Alarmstufe rot
Feuerwehren im Landkreis schlagen Alarm

Volker Bellmann, Kreisbrandmeister des Landkreises Harburg | Foto: Matthias Köhlbrandt
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Fehlende Lehrgänge, unbesetzte Dozentenstellen, sanierungsbedürftige Unterkünfte – die Situation an den Ausbildungsstandorten der Feuerwehr in Niedersachsen ist alarmierend. Während die Politik Verbesserungen verspricht, bleibt die Realität für die Feuerwehren ernüchternd. Die CDU-Landtagsabgeordneten Birgit Butter und André Bock fordern eine schnelle Lösung, doch vor Ort wächst die Frustration.

Henning Klensang, Kreisbrandmeister im Landkreis Stade, und Volker Bellmann, Kreisbrandmeister im Landkreis Harburg, erleben die Probleme tagtäglich. „Wir stehen vor einer echten Herausforderung“, sagt Klensang. „Aktuell ist die Einsatzbereitschaft zum Glück noch nicht gefährdet, aber das liegt vor allem daran, dass wir auf Kreis- und Gemeindeebene versuchen, möglichst viel selbst aufzufangen. Doch das kann nicht die Lösung sein!“

Fehlende Lehrgänge – Feuerwehrleute bleiben auf der Warteliste

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im Bereich Technische Hilfeleistung wurden für das Jahr 2025 insgesamt 81 Lehrgänge im Landkreis Stade beantragt – nur 10 wurden genehmigt. „Das bedeutet, dass 71 Feuerwehrkameraden und -kameradinnen, die dringend ausgebildet werden müssen, leer ausgehen. Und das ist nur eine Lehrgangsart!“, so Klensang. Besonders betroffen seien auch Gruppenführer- und Zugführerlehrgänge. Laut Bellmann lag die Zuteilungsquote für Gruppenführerlehrgänge früher bei bis zu 90 Prozent, heute wird nur noch rund die Hälfte des Bedarfs gedeckt. „Das ist ein massiver Rückschritt“, so Bellmann.

Die CDU-Landtagsabgeordneten Butter und Bock sehen das ähnlich. „Die Feuerwehrkameraden warten immer noch zu lange auf notwendige Aus- und Fortbildungslehrgänge. Die Versprechen der Landesregierung bleiben bisher leere Worte“, kritisiert Bock. Die ursprünglich geplante Kapazitätssteigerung von 30 Prozent durch die Abschaffung der Truppführerausbildung an der Niedersächsischen Landesbehörde für Brand- und Katastrophenschutz (NLBK) sei bislang wirkungslos geblieben.

Mangelhafte Infrastruktur: Schimmel, alte Kasernengebäude und Dreibettzimmer

Neben den fehlenden Lehrgängen ist auch die Situation an den Ausbildungsstätten ein großes Problem. „Die Standorte Celle-Scheuen und Loy sind teilweise in einem katastrophalen Zustand“, so Klensang. „Es kann nicht sein, dass Feuerwehrleute, die ehrenamtlich ihr Leben für andere riskieren, in Unterkünften mit Schimmel oder kaputten Heizungen untergebracht werden.“

Zudem seien Dreibettzimmer in der Erwachsenenbildung nicht mehr tragbar. „Das ist schlichtweg nicht zeitgemäß“, so Klensang weiter. „Und wenn Lehrgangsteilnehmer abends noch durch die Stadt fahren müssen, weil sie an einem Standort schlafen und an einem anderen unterrichtet werden, dann sorgt das für zusätzlichen Unmut.“

Bellmann ergänzt: „Seit 2013 versucht man, die Kapazitäten zu steigern, aber in Wirklichkeit passiert zu wenig. Die Bauarbeiten an den Schulstandorten ziehen sich viel zu lange hin. Man hätte längst handeln müssen!“

Butter sieht darin ein klares Zeichen mangelnder Wertschätzung für die Ehrenamtlichen: „Wenn unsere Feuerwehrleute am Standort Loy Räumlichkeiten niedrigsten Standards vorfinden, defekte Heizungen und Räume, die wegen Schimmel geschlossen sind, so ist das weder eine Wertschätzung noch Werbung fürs Ehrenamt.“

