Als Kind schon selbst im Gefängnis
Junger Eritreer befreit Mutter aus Haft

Bereket Maharena, ein junger Mann aus Eritrea, der trotz unglaublicher Erlebnisse gerade sein Studium der Sozialökonomie in Hamburg abschließt | Foto: privat
  • Bereket Maharena, ein junger Mann aus Eritrea, der trotz unglaublicher Erlebnisse gerade sein Studium der Sozialökonomie in Hamburg abschließt
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Eritrea: Ein kleines Land in Ostafrika mit nur etwa 3,8 Millionen Einwohnern aber voller Herausforderungen. Es herrscht eine strenge Diktatur, die Einwohner haben Angst vor Zwangsarbeit, willkürlichen Verhaftungen und unbegrenztem Militärdienst. Menschen sind ohne Anklage unter furchtbaren Bedingungen in Gefängnissen, Kinder werden ebenso unter furchtbaren Bedingungen festgehalten, wie Erwachsene - oft über Jahrzehnte.

Als Kind die Schule abgebrochen um der Mutter zu helfen

Es ist so weit weg, so unvorstellbar für Familien hier vor Ort, die ihre Kinder morgens in den Kindergarten oder die Schule bringen, sich Gedanken darüber machen, was es zum Abendessen im Familienkreis geben soll. Auch Bereket M. (vollständiger Name der Redaktion bekannt) sitzt abends mit seiner Frau in seinem Tostedter Zuhause zusammen, jetzt an ihrer Seite die vier Monate alte Tochter. Bereket ist ein ruhiger, schmaler, junger Mann, 27 Jahre alt, und er steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums der Sozialökonomie (Schwerpunkt BWL) an der Universität Hamburg. Was derzeit nach einem ruhigen Leben klingt, erfuhr im Sommer einen tiefen Einschnitt, seine Vergangenheit holt ihn immer wieder ein: Am zweiten Juli kam seine Mutter ins Gefängnis in Eritrea. Und was das bedeutet, hat Bereket am eigenen Leib erfahren.
Sein Vater kämpfte für sein Land Eritrea im Krieg gegen Äthiopien und kam darin um. Plötzlich stand die Mutter allein da, mit sechs Kindern, Bereket war der Älteste. Er war ein Einser-Schüler und immer Klassenbester, wollte studieren, engagierte sich schon früh in der Kirche. Aber als 13jähriger brach er die Schule ab um seine Mutter zu unterstützen, denn ein soziales Netzwerk wie in Deutschland gibt es dort nicht. Schon früh war ihm klar, dass er nicht in Eritrea bleiben konnte, er wollte ins Ausland, um von dort seiner Mutter zu helfen. Also versuchte er schon als 13jähriger, das Land zu verlassen, scheiterte und er kam für sechs Monate ins Gefängnis. Kein Vergleich zu deutschen Gefängnissen, in Eritrea sind es Kellerverliese, einmal am Tag gab es etwas zu essen. Er war bei weitem nicht der jüngste Insasse, erzählt von neunjährigen Kindern, die mit ihm im Gefängnis waren. Und er wurde körperlich gefoltert. Nur durch Beziehungen gelang es der Mutter, ihr Kind aus dem Gefängnis zu befreien. Er erlebte, wie Menschen ins Gefängnis kamen, teilweise 20 Jahre und länger unter grauenvollen Bedingungen, ohne Gerichtsverfahren. Nachfragen der Familie waren nicht erlaubt, sonst mussten auch diese Angst um ihre Freiheit haben.

2014 begann die lebensgefährliche Flucht

Bereket plante weiter mit einem Freund seine Flucht, die im November 2014 begann. Von Eritrea ging es zur Grenze nach Äthiopien, eine Grenze, an der es den Schießbefehl gibt. Auf beide wurde geschossen, Bereket wurde verfehlt, sein Freund am Bein getroffen, aber er überlebte. Weiter kamen sie in den Sudan, tagelang waren sie in der Wüste. Sie hatten nichts zu essen oder zu trinken, auf der Suche nach Wasser wurden sie von Terroristen aufgegriffen und entführt. Neunzehn Personen waren es, die im Sudan gefangen gehalten wurden. Sie bekamen Nahrung und Wasser, damit sie am Leben bleiben. Alle waren mit Ketten an den Fussgelenken aneinander gefesselt. Noch heute wacht er nachts auf und denkt "nicht umdrehen!" - denn wenn sich einer der Mitgefangenen im Schlaf drehte, tat es den anderen an den Fußgelenken furchtbar weh. Zwei der Gefangenen wurden vor den Augen Berekets getötet, die Entführer verlangten täglich - jeden Morgen und jeden Abend - dass sie mit dem Handy Videos aufnahmen, während sie ausgepeitscht wurden, um von den Familien Geld zu erpressen. Erst sollten die Familien 50.000 Dollar für die Freilassung bezahlen, das konnte aber niemand aufbringen, dann wurde die Summe auf 25.000 Dollar reduziert. Auch das war nicht machbar. Letztendlich konnte die Mutter mit Hilfe von Freunden, Familie und Nachbarn umgerechnet 2.000 Dollar aufbringen und bezahlte dies. Sodann kam Bereket frei, wurde in die Nähe von Sudans Hauptstadt Khartoum verbracht, bis Februar war er im Sudan. Weiter ging es in Fahrzeugen durch die Wüste, nachdem, was er bisher erlebt hatte, beschreibt er dieses als "hart, aber es war in Ordnung". Auch hier musste er miterleben, wie einer der Mitreisenden, der vor Durst ohnmächtig wurde, einfach wie eine Sache in der Wüste vergraben und zurückgelassen wurde. Von Libyen aus dann startete er in einem Boot mit rund 300 Personen an Bord. Aus Zeitungsberichten seiner Heimat wusste er schon, dass auch dieser Teil der Reise lebensgefährlich war, aber im Mittelmeer wurden sie nach rund 18 Stunden von einem Schiff aufgegriffen und gerettet - das war Ostern 2015. Über Italien und Österreich kam er nach Deutschland und lebt hier seit mittlerweile neun Jahren. Er lernte deutsch, machte seinen Schulabschluss, eine Lehre und steht nun vor dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums. Auch seine Frau hat bereits eine Lehre absolviert und sobald das Kind groß genug ist, möchte sie im medizinischen Bereich studieren. "Darin möchte ich sie auf jeden Fall unterstützen!" so Bereket. Weil er so viel Hilfe in Tostedt erfuhr, ist er selbst auch ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig um etwas von der Unterstützung zurück zu geben, die er selbst erfahren hat.

Eritrea erpresst Geld von Familie für Freilassung

Als im Juli die Nachricht kam, dass seine Mutter inhaftiert wurde, war er verzweifelt. Die Regierung nutzt solche Inhaftierungen häufig, um von den im Ausland lebenden Angehörigen Geld zu erpressen.12.000 Euro mussten sie für die Freilassung der Mutter bezahlen, zwei jüngere Geschwister leben noch bei ihr in Eritrea. Freunde, Nachbarn, Familie legten zusammen, liehen ihm Geld. Zu guter letzt kamen noch 2.800 Euro aus Spenden zusammen und so konnte die Mutter Ende Oktober freikommen. "Ich bin den Menschen so sehr dankbar!" freut sich Bereket über die Solidarität, die ihm entgegengebracht wurde und hofft, dass seine Familie nun endlich zur Ruhe kommen kann.

Redakteur:

Stefanie Hansen aus Tostedt

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