Grünland mit Grünland zu kompensieren, schüttelt man im Stader Kreishaus und bei den Deichverbänden nur den Kopf.
Für zwei Kilometer Deich 15 Hektar Ausgleichsfläche
Küstenschutz aus ideologischen Gründen gegen den Naturschutz auszuspielen, sei der völlig verkehrte Weg und zudem gefährlich, warnen die Verantwortlichen aus der Region. Bereits auf der Stader Küstenschutzkonferenz im Januar, an der auch Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) teilgenommen hatte, warnte der Altländer Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts vor den Konsequenzen, wenn für erhöhte Deiche Ausgleichsflächen wie bei normalen Baumaßnahmen bereitgestellt werden müssen. "Für zwei Kilometer Deichlinie sollen wir nun 15 Hektar als Ausgleich nachweisen", kritisiert Ulferts. Flächen in dieser Größenordnung sind gar nicht verfügbar, heißt es von den Deichverbänden - ganz abgesehen von den Kosten für den zusätzlichen Grunderwerb. Sollte der Grünen-Minister mit seiner eigenwilligen Vorstellung von Naturschutz stur bleiben, könnten sich die Deichbauprojekte an der Elbe deutlich verzögern - mit fatalen Folgen für die Menschen hinter den Deichen. Doch Meyer bläst jetzt Gegenwind entgegen: "Wir sind nicht bereit, diese Vorgaben zu akzeptieren", sagt Stades Landrat Kai Seefried (CDU).
Oberdeichrichter Ulferts hat den Flächenbedarf für 77 Kilometer Elbdeich allein im Landkreis Stade einmal durchgerechnet: Demnach müssten die Deichverbände, die für den Deichschutz und damit die Erhöhung der Elbdeiche um bis zu 2,10 Meter zuständig sind, rund 580 Hektar an Kompensationsflächen anlegen. Das entspricht einer Größenordnung von weit mehr als 800 Fußballplätzen oder einer Fläche mit einer Ausdehnung von fast zwei mal drei Kilometern. Auf dieser Fläche müsste dann die Grassorte wuchern, das jetzt auf den Deichen oder an deren Rändern wächst.
Oberdeichrichter spricht von "Unfug"
Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts aus dem Alten Land hat den Flächenbedarf für 77 Kilometer Elbdeich allein im Landkreis Stade einmal durchgerechnet: Demnach müssten die Deichverbände, die für den Deichschutz und damit die Erhöhung der Elbdeiche um bis zu 2,10 Meter zuständig sind, rund 580 Hektar an Kompensationsflächen anlegen. Das entspricht einer Größenordnung von weit mehr als 800 Fußballplätzen oder einer Fläche mit einer Ausdehnung von fast zwei mal drei Kilometern. Auf dieser Fläche müsste dann ebenfalls Gras wachsen - wie schon jetzt auf den Deichen oder an deren Rändern.
Es geht um die Grasmischung
Doch welchen Sinn ergibt diese Vorgabe, wenn auf den Deichen nach den umfangreichen Erdarbeiten im Zuge der Erhöhung ohnehin wieder Grassaat ausgesät wird? Hier liegt offenbar einer der Knackpunkte: Die Deichverbände wollen später auf den erhöhten Deichen eine spezielle Grasmischung aussäen, die sich besser verwurzelt und damit die Deiche stabiler macht. Das ist aber eben nicht das "Biotopgras", das aktuell vielerorts auf den Deichen wächst und nach Ansicht des Umweltministeriums offenbar ökologisch wertvoller sein soll. Als Ersatz für dieses angeblich artenreiche "Öko-Gras" sollen nun an anderer Stelle die Ausgleichsflächen entstehen. Oberdeichrichter Ulferts findet dazu in einem Bericht des TV-Magazins Panorama klare Worte: Der Deichverband habe gegenüber dem Umweltministerium deutlich gemacht, wie man über die Vorgabe zur Schaffung von Ausgleichsflächen denke, so Ulferts: "Wir halten das für Unfug. Der Deich ist vorher grün und der Deich ist hinterher grün."
Landrat wirbt für Hamburger Modell
Der Landkreis Stade hat bereits in zwei Schreiben an Umweltminister Meyer auf die Ausgleichsflächen-Problematik hingewiesen. Nun will man erneut das Gespräch mit ihm suchen. Ziel sei es, so Landrat Seefried, dass in Niedersachsen Maßnahmen zum Küsten- und Hochwasserschutz wie der Deichbau künftig nicht mehr als Eingriffe in die Natur gemäß Bundesnaturschutzgesetz gewertet werden. Seefried verweist auf das Beispiel Hamburg, wo keine Ausgleichsmaßnahmen im Zuge der Deicherhöhungen erforderlich sind. "Auf der Hamburger Seite des Elbdeiches ist kein Biotopausgleich für ein besonders artenreiches Gras notwendig", heißt es in einem der Briefe an Meyer. Der Landrat wirbt für eine pragmatische Lösung nach dem Hamburger Modell. Denn die Pflicht, Grasflächen mit anderen Grasflächen zu kompensieren, sei "hier vor Ort nicht vermittelbar".
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