Personalmangel verschärft die Lage

Auch die personelle Ausstattung an den Ausbildungsstätten lässt zu wünschen übrig. 13 Dozentenstellen sind aktuell unbesetzt. Klensang sieht das Problem klar: „Es ist logisch, dass weniger Dozenten weniger Lehrgänge bedeuten. Es gibt einfach nicht genug Kapazitäten. Dass darunter auch die Qualität leidet, ist nur eine Frage der Zeit.“

Bock ergänzt: „Die Landesregierung muss dringend gegensteuern! Schon jetzt sind die Funktionsträger, auch im Landkreis Harburg, massiv belastet.“

Ein weiteres Problem: Die Berufsperspektiven für potenzielle Ausbilder sind wenig attraktiv. „Berufsfeuerwehrleute haben oft wenig Anreize, an den Schulen zu unterrichten, da sie im Einsatzdienst besser verdienen und Zuschläge bekommen. Man müsste gezielt Fachkräfte aus anderen Bereichen gewinnen, um die Lücken zu füllen“, schlägt Bellmann vor.

Digitale Ausbildung – Chance oder Risiko?

Um den Engpass zu entschärfen, setzt das Land verstärkt auf digitale Lehrgänge. Eine Lösung? Ja, aber nicht für alles, meint Klensang: „In bestimmten Bereichen macht das durchaus Sinn, aber Feuerwehr ist Praxis. Wir müssen im Brandhaus mit echtem Feuer üben, mit Drehleitern arbeiten, verschiedene Geräte in die Hand nehmen. Das kann kein Online-Kurs ersetzen.“

Bellmann sieht das ähnlich, weist aber darauf hin, dass digitale Angebote eine wichtige Ergänzung sein können: „Gerade für Kameraden mit Familie, die sich so flexibler weiterbilden können, ist das sinnvoll. Aber man muss aufpassen, dass die Praxis nicht zu kurz kommt.“

Bürokratie und mangelnde Flexibilität: Ein hausgemachtes Problem?

Ein weiteres Problem ist der bürokratische Aufwand. Früher wurde die Lehrgangsvergabe noch auf Papier erledigt – heute läuft alles über das Verwaltungsprogramm „FeuerOn“. Eine Erleichterung? Nicht unbedingt. „Die digitale Anmeldung ist zeitgemäß, aber das System ist nicht optimal. Alle müssen nacheinander freigeben, erst die Gemeinde, dann der Kreis, dann das Land. Das zieht sich durch das ganze Jahr und macht den Prozess träge“, kritisiert Bellmann.

Besonders frustrierend: Die Lehrgangsplätze für ein Jahr werden bereits im Oktober oder November des Vorjahres verteilt. „Danach gibt es kaum noch Spielraum für Anpassungen. Wer sich im Frühjahr oder Sommer anmeldet, hat oft Pech“, so Bellmann. „Wir müssen heute schon für 2026 kämpfen. Das ist absurd!“

Feuerwehren fordern schnelle Lösungen

Die Kritik an der Landesregierung wächst. Zwar wurden Sanierungen und bessere Strukturen versprochen, doch die Umsetzung lässt auf sich warten. Klensang bringt es auf den Punkt: „Wenn alle geplanten Baumaßnahmen wirklich mal umgesetzt werden, dann hätten wir eine Feuerwehrschule, die im Vergleich mit anderen Bundesländern richtig gut dasteht. Aber aktuell sind wir meilenweit davon entfernt.“

Auch Bellmann fordert mehr Tempo: „Wir brauchen nicht noch mehr Ankündigungen, sondern endlich Taten. Die Ausbildung unserer Feuerwehrleute ist nicht irgendein Randthema – sie ist die Basis für unsere Sicherheit!“

Butter und Bock fordern ebenfalls ein entschlosseneres Vorgehen. „Die von der Innenministerin angekündigte Fertigstellung der Baumaßnahmen für Ende 2029 ist nicht ambitioniert genug. Wir brauchen schnelle und konkrete Verbesserungen – insbesondere bei den Unterkunftsgebäuden“, so Bock abschließend.

Bis es soweit ist, bleibt den Feuerwehren nur, mit den vorhandenen Ressourcen das Beste herauszuholen. Doch wie lange das noch gut geht, ist ungewiss.

Volker Bellmann, Kreisbrandmeister des Landkreises Harburg | Foto: Matthias Köhlbrandt
Stades Kreisbrandmeister Henning Klensang | Foto: Daniel Beneke
Redakteur:

Anika Werner aus Winsen

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