Neue Studie über die Kultur- und Kreativwirtschaft
Kultur macht Orte lebenswert
tk. Landkreis. Die Kreativ- und Kulturwirtschaft wächst und ist eine nicht zu vernachlässigende Größe, schreibt die IHK Stade, die eine umfangreiche Analyse des kreativen Wirtschaftszweigs in der Metropolregion Hamburg für die Region ausgewertet hat. Im Stader IHK-Bezirk (die Landkreise Stade, Rotenburg und Cuxhaven) erzielen Kreative ein Umsatzvolumen von rund 313 Millionen Euro im Jahr und 6.700 Menschen sind fest, frei oder in Teilzeit in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt. "Eine vielfältige und bunte Kreativszene ist ein wichtiger weicher Standortfaktor", sagt daher IHK-Chefin Maike Bielfeldt. Die Kreativen tragen zu attraktiven und lebenswerten Städten und Gemeinden bei. Das Problem dabei: Zur Kreativ- und Kulturwirtschaft gehört die erfolgreiche Werbeagentur genauso wie das freie Theater, das sich von Jahr zu Jahr fragt, ob der Spielplan überhaupt finanzierbar ist.
Das WOCHENBLATT hat exemplarisch bei zwei Kreativ-Einrichtungen in Buxtehude nachgefragt: dem Theater im Hinterhof und der Kreativwerkstatt "Deck 2" in der Malerschule. Von der Studienaussage, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor zu sein, sind die beiden Institutionen meilenweit entfernt. Die Macher hinter den Kulissen unterschreiben aber sofort die Aussage, dass sie entscheidend dazu beitragen, dass die Estestadt eine lebendige Kulturszene hat und damit attraktiv für Menschen ist und bleibt.
Joachim Menneking führt den Förderverein des Theaters im Hinterhof. Seine verstorbene Tochter Nina Zober hatte die kleine, aber feine Spielstätte, gegründet. "Das funktionierte nur, weil sie das Theater mit ihrer Musikschule querfinanziert hat", sagt Menneking. "Geld lässt sich damit nicht verdienen", fügt er hinzu. Dass das Theater für eine lebendige Kulturszene aber wichtig sei, daran bestehe kein Zweifel. Es kommen auch Besucher, die aus dem gesamten Norden anreisen, um Künstlerinnen und Künstler zu sehen. Was im Umkehrschluss auch heißt: Das Theater sei ein wichtiger und positiver Imagebringer für die Stadt.
Ohne Sponsoren lassen sich größere Veranstaltungen, etwa das Engagement eines lettischen Chores, gar nicht verwirklichen. Die Theatermacher sind daher froh, zum Beispiel mit den Stadtwerken Buxtehude und der Sparkasse Harburg-Buxtehude Unterstützer mit im Boot zu haben.
Simone Kleinheinz betreibt die Kreativwerkstatt "Deck 2" in der denkmalgeschützten Malerschule am Hafen in Buxtehude. Ihr größtes Problem: Sie hat einen befristeten Mietvertrag. Die künftige Nutzung des Gebäudes, das der Stadt gehört, ist noch offen. Externe Experten sollen Politik und Verwaltung Vorschläge vorlegen. "So eine Einrichtung wie das 'Deck 2' gehört in jede Stadt", findet Simone Kleinheinz. Es bietet Kreativen Ausstellungs- und Verkaufsfläche und zudem Raum für kleine Konzerte. "Was wir machen, ist vielfältig." Dass es möglich sei, dass im "Deck 2" etwas klein beginne und dann wachse, sei wichtig, um anderen Kreativen eine Basis zu bieten.
Ein Themafür die IHK
Was sich Simone Kleinheinz wünscht: Dass Buxtehude ein sozio-kulturelles Zentrum bekommt. "Dafür gibt es auch Fördertöpfe", betont sie. Wie so etwas aussehen könnte, ist in der Nachbarschaft mit der "Honigfabrik" in Wilhelmsburg zu besichtigen (https://jim.honigfabrik.de). (tk). Für die IHK Stade kümmert sich Kathrin Wiellowicz um die Kultur- und Kreativwirtschaft. Dieses Thema sei für die IHKs relativ neu, sagt sie dem WOCHENBLATT. Ihr gehe es in einem ersten Schritt darum, Kontakte zu knüpfen. "Wir wollen unser Ohr überall haben", so Kathrin Wiellowicz. Das bedeutet für sie auch, dass sie durchaus Ansprechpartnerin für Institutionen oder Kulturschaffende sein kann, die nicht gewinnorientiert bzw. ehrenamtlich arbeiten. Dass Laien in dem komplizierten Förderdschungel nicht sofort den Durchblick haben, sei verständlich. Hier könne die IHK helfen. Die IHK Stade hat sich auf jeden Fall vorgenommen, die Kultur- und Kreativwirtschaft künftig stärker im Blick zu haben und wenn möglich zu unterstützen.
Wer hilft den Ehrenamtlichen?
Keine Frage, Kreativ- und Kunstschaffende sorgen dafür, dass ein Ort vielfältig, lebendig und damit attraktiv ist. Was die Analyse der wirtschaftlichen Potenziale der Kreativwirtschaft aber gänzlich aus den Augen lässt: Kultur ist sehr oft eine Sache, die ehrenamtlich bewältigt wird. Da geht es nicht um Umsätze, sondern um engagierte Menschen, die etwas auf die Beine stellen. Und diesen Ehrenamtlichen, die in keiner Studie auftauchen, wird das Leben mitunter schwer gemacht. Als Ex-Vorstandsmitglied eines kleinen Kulturvereins spreche ich aus Erfahrung.
Die bürokratischen Hürden bremsen mitunter den kreativen Tatendrang. Darf ich überhaupt ein Kultursommerfest am Ort X auf die Beine stellen und muss ich eine Versicherung abschließen, falls ein Besucher auf die Nase fällt? Was passiert, wenn bei einer Ausstellungseröffnung am Wochenende auch Kunsthandwerk verkauft wird? Verstoße ich gegen Ladenöffnungs-Bestimmungen? Und wo bekomme ich den Spuckschutz fürs Tortenbuffet her, damit ich mit meinem Verein bei einer Veranstaltung wenigstens über den Kuchenverkauf ein paar Euro einnehmen kann?
Klar, es findet sich (fast) immer eine Lösung und hemdsärmelig geht meistens gut. Aber manchmal sagen ehrenamtliche Kulturmacher auch: Auf diesen ganzen Wust an Vorschriften habe ich keinen Bock mehr. Hier gilt es anzusetzen und - nicht nur Kulturvereine - zu entlasten. "Wir erledigen das unentgeltlich für euch", wäre der passende Ansatz in jeder Kommune. Und: Dort, wo es einen Etat für Kunst und Kultur gibt, wäre es mitunter sinnvoller, etablierte, aber finanzschwache ehrenamtliche Kulturmacher zu unterstützen, statt in Projekte zu investieren, die kurzfristig Glanz beim Pressestermin mit Politik, Verwaltung und anwesenden Künstlern bringen.
Tom Kreib
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