Ihr Schicksal hing am seidenen Faden

Amtsrichter Dr. Michael Herrmann: DSurch genaues Hinsehen eine Angeklagte vor dem Gefängnis bewahrt | Foto: thl
  • Amtsrichter Dr. Michael Herrmann: DSurch genaues Hinsehen eine Angeklagte vor dem Gefängnis bewahrt
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Falschaussagen und Intrigen - Frau droht Gefängnis / Richter macht einen guten Job

(rs). Eine junge Frau hat in kurzer Zeit alles verloren: den Freund, den Job, das Zuhause. Das Schicksal dieser Altenpflegerin (32) ist ein Lehrstück über die Verkommenheit von Mitmenschen, die wegen materieller Vorteile, aus Missgunst und Unterwürfigkeit einen Unschuldigen ins Gefängnis bringen wollen. Es stellt die Rolle der Presse in Frage, die vorverurteilt ohne zu recherchieren. Und es wirft die Frage auf: Wieviele Menschen sitzen zu Unrecht in deutschen Strafanstalten?
"Deutschlands schlimmste Altenpflegerin", so oder ähnlich titelten vergangenes Jahr die Boulevard-Blätter und überschlugen sich in Vorverurteilungen und Spekulationen. Auch das WOCHENBLATT berichtete von einer Altenpflegerin aus der Heide, die Senioren misshandelt und gequält haben sollte. Dass die junge Frau einer Intrige ihrer Chefin unter Mithilfe von Kolleginnen und fragwürdiger Beteiligung einer juristisch vorgebildeten Betreuerin zum Opfer gefallen sein könnte, sprengte offenbar die Vorstellungskraft der Journalisten. Erst der Winsener Amtsrichter Dr. Michael Herrmann klärte in der Hauptverhandlung den Fall auf. Die Frau galt den Pflegeheimleitung als unbequem, weil sie auf die unzulängliche Personalausstattung hingewiesen hatte. Ihr wurde unter dem Vorwand gekündigt, Kolleginnen hätten beobachtet, wie sie Pflegebedürftige misshandelt habe. Das Arbeitsgericht kassierte die Kündigung, weil die Vorwürfe nicht belegbar waren. Daraufhin erstattet Betreuerin einer Seniorin, eine Rechtsanwältin, Strafanzeige gegen die Altenpflegerin. Dieses Mal mit Zeugen und scheinbar nachprüfbaren Beweisen. Doch, so ermittelte Amtsrichter Dr. Hermann in vier Verhandlungstagen und nach Sicherstellung der Pflegedokumentation des Heimes: Alles war ein großes Lügengebäude, aufgebaut auf Falschaussagen der Heimleitung und der Kolleginnen. Die Altenpflegerin wurde freigesprochen, eine Lügnerin später mit einer Geldbuße belegt. Das Heim ist inzwischen insolvent. Und was ist aus der fälschlich beschuldigten und vorverurteilten jungen Frau geworden? Das WOCHENBLATT hat mit ihr gesprochen.
Lesen Sie dazu:
"Ich hatte lange Albträume"

Redakteur:

Reinhard Schrader aus Buchholz

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