"Schichtwechsel"
Menschen mit und ohne Handicap tauschten Arbeitsplätze
Welche Tätigkeiten übernehmen Menschen mit Behinderung in den Werkstätten der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg? Davon konnten sich jetzt Interessierte im Rahmen des bundesweiten Aktionstages "Schichtwechsel" ein Bild machen. Menschen mit und ohne Behinderung tauschten für einen Tag den Arbeitsplatz. Daran beteiligten sich auch die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in Tostedt und das Unternehmen Riensch & Held GmbH aus Hamburg-Allermöhe. Während Axel Dreger, bei Riensch & Held im Einkauf zuständig für Materialwirtschaft und Produktionsplanung, in Tostedt Kartons packte, waren drei Werkstattmitarbeiter in dem Hamburger Unternehmen im Einsatz.
Rund 830 Menschen arbeiten
in den Werkstätten
In den Werkstätten für Menschen mit Handicap arbeiten täglich Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Rund 830 Menschen mit Handicap sind es in den Werkstätten der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg an den Standorten in Tostedt, Winsen und Lüneburg. Auch wenn Außenstehende aus Unkenntnis oft annehmen, dass dort nur "gebastelt" werde, übernehmen die dort Betreuten wichtige Tätigkeiten im Bereich Dienstleistung und Produktion für die Wirtschaft. Das sollte mit dem bundesweiten Aktionstag "Schichtwechsel" der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen erlebbar gemacht werden.
In der Tostedter Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) gibt es rund 280 Plätze. Die dort beschäftigten Menschen mit Behinderung arbeiten in der Montage, der Küche und der Wäscherei sowie in Gruppen für das Freilichtmuseum am Kiekeberg in Rosengarten-Ehestorf, den Museumsbauernhof Wennerstorf und dem Krankenhaus Buchholz sowie in der Tagesförderstätte.
Verpacken von Teespangen
und Filtern aller Art
Seit 35 Jahren arbeitet die WfbM in Tostedt mit dem Unternehmen Riensch & Held GmbH aus Hamburg-Allermöhe zusammen, in Europa einer der führenden Hersteller für Filterlösungen in den Bereichen Haushalt, Medizin und Industrie. Angefangen mit sogenannten Teespangen als Halter für Teefilter, von denen am Standort Tostedt mittlerweile 250.000 bis 500.000 Stück pro Jahr verpackt werden, reichen die Aufträge inzwischen bis hin zum Verpacken diverser Filter wie Luftfiltern für Schweißgeräte oder Dunstabzugshauben.
In einer der Montagegruppen bearbeiteten an diesem und am folgenden Tag 15 Betreute einen Auftrag zum Verpacken von 3.000 Filtern für Dunstabzugshauben. "Fettfilter, Abstandshalter, Handschuhe und Einlagen werden jeweils in eine Tüte gepackt und diese am Ende verschweißt, sodass sie beim Kunden in einem Beutel ankommen", erläuterte Montage-Abteilungsleiter Dean Rauschmaier. "Wir wollen möglichst viele Menschen an einem Arbeitsprozess beteiligen und sie gemäß ihren Fertigkeiten und Fähigkeiten fördern - vom Packen der Beutel über das Verschweißen, das Verladen der Kartons mit dem Gabelstapler und Versehen der Paletten mit Folie und Kantenschutz bis hin zum Ausstellen des Lieferscheins und der Rechnung."
Wie wichtig die Arbeit für die Werkstatt-Beschäftigten ist, bestätigen Karin Ruperti, die seit 36 Jahren in der WfbM und seit einem Jahr in der Montagegruppe tätig ist, und Ilse-Christine Krökel, mit 45 Arbeitsjahren "Dienstälteste". "Uns macht die Arbeit hier viel Spaß", erklärten die beiden. Schließlich ist Arbeit mehr als eine Beschäftigung, sie fördert die sozialen Kontakte und stärkt das Selbstwertgefühl.
Hälfte der Lohnkosten
steuerlich absetzbar
Axel Dreger vom Unternehmen Riensch & Held GmbH, der in der Montage die Beutel mit Filterzubehör in Kartons packte, sieht in der Kooperation mit den Werkstätten mehrere Vorteile: "Es werden Arbeitsplätze geschaffen und die Werkstätten ausgelastet. Außerdem wird die Schwerbehindertenabgabe erfüllt", sagte er. Denn Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung sind verpflichtet, eine Anzahl von Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Tun sie dies nicht, muss eine Abgabe an das zuständige Integrationsamt gezahlt werden. Für die Betriebe, die Menschen mt Handicap einstellen, lohnt es sich aber auch finanziell, denn die Hälfte der Lohnkosten ist steuerlich absetzbar.
Pro Jahr würden zwei bis drei Menschen mit Handicap aus der Tostedter Werkstatt in den ersten Arbeitsmarkt integriert. Eine solche Integration hapere aber häufig an den Vorstellungen der Gesellschaft oder der Unternehmen. "Die Hemmschwelle seitens der Firmen ist sehr groß. Wir betreuen später meist nicht die Betreuten, sondern die Betriebe, in denen sie arbeiten", berichtete Dean Rauschmayer.
Drei Werkstatt-Mitarbeiter
im Hamburger Unternehmen
Während Axel Dreger Kartons packte, waren zeitgleich Anke Schmude, Nils Hanke und Ricardo Ramm, drei Werkstatt-Mitarbeiter aus Tostedt, mit Malina Rathjen, Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung der Lebenshilfe, in dem Hamburger Unternehmen tätig. WfbM-Mitarbeiter Nils Hanke ist dort als versierter Gabelstaplerfahrer voll beschäftigt. (bim).
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