Niedersachsen
Den (sozialen) Wohnungsbau ankurbeln
Die Initiative ist längst überfällig, der Plan klingt zunächst positiv: Das Land will eine eigene Wohnungsbaugesellschaft gründen, um der Problematik des mangelnden und bezahlbaren Wohnraums entgegenzuwirken. Allerdings: Laut einer Studie des Landes fehlen in Niedersachsen bis zum Jahr 2040 rund 150.000 Wohnungen. Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) nennt für die Gesellschaft als mögliches Ziel aber nur rund 20.000 Wohnungen bis 2040. Laut dem Sozialverband VdK hat sich die Zahl der Sozialwohnungen in Niedersachsen in den letzten 20 Jahren nahezu halbiert.
Die landeseigene Wohnungsgesellschaft "WohnRaum Niedersachsen GmbH" soll bereits im Januar die Arbeit aufnehmen und ein Startkapital von 100 Millionen Euro erhalten. Mit Hilfe von Förderkrediten in Höhe von rund 240 Millionen Euro und Krediten am freien Markt von weiteren 90 Millionen Euro solle das Investitionsvolumen der Gesellschaft auf rund 428 Millionen Euro anwachsen. Unter aktuellen Marktbedingungen könne damit zunächst ein Wohnungsbestand von etwa 1.600 landeseigenen Wohnungen aufgebaut werden, erklärte Lies am Montag in Hannover. "Ziel insgesamt muss es sein, dass sich die Kosten für das Wohnen zumindest wieder stabilisieren und guter Wohnraum für alle in ausreichendem Maße und bezahlbar vorhanden ist", so der Minister.
Kritik vom VdK
Der VdK Niedersachsen-Bremen sieht das Vorhaben der Landesregierung zwar grundsätzlich als positives Signal, fordert darüber hinaus aber auch weitere Konzepte, um den dramatischen Wohnungsmangel in Niedersachsen zu bekämpfen. „Das Startkapital von 100 Millionen Euro ist ein begrüßenswerter erster Schritt. Allerdings bedarf es weiterer Mittel, die deutlich über 100 Millionen Euro hinausgehen müssen. Der Wohnungsbau muss zu einer dringenden Priorität der Landesregierung werden, um den Bedarf an Sozialwohnungen decken zu können. Der Mangel ist jetzt schon offensichtlich und alarmierend, einem weiteren Abwärtstrend durch das Herausfallen aus der Sozialbindung muss konsequent entgegengewirkt werden. Stand jetzt fehlen uns 100.000 bezahlbare Wohnungen. Auch barrierefreie Sozialwohnungen sind kaum noch zu finden“, erklärt VdK-Landesvorsitzender Friedrich Stubbe. Reiner Wohnungsbau allein reicht laut VdK nicht aus, um die grundlegende Frage des bezahlbaren Wohnens zu lösen. „Es bedarf weiterer Ideen und Konzepte, um das Problem zu lösen. Zum Beispiel die Umwidmung von leerstehenden Bürogebäuden oder Kaufhäusern. Zudem muss man über die Gründung von sogenannten Matching-Agenturen nachdenken, die den Tausch von Wohnraum zwischen unterschiedlichen Bedarfsträgern ermöglichen“, sagt Friedrich Stubbe.
Birgit Butter (CDU)
Landtagsabgeordnete Birgit Butter (CDU) äußert sich kritisch zu dem neuen Projekt. „Die Landeswohnungsgesellschaft der rot-grünen Landesregierung wird ein Bürokratiemonster, eine neue Behörde, mit teurer Geschäftsführung und weiteren Verwaltungs- und Personalkosten", prophezeit sie. Butter rechnet vor: "Laut rot-grünem Koalitionsvertrag sollten 40.000 Wohnungen geschaffen werden, jetzt sollen es nur noch 1.600 Wohnungen sein. Runtergerechnet auf unsere 939 niedersächsischen Kommunen, sind dies 1,7 Wohnungen pro Kommune – Wohnungsmangel beseitigt man so nicht! Die 100 Millionen Euro, die diese Gesellschaft verschlingen wird, könnten anders und besser für mehr bezahlbaren Wohnraum eingesetzt werden.“
Nadja Weippert (Grüne)
"Es gut und richtig, dass Rot-Grün ein Jahr nach Regierungsantritt jetzt die WohnRaum Niedersachsen GmbH als neue Landeswohnungsgesellschaft ins Leben ruft. Auch wir hätten uns diesen Schritt früher gewünscht und sicherlich wird die landeseigene Wohnungsgesellschaft auch nicht alles an Fehlentwicklungen am Markt heilen können, aber wir sind zuversichtlich, dass wir die Verfehlungen ein Stück weit korrigieren und einen wichtigen Beitrag für einen sozialeren Wohnungsmarkt in Niedersachsen leisten können", sagt die Grünen-Landtagsabgeordnete Nadja Weippert. "Uns ist wichtig, das Bauen in Niedersachsen schneller, einfacher und günstiger zu machen – denn so schaffen wir mittelfristig wieder ausreichend und bezahlbaren Wohnraum. Außer der Einrichtung der Wohnungsgesellschaft, die Werte des Landes Niedersachsen schafft und dem in der niedersächsischen Verfassung verankerten Recht auf Wohnraum gerecht wird, ist die geplante Novelle der niedersächsischen Bauordnung (NBauO) mit einer angepassten Umbauordnung eine weitere wichtige Stellschraube, um den Wohnungsmarkt zu stabilisieren. Mit der geänderten Umbauordnung sollen Hemmnisse für den Umbau abgebaut und somit bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, die sich positiv sowohl auf den Klimaschutz als auch auf die Baukosten auswirken werden“, so Weippert.
