Nachbarn der Obdachlosen in Stade: "Diese Menschen brauchen Hilfe"
Umzug an die B73: Herbergsverein schlägt Büro vor Ort vor
tp. Stade. Kritisch verfolgen Martin Wolf (69) und seine Ehefrau Birgit (51) die Pläne der Stadt Stade, die Obdachlosen aus der Notunterkunft am Fredenbecker Weg am südlichen Stadtrand an die Bundesstraße B73 in Wiepenkathen umzusiedeln. Als langjährige Nachbarn raten sie den Verantwortlichen davon ab, die Wohnungslosen in der neuen, ebenfalls abgelegenen Unterkunft mit ihren Problemen allein zu lassen. "Damit wird das Elend nur räumlich verlagert."
Wie berichtet, ziehen die ersten Obachlosen voraussichtlich im Sommer in die ungenutzten, ursprünglich für Flüchtlinge vorgesehenen, einfachen Neubauten. "Es wird wohl nicht lange dauern, dann sieht das Gelände aus wie hier", prognostiziert Martin Wolf und zeigt von seinem gepflegten Grundstück auf die gegenüberliegende mit Sperrmüll und Elektroschrott übersäte Barackensiedlung. Martin Wolf, dessen Elternhaus am Fredenbecker Weg steht, kennt die Verhältnisse in der Obdachlosensiedlung seit seiner Kindheit. Er sah in den Jahrzehnten viele Bewohner kommen und gehen. Bis auf wenige Ausnahmen sei kaum jemandem aus eigener Kraft der soziale Wiederaufstieg gelungen, so der Rentner.
Die Eheleute zeigen Verständnis und Toleranz für ihre am Rand der Gesellschaft lebenden Nachbarn, die nach ihrer Vermutung mitunter ohne Selbstverschulden in die Notlage gerieten. Die Wolfs ertragen tapfer den Party-Lärm, der manchmal in mehreren Nächten in Folge an ihr Schlafzimmerfenster dringt. Mit Besorgnis reagieren sie jedoch auf zahlreichen Gewaltausschreitungen unter Alkoholeinfluss.
Ganz von selbst werde sich in der neuen Unterkunft kaum etwas ändern, sind sich die Wolfs einig: "Diese Menschen brauchen intensive Betreuung."
Dem stimmt auch Matthias Lauer, Sozialarbeiter beim Herbergsverein Stade zu. Er zeigt Verständnis für die von Perspektivlosigkeit und "einem Gefühl der Ohnmacht" geplagten Obdachlosen.
"Unser Ansatz wäre ein aufsuchendes Beratungsangebot vor Ort", sagt Lauer. Vorstellbar wären zwei Stunden pro Woche, in denen die Bewohner Unterstützung bekommen. Dieses Angebot könne, sofern die Finanzierung gewährleistet sei, kurzfristig eingerichtet werden. "Aus sozialpädagogischer Sicht", so Lauer, "wäre es längerfristig sinnvoll, eine darüber hinaus gehende Betreuung vor Ort zu ermöglichen. Etwa mit einem Ansprechpartner in einem eigenen Büro, von dem aus Behördengänge, Arztbesuche und Termine mit Beratungsstellen koordiniert werden."
Der Vorschlag soll an dem von der Stader SPD im Rat gegründeten Runden Tisch gegen Obdachlosigkeit diskutiert werden. Mitglieder sind Politiker, die Polizei, Jugendämter, der Herbergsverein und weitere Akteure der Obdachlosenhilfe.
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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