Landrat Rainer Rempe
"Grundsätzlich ist jegliches Engagement bei der Schaffung von bezahlbarem oder sozialgefördertem Wohnungsbau zu begrüßen", sagt Rainer Rempe, Landrat des Landkreises Harburg. "Dass das Land hier nun selber mit dem Bau von Wohnungen aktiv wird, ist für viele Menschen, die dringend auf bezahlbare Wohnungen angewiesen sind, sicher ein positives Signal. Als Landkreis haben wir gemeinsam mit der Sparkasse Harburg-Buxtehude und den beteiligten Kommunen schon vor Jahren dringenden Handlungsbedarf gesehen und daher 2017 die Kommunale Wohnungsbaugesellschaft (KWG) gegründet. Uns ist noch nicht bekannt, in welchem Umfang die Landeswohnungsbaugesellschaft in den nächsten Jahren überhaupt Wohnungen im Landkreis Harburg bauen wird. Die KWG ist selbstverständlich auch offen für gemeinsame Projekte. Wir erwarten jedoch, dass das Land ausreichend Fördermittel gerade für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellt und unser kommunales Engagement gleichberechtigt sieht, sodass die Mittel nicht bevorzugt an die eigene Gesellschaft ausgeschüttet werden", betont Rempe.
Landrat Kai Seefried
Auch Stades Landrat Kai Seefried übt Kritik an dem Projekt. "Das Ziel des Landes, den Wohnungsbau zu fördern und zu unterstützen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Hierfür eine neue Gesellschaft zu gründen, halte ich jedoch für den falschen Weg." Die Förderung des Landes solle in konkrete Projekte statt in neue Verwaltungsstrukturen investiert werden, so Seefried weiter. Die Förderung bereits bestehender Wohnungsbaugesellschaften oder konkrete Förderprogramme für Gebäudesanierungen oder günstigeres Bauland wären ein richtiger Weg. Daneben sollte alles getan werden, um Bauen günstiger und einfach zu machen. (bim/sb).
Auf ein Wort: Politisch geförderte Obdachlosigkeit
Wohnraumnot – das Thema ist wahrlich nicht neu, die Problematik von den Kommunen bis zum Bund seit Jahrzehnten bekannt - und das nicht erst seit zuwandernden Flüchtlingsströmen und steigenden Lebenshaltungs- und Energiekosten. Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wurde dabei seitens der Politik verschlafen bzw. ausgesessen, das „Feld“ lieber Immobilienvermarktern und -spekulanten überlassen. Grundstücks-, Haus- und Mietpreise sind daher in den vergangenen Jahren in die Höhe geschnellt. Natürlich ist es schöner anzusehen, wenn in Neubaugebieten schmucke Einfamilienhäuser statt mehrgeschossige Wohnblöcke entstehen. Die Leidtragenden dieser Politik sind nun unter anderem Menschen, die im Alter mit der Rente nicht auskommen, die als Alleinstehende oder als Normal- oder Geringverdiener horrende Mietkosten nicht aufbringen können.
Sicherlich: Es ist immer ein schwieriges Thema, wenn Politik der Wirtschaft Auflagen macht oder machen will. Der jahrzehntelange „Wildwuchs“ mit Mondpreisen für Wohnraum im Ergebnis führt allerdings für viele Menschen unweigerlich in eine Obdach- oder Wohnungslosigkeit. Und hier ist die Politik sehr wohl gefragt, im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger aktiv zu werden – auch mit unliebsamen Regulierungen.
So können zum Beispiel Regelungen getroffen werden, ob bei neuen Bauvorhaben ein verpflichtender Anteil an Sozialwohnungen vorgegeben werden soll. Das muss nur politisch gewollt sein. Die Stadt Buchholz geht diesen Weg seit Mitte 2016: Im Geschosswohnungsbau wird ein Anteil an gefördertem Wohnraum vorgegeben. Dieser muss bei 40 Wohneinheiten zehn Prozent, ab 80 Wohneinheiten 20 Prozent und ab 100 Wohneinheiten 25 Prozent betragen - festgelegt auf 20 Jahre. Dem Bauboom in der Nordheidestadt hat das keinen Abbruch getan.
Die jetzt von der niedersächsischen Politik beschlossene Landeswohnungsgesellschaft ist ein richtiger Schritt. Aber er kommt viel zu spät. Und die mit einigen Millionen Euro geförderten Wohnungen reichen bei Weitem nicht aus.
Bianca Marquardt
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